Süddeutsche Zeitung

Gesprächsreihe im Literaturhaus:Brenzlige Angelegenheiten

Das Literaturhaus startet mit einer Gesprächsreihe zum Thema Demokratie in die Saison - es diskutieren Autorinnen und Autoren wie Düzen Tekkal und Frido Mann, Hedwig Richter und Max Czollek

Von Antje Weber

In der gegenwärtigen Krise der Demokratie taucht immer wieder die Behauptung auf, dass unsere Demokratie am Ende sei. Das ist grundfalsch." Mit diesen ermutigenden Sätzen beginnt ein Essay von Frido Mann, der auf der Literaturhaus-Webseite nachzulesen ist. "Ich denke, wir Menschen werden nur äußerst langsam reif für die Nutzung unserer Freiheit im Dienste des kostbaren, aber überaus anfälligen Systems unserer jungen Demokratie", schreibt Mann. "Und dieses Pflänzchen gilt es wachstumsfördernd zu pflegen und vor antidemokratischen Übergriffen zu schützen."

Das Pflänzchen Demokratie pflegen: Diese Motivation liegt vielen Veranstaltungen zugrunde, mit denen - nicht nur - das Literaturhaus in die Herbstsaison startet, passend zur wieder geöffneten, sehenswerten Ausstellung "Thomas Mann: Democracy will win!" Und so ist es nur folgerichtig, dass Thomas Manns Enkel Frido an diesem Mittwoch den ersten Abend nach der Sommerpause mitbestreitet - in einer interessanten Kombination mit der Fernsehjournalistin und Autorin Düzen Tekkal, die in ihrem Buch "#GermanDream. Wie wir ein besseres Deutschland schaffen" (Berlin Verlag) darüber nachdenkt, wie wir die Spaltungen, wie wir Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft überwinden können.

In der Gesprächsreihe "Democracy will win!" wird weiterhin - diesmal im Volkstheater - am 15. September eine prominent besetzte Runde über "40 Jahre Oktoberfest-Attentat" diskutieren; eingeladen sind der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, der Journalist Ulrich Chaussy, der Anwalt Werner Dietrich und die Attentats-Überlebende Renate Martinez. Einen Tag später stellt die Münchner Historikerin Hedwig Richter im Literaturhaus ihr neues Buch "Demokratie. Eine deutsche Affäre" (C.H. Beck) vor, in dem sie unter anderem anschaulich klarmacht: "Demokratie ist eine spannungsgeladene Affäre, eine brenzlige Angelegenheit, wankend; nichts ist garantiert, ihr Modus ist die Krise."

Wem soviel Demokratie- und sonstige Krise aufs Gemüt schlägt: Natürlich kennt dieser Literaturherbst auch andere Themen. Schmerzhaft in die Tiefe bohren jedoch auch so unterschiedliche Bestsellerautoren wie David Grossman ("Was Nina wusste", 10. September) oder Zsuzsa Bánk ("Sterben im Sommer", 11. September, jeweils Literaturhaus). Um den Blick noch ein bisschen weiter schweifen zu lassen: Auch in der neuen Diskussionsreihe "Mynchen" der Monacensia (Beginn 15. September) werden die jungen Autorinnen Özlem Özgül Dündar und Vanessa Vu sowie der Autor Denijen Pauljevic vermutlich Kontroverses über Stadt und Gesellschaft zu bereden haben. Wenn wiederum am 24. September im Lyrik Kabinett die Dokumentarfilmerin und Lyrikerin Dilek Mayatürk die meist kurzen, schmerzdurchfurchten Gedichte ihres türkisch-deutschen Bandes "Brache" (Hanser Berlin) vorstellt, wird einmal mehr klar, dass auch Lyrik immer politisch ist, wenn auch manchmal nur indirekt.

Direkter ist ein Publizist und Lyriker wie Max Czollek, der erneut das Genre des Essays wählt; nach seinem viel diskutierten Buch "Desintegriert euch!" stellt er am 21. September im Literaturhaus seine neue Streitschrift "Gegenwartsbewältigung" (Hanser) vor. Deren Ausgangspunkt ist der Befund, dass mit dem Corona-Virus ein starker Staat zurückgekehrt sei, der "dringend der kritischen Begleitung bedarf". Die seit März geübte Solidarität habe ja nicht allen gegolten, zum Beispiel nicht den Menschen, die an den EU-Außengrenzen vegetieren. Wir müssten unsere längst radikal vielfältige Gesellschaft anders denken, schreibt Czollek, jenseits von alten Konzepten wie deutscher Leitkultur und so, "dass alle in ihr geschützt werden - und nicht nur manche". Es geht, könnte man sagen, um die Frage: Welche Pflänzchen werden in unserer Demokratie gepflegt - und welche lassen wir verdursten?

"Democracy will win!", Gesprächsreihe, Beginn Mittwoch, 9. September, 20 Uhr, mit Düzen Tekkal und Frido Mann, Literaturhaus (Saal & Stream), Salvatorplatz 1, weitere Termine unter literaturhaus-muenchen.de

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Quelle:
SZ vom 09.09.2020
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