Geschäftsidee:Zwei Paar Schuh

"Get one, give one": Das junge Unternehmen Shoemates hilft Afghanistan. Für jeden verkauften Schuh wird einer gespendet

Von Susanne Brandl

Ob Springerstiefel, Pumps oder Luftpolstersandale: Mehr als jedes andere Kleidungsstück verraten Schuhe, woher man kommt, wohin man geht oder wohin man gehört. Jedenfalls hierzulande. In Afghanistan sieht die Lage anders aus. Da stapft das einfache Volk meist barfuß über unebene Straßen. Dreck und Geröll stauben Wege ein. Kinder müssen kilometerlang über steinige Pfade in die Schule laufen. Dort, wo der Schuh mehr als anderswo seinen eigentlichen Zweck erfüllen würde, da fehlt er oft. Schnittverletzungen, Infektionen und Krankheiten sind die Folge.

Doch in einem kleinen Dorf, 50 Kilometer westlich von der Provinz Herat, hüpfen immer mehr Kinder in handfestem Schuhwerk herum. Schuhwerk, das Obaid Rahimi bei einer afghanischen Manufaktur in Auftrag gegeben hat. Aber Obaid lebt schon lange nicht mehr in Afghanistan. Inzwischen ist er Münchner und verkauft mit den Studentinnen Theresa Satzke, 20, und Carolin Toni, 22, schnittige Espadrilles. "Shoemates" nennen sich die drei. Und ihre Kunden sind in der Regel gut bis sehr gut gebildet. Es sind bevorzugt Frauen zwischen 18 und 38, die sich bewusst gegen die Treter beim Primark um die Ecke entscheiden und auf shoemates.de die leichten Sommerschlupfschuhe für 48 Euro kaufen. Und da kommt Afghanistan wieder ins Spiel. Denn die Kunden wissen: 15 Prozent des Verkaufspreises gehen direkt nach Afghanistan, damit dort Kinder Schuhe bekommen. "Get one, give one" lautet die Devise - und so bestellt Obaid mit jedem verkauften Espadrilles-Paar regelmäßig ein zweites Paar Schuh in Herat.

Geschäftsidee: Espadrilles für Afghanistan.

Espadrilles für Afghanistan.

(Foto: Shoemates)

Der 28-Jährige ist Geschäftsführer des bayerischen Start-ups, das in einem BWL-Seminar an der Uni Passau entstand, als Obaid und seine Kommilitonen für den Wettbewerb "5-Euro-Business" eine Geschäftsidee entwickeln wollten. Es ging den Studenten darum, neben Profitabilität nachhaltig und sozial zu wirtschaften, also einen Teil des Gewinns an benachteiligte Menschen weiterzugeben. Seit einiger Zeit schon führen sie das Projekt "Headmates": Sie verkaufen Mützen, die strickbegeisterte Omis aus Alpaka-Wolle fertigen. Davon wiederum profitieren im peruanischen Hochland lebende Hirtenvölker, die zu den ärmsten Menschen der Erde gehören.

Bei ihrem zweiten Projekt entschieden sich die Studenten nun für Schuhe, denn "die spendet man in der Regel nicht", sagt Obaid, der beim Thema Schuh auch gleich an seine Heimat Afghanistan denken muss. "Im Winter kann es minus 30 Grad kalt werden, da sind Schuhe viel wert." Die Schuhe für die Schulkinder sollen afghanische Arbeitskräfte vor Ort herstellen, idealerweise entstehen dadurch Arbeitsplätze.

Innerhalb weniger Wochen finden Obaid und sein Team einen Espadrilles-Produzenten. Die deutsche Außenhandelskammer empfiehlt ihnen einen vom TÜV geprüften chinesischen Schuhhersteller, dessen hohe Qualitätsstandards bei Produktion, Effizienz und Nachhaltigkeit doppelt zertifiziert sind. Und Obaids Onkel Abdul Qader Rahimi, der bei der "Afghanistan Independent Human Rights Commission" arbeitet, vermittelt den Kontakt zu einer afghanischen Schuhfabrik. Schließlich knobeln Obaid und sein Team noch am Schuh herum, bis er für die Deutschen "unisex", "evergreen" und hip genug ist. Der Schuh für die Afghanen präsentiert sich vor allem funktional, stabil und schlicht. "Wir haben dann beim Wettbewerb den ersten Platz gemacht", erzählt Obaid.

Geschäftsidee: Mit jedem verkauften Espadrilles-Paar verschenken Carolin Toni, Obaid Rahimi und Theresa Satzke (von links) ein zweites Paar in Afghanistan.

Mit jedem verkauften Espadrilles-Paar verschenken Carolin Toni, Obaid Rahimi und Theresa Satzke (von links) ein zweites Paar in Afghanistan.

(Foto: Shoemates)

Der Jungunternehmer ist selbstbewusst, mit einer gewissen Coolness erwähnt er, dass "Beck am Rathauseck" jetzt Headmates "haben will", und dass die Espadrilles demnächst "in der Hohenzollern-straße geführt werden". Mit einem Lächeln erinnert er sich, wie er als Sechsjähriger aus Afghanistan mit seinen Eltern nach Deutschland kam, weil sein Vater politisch verfolgt wurde. "Ich hatte Privilegien, ich habe in Deutschland gelebt und gelernt. Ich kenne die Kultur der Afghanen, ihre Sprache. Ich muss etwas zurückzugeben." sagt Obaid.

Die Taliban fürchtet er nicht. "Es ist ganz einfach. Die Schuhmanufaktur liegt im Westen Afghanistans. Die Taliban sprechen die Sprache da nicht. Die fliegen sofort auf", sagt er und ergänzt: "Ich glaube, dass sich nur etwas verändern wird, wenn die Menschen dort das selbst herbeiführen. Und wir können sie darin unterstützen". Er betont dabei, dass "Shoemates" weg will "von der Entwicklungshilfe zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit". Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bewertet es positiv, dass die Schuhe vor Ort produziert werden. "Neuinvestitionen schaffen Arbeitsplätze und Einkommen für die Beschäftigten, durch die Abführung von Steuern auch Staatseinkommen und können so signifikant zur Entwicklung beitragen", betont Veronika Ulbert, eine Sprecherin des BMZ.

1000 afghanische Kinder haben bereits Schuhe bekommen. Doch das ist dem Shoemates-Team noch lange nicht genug. Sie suchen Investoren, bald soll es auch Winter-, Damen- und Herrenschuhe geben. Das Unternehmen wächst weiter und dennoch wird es buchstäblich im- mer "in den Kinderschuhen stecken" bleiben.

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