Süddeutsche Zeitung

Kino:Das Kreuz mit der Kunst

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Das Filmmuseum zeigt zu Ehren von Herbert Achternbusch seinen umstrittenen Film "Das Gespenst".

Von Josef Grübl

Bei Premieren oder Preisverleihungen sieht man jede Menge schräger Gestalten, leibhaftige Gespenster sind aber auch dort eher selten. Doch auf genauso einer Veranstaltung im Berliner Zoo-Palast kam es 1983 zu einer wahren Geisterstunde: Aus Protest gegen die Reduzierung der bereits fest zugesagten Fördermittel für den Film "Das Gespenst" durch den damaligen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann warfen sich viele Besucher weiße Leintücher über und spukten durch den Kinosaal. Auch sonst war die Aufregung riesig, es kam zu Jury-Verwerfungen, weiteren Solidaritätsbekundungen, sowie zu einer sogenannten Sühneprozession, bei der mehr als tausend katholische Pfadfinder um Vergebung für den sündigen Filmemacher baten.

Dessen Name lautete Herbert Achternbusch, er hatte "Das Gespenst" nicht nur inszeniert, produziert und geschrieben, sondern spielte auch die Hauptrolle. Im Film steigt er als lebensgroße Christusfigur vom Kreuz einer Klosterkirche, er wird an der Seite der Oberin des Klosters zum Ober, gemeinsam ziehen sie durch Bayern. Im weiteren Verlauf verrichten besoffene Polizisten ihre Notdurft in Gefäße, die nicht dafür vorgesehen sind, es werden Frösche an Kreuze gebunden, während die Frau Oberin ihre Röcke hebt und dem Bischof ihren Geschlechtsverkehr mit Jesus beichtet. "Widerwärtig, blasphemisch und säuisch", fand der Minister den Film; die öffentliche Auseinandersetzung führte aber auch zu einem gesteigerten Publikumsinteresse: 150 000 Menschen sahen "Das Gespenst" im Kino, mehr als jeden anderen Film des Regisseurs. Vor zwei Wochen ist Herbert Achternbusch im Alter von 83 Jahren gestorben, das Filmmuseum zeigt ihm zu Ehren noch einmal seinen bekanntesten Film sowie seinen 15-minütigen Kurzfilm "Das Kind" aus dem Jahr 1970.

Das Gespenst, BRD 1982, Regie: Herbert Achternbusch, Do., 27. Januar, 19 Uhr, Filmmuseum , St.-Jakobs-Platz 1

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