Gewalt gegen Rettungskräfte:Helfer in Gefahr

Ein Betrunkener schlägt einen Sanitäter, Passanten beschießen die Feuerwehr: Die Angriffe auf Rettungskräfte nehmen zu. Manche Helfer haben sich bereits Stichschutzwesten zugelegt.

Melanie Staudinger

Damit hatte der 44-jährige Rettungssanitäter aus dem Landkreis Freising nicht gerechnet. Eigentlich wollte er am Sonntag in der Früh nur einem betrunkenen Mädchen helfen. Statt einem Dankeschön bekam er einen Faustschlag ins Gesicht - von einem Freund der 18-Jährigen, der in seinem Rausch so gar nicht einsehen wollte, dass seine Bekannte Hilfe braucht.

Sanitäter des Roten Kreuzes versorgen Betrunkene auf dem Oktoberfest, 2008

Rettungskräfte des Roten Kreuzes werden bei ihren Einsätzen immer wieder angegriffen.

(Foto: Robert Haas)

Immerhin habe sich der Angreifer mittlerweile entschuldigt, berichtet Rettungsdienstleiter Hubert Böck. Doch er sagt auch: "Es darf einfach nicht passieren, dass Helfer attackiert werden."

Was für Polizeibeamte längst zum Dienstalltag geworden ist, passiert immer häufiger auch Rettungskräften oder Feuerwehrleuten. Während ihres Dienstes werden sie von Patienten oder Passanten angegangen. Die Polizei führt keine eigene Statistik über die Vorfälle. Der Landesverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) aber hat im vergangenen Jahr eine Umfrage in seinen Kreisgruppen gemacht, nachdem sich Sanitäter in Nürnberg Stichschutzwesten zugelegt hatten, um sich vor Angriffen zu schützen.

Das Ergebnis der Erhebung sei alarmierend, sagt Landesgeschäftsführer Dieter Deinert, der für den Rettungsdienst beim Roten Kreuz zuständig ist. Von Januar bis August 2011 fuhr das BRK gut 730.000 Einsätze in Bayern. Gewalttätige Übergriffe gab es laut Studie in rund 200 Fällen, die meisten beschränkten sich auf Beschimpfungen und Drohungen. 27 Mal aber seien Helfer körperlich angegriffen worden.

"Wir schulen Mitarbeiter in Deeskalation", sagt Deinert. Wenn jemand ausraste, dann seien es oft Betrunkene oder psychisch kranke Patienten. "Viele Situationen bekommen wir in den Griff, aber alles können wir nicht verhindern", erklärt er. Im Landkreis Fürstenfeldbruck beschossen Passanten an Silvester gezielt Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Puchheim-Bahnhof, die gerade einen Brand im achten Stock löschten. Eine Rakete entzündete ein Feuerwehrauto.

In Karlsfeld im Kreis Dachau drehte im November ein 54-jähriger Betrunkener durch: Er schlug einem Sanitäter ins Gesicht und trat ihm zwischen die Beine, weil er nicht behandelt werden wollte.

Polizei und Staatsanwaltschaft nehmen die Fälle sehr ernst. 2011 gab es eine Gesetzesänderung: Wer einen Rettungsdienstmitarbeiter angreift, kann genauso hart bestraft werden wie ein Täter, der einen Polizeibeamten attackiert. Die Höchststrafe liegt bei drei Jahren Gefängnis.

Die Polizeiinspektion Gröbenzell ermittelt gegen die Randalierer von Puchheim derzeit wegen Sachbeschädigung. Den jungen Mann aus Freising, der seine Bekannte "befreien" wollte, erwartet wohl auch ein Strafverfahren. Der 44-jährige Sanitäter hingegen muss erst einmal daheim bleiben: Er ist die nächsten Tage krank geschrieben.

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