Gesundheit:Pfleglicher mit Pflegekräften umgehen

SPD, Grüne und Linke kritisieren Arbeitsbedingungen in Heimen und Kliniken. Manche Verbesserungen sind wegen rechtlicher Fragen aber schwierig

Von Ekaterina Kel

Die SPD/Volt-Fraktion will gemeinsam mit den Grünen/Rosa Liste die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger in der Stadt verbessern. Mit einem "umfangreichen Maßnahmenpaket" wolle man sie konkret unterstützen, sagt die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD).

Bei Gesprächen mit Pflegekräften der Münchenstift und der München Klinik, beide Tochterunternehmen der Stadt, seien bestimmte Themen wiederholt zur Sprache gekommen, erzählt sie. So sei eine der größten Sorgen die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Sie wisse von 420 Anträgen, die derzeit noch offen seien. Es gäbe zwar schon jetzt viele Werkswohnungen, die den Beschäftigten von den Arbeitgebern bereitgestellt werden, sagt Anne Hübner, SPD-Stadträtin und Fachreferentin für Seniorenpflege bei der Arbeiterwohlfahrt. "Das Problem entsteht, wenn sie eine Familie gründen und etwas Größeres suchen." Man strebe hier den Bau von zusätzlichen, familiengerechten Wohnungen für Pflegekräfte an - und zwar entweder auf dem Gelände oder nah an den Einrichtungen. Auch angrenzende Landkreise sollen in gemeinsamen Bauprojekten eingebunden werden. Im Antrag werden mögliche Stelzenhäuser genannt, wie beim Dantebad über dem Parkplatz, und konkrete Flächen, beispielsweise am Klinikum Schwabing, aufgelistet.

Außerdem will man in den Kitas der Einrichtungen mehr Plätze und flexiblere Öffnungszeiten ermöglichen. Weil Pflegekräfte im Schichtbetrieb arbeiten, müssten ihre Arbeitszeiten gedeckt sein. Damit sich das lohnt, sollen dies auch andere Angestellte im Schichtbetrieb nutzen können.

Für bessere Arbeitsbedingungen schweben Anne Hübner Modellprojekte vor, zum Beispiel: 80 Prozent Arbeitszeit bei 100 Prozent Lohn. Im Münchenstift sei das einfacher umzusetzen, als in der München Klinik, wo erst einmal "sehr viele rechtliche Fragen" geklärt werden müssten. Aber wenn es soweit ist, möchte man auf der Intensivstation starten. Dort sei die Belastung am stärksten. Auch die Möglichkeit für Sabbaticals, also bezahlte Auszeiten, soll für das Pflegepersonal in beiden Unternehmen möglichst schnell geschaffen werden. Zudem ergeht eine klare Forderung an den Bund: Er soll die Leiharbeit in den pflegerischen Berufen abschaffen. Die München Klinik beschäftige etwa 100 Leiharbeitskräfte, sagt Dietl. Man gebe im Jahr dafür einen zweistelligen Millionenbetrag aus. "Die könnten wir besser in die Fürsorge investieren."

Weniger arbeiten, mehr bekommen - und das bei einem Mangel an Fachkräften? Für manchen scheinen diese Forderungen utopisch. Doch Hübner bekräftigt: "Schauen wir, dass wir uns nicht hemmen lassen von rechtlichen Hürden oder hohen Finanzbeträgen, sondern ganz mutig voran gehen." Sie kenne mehrere Pflegerinnen, die mit 50 nicht mehr können und den Beruf verlassen - in seiner jetzigen Form schade er der Gesundheit. Eine Pflegerin habe ihr gesagt: "Egal, wohin ich gehe, Hauptsache ich bin weg." Es werde Zeit, diesen Zustand zu ändern, notfalls mit ungewöhnlichen Maßnahmen. "Vielleicht ergreifen dann wieder mehr Menschen diesen Beruf und bleiben länger gesund", so Hübner.

Aus einer Antwort des Gesundheitsreferats auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke/Die Partei geht hervor, dass Pflegepersonal der München Klinik im vergangenen Jahr 9820 Überstunden geleistet hat, von denen 4508 Stunden ausbezahlt wurden. Bis Ende 2020 seien 146 Stellen in der Pflege unbesetzt geblieben. Dies seien "ein Armutszeugnis und ein Alarmsignal", so Fraktionsvorsitzender Stefan Jagel. Es werde im Stadtrat ständig erzählt, dass die Geschäftsführung der München Klinik die Situation der Pflegekräfte verbessern möchte. "Passieren tut aber wenig bis gar nichts", kritisiert Jagel.

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