Süddeutsche Zeitung

Gesundheit in München:Im Streit über die Fixerstube sind sich alle einig

  • Im Gesundheitsausschuss ist hitzig über die Einrichtung einer Fixerstube in München debattiert worden.
  • Den Antrag dazu hatte die CSU gestellt und damit eine Wende in ihrer bisherigen Drogenpolitik vollzogen.
  • Grüne, CSU und SPD warfen sich gegenseitig vor, in der Debatte vor allem den Wahlkampf im Blick zu haben.

Von Heiner Effern

Wenn die CSU ihren Regierungspartner des "Duckmäusertums" bezichtigt, die SPD sich wiederum ärgert, welches "seltsame Spiel" mit ihr und dem Rest des Stadtrats getrieben werde, könnte ein handfester Koalitionskrach im Rathaus dahinterstecken. So offen gegeneinander haben sich die beiden Fraktionen lange nicht mehr positioniert.

Doch weit gefehlt, es dürfte in den vergangenen Jahren kaum eine so lange und emotionale Debatte gegeben haben, bei der sich inhaltlich alle einig waren. Sämtliche Fraktionen des Gesundheitsausschusses wollen eine Fixerstube einrichten, in der schwer Abhängige legal und medizinisch überwacht ihre Drogen konsumieren können. Die Debatte geriet deshalb so hitzig, weil tatsächlich alle Fraktionen dafür waren. Auch die CSU. Von ihr kam sogar der Antrag.

Wer nun die strikte Drogenpolitik der CSU über die vergangenen Jahrzehnte hinweg beobachtet hat, wird sich über diese plötzliche Wende wundern. Die anderen Fraktionen im Stadtrat taten dies ausgiebig und unterstellten der Münchner CSU dafür einen eindeutigen Grund: den Landtagswahlkampf. Das liegt vor allem auch daran, dass als Sprecher im Ausschuss Hans Theiss fungiert, der im liberalsten Münchner Stimmkreis im Stadtzentrum gegen den Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann antreten muss. Und dort allen Prognosen zufolge einen schweren, wenn nicht aussichtslosen Stand haben dürfte.

"Schön, dass der Kollege Theiss zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl unsere Position übernommen hat", sagte die Grünen-Stadträtin Anja Berger. FDP-Mann Wolfgang Heubisch, der ebenfalls für ein Mandat im Landtag kandidiert, nannte den Vorstoß der Stadt-CSU "einen Schaufensterantrag" angesichts der strikten Ablehnung, mit der die CSU auf Landesebene Fixerstuben ausschließt. Die dafür zuständige Staatsregierung verweigert bislang eine Genehmigung.

Für Theiss in die Bresche sprang sein Parteifreund und Bürgermeister Josef Schmid. Die Stadtrats-CSU sei eben innovativ; er persönlich werde bei einer Wahl in den Landtag dafür kämpfen, dass seine Kollegen dort ihre Haltung zu Fixerstuben änderten. Richtig, auch der Bürgermeister ringt um Stimmen (allerdings mit weit besseren Aussichten als Theiss). Schmid versprach, sich für Fixerstuben ebenso beharrlich einzusetzen wie für die symbolträchtige Beteiligung der CSU am Christopher Street Day. "Da hat man mich auch ausgelacht, jetzt fährt unser Wagen mit."

Wenn hier im Stadtrat alle Wahlkampf machen könnten, werde er sich auch gleich beteiligen, konterte Hep Monatzeder für die Grünen. Er tritt schließlich auch an, im gleichen Stimmkreis wie Schmid. Und er machte seine "Drohung" umgehend wahr. Die "Show-Politik" der CSU im Wahlkampf bestehe daraus, "abgefieselte" Ideen der Grünen aufzugreifen. Die SPD wiederum verkündete, gar keinen Wahlkampf zu betreiben - mutmaßlich weil keiner ihrer Landtagskandidaten im Gesundheitsausschuss sitzt. Dies griff wiederum Bürgermeister Schmid bewusst missverständlich auf: Angesichts ihrer Lage sollten die Sozialdemokraten mal mit Wahlkampf beginnen; bei der CSU sei schon alles unterwegs, was geht.

Am Ende fiel noch Eva Caim von der Bayernpartei auf. Sie stellte eine Sachfrage. Das Ergebnis: Jawohl, die Stadt werde den Modellversuch und die medizinische Betreuung bezahlen.

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SZ vom 28.09.2018/huy
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