Süddeutsche Zeitung

Gesetzentwurf:Die Einschulung soll flexibler werden

Lesezeit: 2 min

Von Jakob Wetzel

Eltern sollen es leichter haben, wenn sie ein Kind erst später einschulen möchten, das sieht ein Gesetzentwurf des bayerischen Kultusministeriums vor. Bisher sind Kinder grundsätzlich schulpflichtig, wenn sie spätestens am 30. September nach Schulbeginn sechs Jahre alt sind. Künftig dagegen soll es für die jüngsten unter ihnen einen sogenannten Korridor geben: Hat ein Kind von Juli bis September Geburtstag, entscheiden die Eltern nach Rücksprache mit der Schule, ob sie es nicht noch ein Jahr zurückstellen wollen. Der Plan ist umstritten; der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband etwa klagt über die Eile, mit der die Reform kommen soll. Dabei wird der Stichtag 30. September schon jetzt nicht starr gehandhabt.

Wie flexibel der Einschulungstermin tatsächlich schon ist, geht aus einem Beitrag von Sylvia Kizlauskas vom Statistischen Amt der Stadt hervor, der vor wenigen Tagen in der Quartalsschrift Münchner Statistik publiziert worden ist. Demnach fiel nach der bisherigen Praxis zuletzt knapp jede sechste Einschulung in München aus der Reihe.

So besuchten im Schuljahr 2016/17 - jüngere Daten lagen noch nicht vor - 1739 Kinder die erste Klasse einer Grundschule, die bei strikter Auslegung des Stichtags bereits in die zweite Klasse oder noch in den Kindergarten hätten gehen müssen; bei insgesamt 11 570 Erstklässlern entspricht das einer Quote von 15,03 Prozent. 328 Kinder von diesen wurden vorzeitig eingeschult, wurden also erst nach dem 30. September sechs Jahre alt, gingen aber dennoch schon zur Schule. 1411 Kinder waren dagegen im Vorjahr zurückgestellt worden, wären also bereits in der zweiten Klasse gewesen, wenn es strikt nach dem Stichtag gegangen wäre.

Der Anteil der vorzeitig eingeschulten Kinder ist dabei leicht rückläufig: Im Schuljahr 2011/12 waren es etwas mehr als vier Prozent gewesen, jetzt sind es knapp unter drei Prozent. Die Quote der im jeweiligen Vorjahr vom Schulbesuch zurückgestellten Kinder ist dagegen im Fünf-Jahres-Vergleich gestiegen, von etwa neun Prozent im Jahr 2011/12 auf jetzt 12,2 Prozent.

Warum die Kinder zurückgestellt wurden, geht aus den Zahlen nicht hervor. Auffällig ist aber, dass ausländische Kinder mehr als doppelt so oft später eingeschult wurden wie Kinder mit deutschem Pass; die Quote liegt bei ausländischen Kindern in München bei knapp 22 Prozent, bei deutschen Kindern nur bei zehn Prozent. Das legt die Vermutung nahe, dass einige der zurückgestellten Kinder erst kurze Zeit in Deutschland waren und noch nicht ausreichend Deutsch konnten, als sie eigentlich bereits schulpflichtig waren. arüber hinaus wurden überdurchschnittlich viele Buben vom Schulbesuch zurückgestellt. Bei einem eigentlich nahezu ausgeglichenen Geschlechterverhältnis in der ersten Jahrgangsstufe beträgt der Anteil der Buben unter den zurückgestellten Kindern knapp 60 Prozent. Kinder, die im Vorjahr zurückgestellt wurden, gehen außerdem relativ selten an Privatschulen und überproportional oft an staatliche Schulen.

Zuguterletzt spielt offensichtlich das genaue Alter der Kinder eine erhebliche Rolle. Im Schuljahr 2016/17 hatten fast zwei Drittel der im Vorjahr zurückgestellten Kinder in den Monaten Juli, August und September Geburtstag, waren also erst kurz vor dem Stichtag sechs Jahre alt geworden: 202 der in München zurückgestellten Kinder waren im Juli sechs Jahre alt geworden, 303 im August und 417 im September. Sie alle wären also genau in jenen Einschulungskorridor gefallen, den das Kultusministerium nun vorsieht. Umgekehrt ist das Bild ähnlich: Mehr als die Hälfte der vorzeitig eingeschulten Kinder war bei der Einschulung bereits fünf Jahre und elf Monate alt, hatte also den Stichtag lediglich knapp verpasst - und durfte dennoch schon in die Schule gehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4308255
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.