Gespräch über Arbeitssucht:"Ungesunder Ehrgeiz"

Workaholics können nicht mehr aufhören zu arbeiten. Das ist gefährlich, denn Arbeitssucht kann zu Burnout und Depressionen führen. Im schlimmsten Fall kann sie sogar tödlich enden. Psychiologe Jürgen Glaser erklärt, was es mit der Krankheit auf sich hat.

Beate Wild

Jürgen Glaser ist Privatdozent für Psychologie und forscht am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema Arbeit und Gesundheit. Im Gespräch mit der SZ erläutert er die Ursachen und Folgen von Arbeitssucht.

Arbeitssucht Workaholics Burnout Krankeit Depression

Arbeitssucht Workaholics Burnout Krankeit Depression

(Foto: oh)

SZ: Herr Glaser, ab wann ist man nicht mehr fleißig, sondern arbeitssüchtig?

Jürgen Glaser: Wenn man mehr arbeitet, als die Jobbeschreibung verlangt und das in einer zwanghaften, exzessiven Art und Weise.

SZ: Heißt das, Workaholics können einfach nicht mehr aufhören zu arbeiten?

Glaser: Arbeitssüchtige sind Menschen, die nur widerwillig von der Arbeit ablassen. Sie sind Perfektionisten, Idealisten oder wollen stets besser sein als andere. Um Geld geht es meistens gar nicht, sondern um Geltung und Ansehen.

SZ: Welche Konsequenzen hat das für die Betroffenen?

Glaser: Arbeitssucht hat negative Folgen für die Gesundheit der Betroffenen, aber auch für deren Familie und Freunde. Aus einer Arbeitssucht können Burnout oder Depressionen entstehen. Im schlimmsten Fall kann Arbeitssucht tödlich enden - etwa im Herzinfarkt.

SZ: Wie hängen Arbeitssucht und Burnout zusammen?

Glaser: Arbeitssucht und Burnout sind nicht dasselbe, auch wenn Arbeitssucht einer der möglichen Gründe für Burnout sein kann. Burnout ist eine arbeitsbedingte Erschöpfung.

SZ: Und auch das private Umfeld leidet darunter?

Glaser: Genau, bei Arbeitssüchtigen ist eine zunehmende Abkapselung von Freunden, von der Familie und vom Partner zu beobachten. Die sogenannte Work-Life-Balance stimmt nicht mehr. In vielen Fällen zerbrechen soziale Beziehungen.

SZ: Sind bestimmte Menschen besonders gefährdet, arbeitssüchtig zu werden?

Glaser: Es trifft vor allem besonders ehrgeizige Menschen. Ein solches Arbeitsverhalten kann übrigens nicht genetisch vererbt werden, sondern entwickelt sich in der frühen Erziehung und Sozialisation in Familie und Schule, später im Beruf.

SZ: Wie kommt man von der Sucht los?

Glaser: Man muss vor allem an der beruflichen Situation etwas verändern, man kann im Job nicht so weitermachen wie bisher. Am besten spricht man mit seinem Vorgesetzten darüber, bittet um einen veränderten Aufgabenbereich oder reduziert seine wöchentliche Arbeitszeit. Außerdem ist therapeutische Hilfe unumgänglich.

SZ: Viele Workaholics wollen ihr Problem aber nicht öffentlich machen.

Glaser: Sucht wird meistens geheim gehalten. Bei Arbeitssucht muss dies nicht der Fall sein, zumal Führungskräfte ein solches Verhalten eher belohnen, als es fürsorglich einzudämmen. Wer die Symptome bei sich nicht beachtet und darüber nicht spricht, hat es schwer, den Teufelskreis zu durchbrechen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: