Horst Seehofer hatte lange gezetert, Gerda Hasselfeldt wollte ihre Einführung aus Rücksicht auf die schwache Konjunktur hinauszögern, doch jetzt kommt sie: Die Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte. Sie wird vom 1. Januar 2016 an gültig sein. Was der Ministerpräsident und die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag ahnten: Die bayerischen Unternehmen haben noch einiges zu tun, um die geforderte Anzahl von Frauen in die Aufsichtsräte zu bringen. Selbst jetzt, nachdem die Regelung lange angekündigt wurde, sitzt noch in neun von insgesamt 37 börsennotierten Unternehmen im Freistaat keine Frau im Aufsichtsrat.
Was in vielen Marketing-Broschüren schön bunt als "Diversity-Management" und Frauenförderung angepriesen wird, soll nun zählbar werden. Die Unternehmen müssen neue Kontrollposten sukzessive mit einer Quote von mindestens 30 Prozent mit Frauen besetzen. Die Hauptversammlung wählt die Räte. Wenn es die Konzerne nicht schaffen, genügend Frauen aufzustellen und die Quote zu erfüllen, muss der Stuhl vorerst leer bleiben. Grundsätzlich sind diese Posten für das unterrepräsentierte Geschlecht gedacht - was in den meisten Fällen die Frauen sind. Die Diskussion und die Argumente gegen die Quote sind bekannt: Die wenigen verfügbaren und geeigneten Frauen würden Mandate-Hopping in den Räten betreiben, in manchen Branchen gebe es einfach keine qualifizierten Frauen, und die starre Regel führe zu einem Anstieg der Quotenfrauen.
Aus dieser Furcht heraus hatte die Wirtschaft jahrelang Lobbyarbeit betrieben, gemeinsam mit der CSU genörgelt und so die Einführung einer Quote verzögert. Dabei wurde auch erreicht, dass aus der Quote ein Quötchen und aus dem Gesetz ein lasches Instrument geworden ist: Die Quote gilt nur für Aufsichtsräte in börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen - nicht aber für die Vorstände. Betroffen sind nur Firmen, die meist mehr als 2000 Mitarbeiter haben. Insgesamt sind das deutschlandweit nur gut 100 Unternehmen. Es gibt keine Sanktionen.
Der Aufsichtsrat ist ein Gremium, das es in jeder Aktiengesellschaft mit mehr als 500 Mitarbeitern gibt. Er kontrolliert und berät den Vorstand, der für das Tagesgeschäft verantwortlich ist. Bei der personellen Zusammensetzung der Aufsichtsräte ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Knapp 22 Prozent der Aufsichtsratsposten deutschlandweit sind mittlerweile mit Frauen besetzt, vor vier Jahren waren es zehn Prozent.
Die Münchner geben ein gemischtes Bild ab. Die Dax-notierten Unternehmen der Region haben in den vergangenen Jahren einiges getan, um mehr Frauen in das höchste Verwaltungsorgan zu holen. Keines ist jedoch mit gleich vielen Männern wie Frauen besetzt. Nur zwei deutsche Unternehmen schaffen das, die Comdirect Bank und das Digitalunternehmen QSC. Dort sind jeweils drei von sechs Räten weiblich. Die nun vorgegebene 30-Prozent-Quote müssen die meisten Münchner Konzerne jedoch nicht fürchten, die ganz Großen haben es fast alle geschafft. Der Versicherungskonzern Allianz besetzt vier von zwölf Aufsichtsratsposten mit Frauen, beim Autohersteller BMW sind es sechs von 20. Beide bekommen also die geforderte Anzahl an Frauen hin. 2011 war bei der Allianz nur eine Frau auf einem Kontrollposten, bei BMW waren drei weibliche Räte beschäftigt. Auch Siemens hatte vor zwei Jahren noch fünf Frauen an der Spitze bei insgesamt 20 Posten - nun sind es sechs und damit ist die gesetzliche Hürde ebenfalls geschafft. Spitze unter den Münchner Großkonzernen ist der Rückversicherer Munich Re: Er weist einen Frauenanteil von 40 Prozent vor und besetzt acht von 20 der Aufsichtsratsposten mit Frauen. Im Vergleich zu 2011, als noch drei von 19 Aufsichtsräten weiblich waren, hat sich der Frauenanteil mehr als verdoppelt.
Aber nicht alle Münchner Dax-Unternehmen schaffen die 30 Prozent - der Technologiekonzern Linde kann momentan nur zwei von zwölf Posten mit Frauen besetzen. Man hat aber auch dort Fortschritte erzielt: Vor gut vier Jahren saß dort noch keine einzige Frau. Null Frauen sind es auch beim Autovermieter Sixt und beim Softwareunternehmen Wirecard. Bei den mittelgroßen Firmen tut sich der Netzbetreiber Kabel Deutschland mit Sitz in Unterföhring hervor: 42 Prozent, fünf von zwölf Posten sind mit Frauen besetzt. Der Chemiekonzern Wacker kommt auf zwei Frauen von insgesamt 16 Räten und damit auf einen Frauenanteil von 13 Prozent. Beim Namensvetter und Betontechnikentwickler Wacker Neuson hingegen sieht es düster aus: Das Unternehmen hat weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand eine Frau sitzen - das war auch schon vor vier Jahren so.
Die bayerischen Aufsichtsräte sind also weiblicher geworden - und haben in den vergangenen Jahren einen Sprung von gut acht auf knapp 20 Prozent Frauenanteil geschafft. Was jedoch das operative Geschäft angeht, also die Besetzung der Vorstände mit Frauen, sind die Zahlen immer noch niedrig: 35 der insgesamt 647 Vorstände in deutschen Unternehmen sind Frauen, gerade mal 5,41 Prozent. Hier liegt Bayern mit aktuell sechs Prozent weiblicher Vorstände etwas über dem bundesdeutschen Durchschnitt.