Geschichten vom SZ-Adventskalender:Ein bisschen Zufriedenheit

Geschichten vom SZ-Adventskalender: Maria M. mit ihrem neuen Fahrrad. Inzwischen hat sie beim Radeln neue Bekanntschaften geschlossen.

Maria M. mit ihrem neuen Fahrrad. Inzwischen hat sie beim Radeln neue Bekanntschaften geschlossen.

(Foto: Catherina Hess)

Erst die Nervenkrankheit und dann noch Krebs. Keine warme Kleidung und dann eine kaputte Waschmaschine. Vielen Menschen in und um München geht es nicht gerade gut. Mit den Spendern der SZ-Leser konnten sie sich lang gehegte Wünsche erfüllten.

Von Bernd Kastner, Monika Maier-Albang und Anne Goebel

Ihr Schicksal hat die SZ-Leser bei der 64. Spendenaktion des "Adventskalenders für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" sehr bewegt: Kranke Kinder, alte Leute, die in Armut leben, Familien, deren Einkommen nicht zum Leben reicht und pflegende Angehörige. Vier von ihnen berichten stellvertretend für die vielen, denen die SZ-Leser halfen, was diese Zuwendung für sie bedeutet.

Voller Hoffnung

"Eigentlich geht's gut." Es kann sehr relativ sein, wenn eine Mutter so einen Satz sagt. Ja, es geht gut, weil Franka Müller sich so freut, dass ihre Töchter jetzt endlich alle ein Fahrrad haben. Die mittlere, Lisa, 10, ein ganz normales Rad, die jüngste und die älteste, Lilly, 4, und Anna, 12, spezielle Dreiräder. Beide sind stark gehbehindert. Sie leiden an einer unheilbaren Nervenkrankheit, so dass sie ein spezielles Gefährt brauchen, um mobil zu sein. Zerebralparese sagen die Ärzte, wenn das Gehirn die Muskeln nicht mehr richtig steuert.

"Das Geld hat uns sehr geholfen", sagt die alleinerziehende Mutter über die Spende des SZ-Adventskalenders. Und ja, es geht ihnen auch gut, weil sie wieder eine funktionierende Waschmaschine haben, eine Spülmaschine, und weil sie dieses Jahr nach langer Zeit wieder in die weit entfernte Heimat fliegen konnten, zu Oma und Opa und zur Tante. Sie haben ein billiges Ticket ergattert. Es waren glückliche Tage für die ganze Familie.

Diagnose: Krebs

Es ist wunderbar zu erleben, wie Lisa, die Mittlere, sich um ihre behinderten Schwestern kümmert, wie sie Verantwortung übernimmt und dieses Jahr ganz nebenbei den Sprung aufs Gymnasium geschafft hat. Beeindruckend auch die Mutter, die nicht verzagt, obwohl der Alltag sehr viel Kraft kostet. Auch, weil die jüngste Tochter ihren Kindergarten verlassen musste, denn der ist nicht barrierefrei, und Lilly braucht unbedingt ihren Rollator.

"Eigentlich geht's gut": Ja, verglichen mit der Zeit vor ein paar Monaten. Da hatten die Ärzte bei Anna, der Ältesten, auch noch Krebs diagnostiziert, die Lymphknoten waren befallen. Es begann eine Chemotherapie, sie hatte üble Nebenwirkungen. Anna musste zweimal die Woche ins Krankenhaus, ihr Immunsystem ist jetzt stark geschwächt, aus ihrer Brust hängt weiterhin ein Schlauch, durch ihn laufen die Medikamente in den Körper. Immerhin, berichtet die Mutter, die Therapie scheint zu wirken, sie haben große Hoffnung. Ein paar Tage vor Weihnachten haben sie wieder einen Termin in der Klinik. Da werden sie erfahren, wie es weitergeht mit Anna (alle Namen der Familie geändert)

Endlich warme Stiefel

Drei Tage vor Weihnachten kommt ein handgeschriebener Brief in der Redaktion an. 18 Mal kommt das Wort "Danke" darin vor, immer wieder, an einer Stelle sind zwei Zeilen von vorn bis hinten damit vollgeschrieben. Es ist ein Dank an alle, "die spenden an Adventskalender". Sie hat ihren Kindern, schreibt Sybille Martin, endlich warme Winterkleidung gekauft - und sich selbst ein Paar Stiefel. Denn das hatte sie der Journalistin versprechen müssen: dass sie von der Unterstützung der SZ-Leser auch für sich selbst etwas Sinnvolles anschaffen würde. Warme Stiefel, die die leichten und heruntergelaufenen Halbschuhe ersetzen, könnten kaum sinnvoller sein.

Das erste Mal gebrannte Mandeln

Ein Jahr später hat sich die Situation der Familie Martin leider nicht verbessert. Fünf Kinder hat die 50-Jährige, die ältesten sind schon aus dem Haus. Sie selbst ist gesundheitlich schwer angeschlagen und geht trotzdem regelmäßig in einem Autohaus putzen. Doch das wenige Geld, das Sybille Martin verdient, reicht hinten und vorne nicht. Immerhin: Der 17-jährige Sohn hat eine Ausbildungsstelle gefunden. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch die finanzielle Situation hat dies nicht verbessert. Der Azubilohn wird auf die Unterstützung der Familie angerechnet. "Das verstehe ich nicht", sagt Sybille Martin, "wenn man arbeitet, soll man doch belohnt werden." Und so fehlt es im Haushalt noch immer am Nötigsten: an Kleidung und Schuhen für Mutter und Kinder, die Waschmaschine ging kürzlich kaputt, "und auch Lebensmittel sind so teuer geworden", sagt die Mutter.

Umso lieber erinnert sich Sybille Martin an Weihnachten vor einem Jahr: "Ich bin mit den Kindern zum ersten Mal auf den Christkindlmarkt gegangen und habe ihnen gebrannte Mandeln gekauft." Es war, sagt sie, "das schönste Weihnachten überhaupt". cwa

Mobil mit einem neuen Fahrrad

"Es geht mir gut", sagt Maria M. gleich zur Begrüßung, und wenn man ihr länger zuhört, kann man gar nicht glauben, dass das dieselbe Frau ist, die man im vergangenen Jahr besucht hat. Beladen von Krankheiten und Schlafmangel war sie damals. Die Diabetes, die Schlafapnoe, das Restless-Legs-Syndrom hat sie zwar nach wie vor. Aber es gibt Linderung.

Dank einer findigen Physiotherapeutin, die ihr ein Balance Board empfohlen hat, fangen ihre Beine nicht ständig in der Nacht zu zittern an. "Keine Attacken mehr. Ich kann wieder schlafen!", erzählt M.. Und ein Augenarzt hat der 73-Jährigen den Grauen Star operiert - als Geschenk. "Als ich zu ihm kam, lag der SZ-Artikel mit meinem Foto auf seinem Schreibtisch."

Alte Weggefährten meldeten sich

Auch sonst hat die Lebensgeschichte der früheren Wirtin des Kaffee Giesing offenbar viele Menschen erreicht. Alte Weggefährten hätten sich nach der Veröffentlichung bei ihr gemeldet, erzählt M.. "Einen früheren Gast hatte ich vor 32 Jahren zum letzten Mal gesehen."

Manche Kontakte sind geblieben, was für Maria M. besonders wichtig ist, weil sie eigentlich ein geselliger Mensch ist, durch ihre Krankheiten aber zunehmend in Isolation geraten war. Dass sie wieder mehr am Leben teilnehmen kann, das hatte sie sich am meisten gewünscht. Und dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist, dabei spielt ein Fahrrad eine Rolle.

"Mein Leben hat sich völlig verändert."

Schwimmen, Walken, Geräteturnen - all die Sportarten, die sie früher gerne gemacht hatte, kann M. heute nicht mehr ausüben. "Nur Radfahren geht noch", hatte sie gesagt. Wegen eines Hüftleidens musste es allerdings ein speziell ausgestattetes Rad sein, das sie sich ohne die Hilfe des SZ-Adventskalenders nicht hätte leisten können.

Nun hat sich Maria M. so ein Fahrrad gekauft. Drei Monate musste sie warten, bis es geliefert wurde, dann hat sie gewartet, bis der Schnee weg war. "Im Frühjahr habe ich angefangen zu üben. Auf dem Kirchenvorplatz zunächst. Das Rad fährt sich anders. Ich bin erst mal in die Büsche gerauscht", erzählt M. Mittlerweile ist sie im Perlacher Forst unterwegs. Sogar "drei Kumpels" habe sie dort, betagte Herren, die ebenfalls Spezialräder fahren. "Nur ist meines schicker", sagt M. und lacht. "Mein Leben hat sich völlig verändert."

Das Fahrrad wird auf der Terrasse überwintern. Wenn die Straßen nass und rutschig sind, mag M. nicht fahren. Aber im Frühjahr wird sie wieder losziehen. "Darauf freue ich mich jetzt schon."

Kleine Auszeiten

Es war ein schweres Jahr für Elisabeth Sommer (Name geändert), dabei hätte gerade sie Erleichterung nötig gehabt. Neun Jahre lang hat sich die 61-Jährige um ihre Eltern gekümmert, seit sie beide kurz hintereinander zum Pflegefall wurden, nun ist der Vater in diesem Frühjahr gestorben.

"Am Ende kam es doch überraschend", sagt sie, obwohl er ja seit langem krank war, und man hört Elisabeth Sommer an, wie schwer die Wochen damals für sie waren. Sie selbst hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und durfte den Eltern nicht nahekommen wegen der Ansteckungsgefahr. Als dann ein Notarzt den Vater ins Krankenhaus brachte, ging alles so schnell, wenige Tage später war er gestorben.

"Es hat vieles leichter gemacht."

Nur langsam fand sie in den Alltag zurück, umso wichtiger wurden die kleinen Auszeiten, die sich Elisabeth Sommer erlauben konnte dank der Spende des Adventskalenders. "Ich habe manchmal sogar einen kleinen Stadtbummel gemacht und einen Kaffee getrunken. Einmal habe ich mir eine neue Hose geleistet." Das habe ihr geholfen, die Zeit der Trauer zu meistern. "Es hat vieles leichter gemacht."

Und als kleine Krönung zum Jahresende steht nun der Ausflug bevor, den sie sich schon lange wünscht. Seit acht Jahren sei sie nicht mehr verreist gewesen, hat Elisabeth Sommer gesagt, als sie vergangenen Dezember dem SZ-Adventskalender ihre Geschichte erzählte über die Pflege der Eltern, die sie auszehrt, körperlich, seelisch, finanziell. Mit dem Geld der Zuwendung fährt sie nun gemeinsam mit ihrer Schwester nach Salzburg. Ein Adventswochenende mit Alpenkulisse, Weihnächstmärkten, vielleicht sogar Schnee - darauf freut sich Elisabeth Sommer. Es ist ein besonderer Ort für sie. "Den letzten Ausflug mit den Eltern, als sie noch beide gesund waren, haben wir nach Salzburg gemacht."

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