Geschäftsidee mit sozialer Komponente:Kuchen von Oma im Café

Geschäftsidee mit sozialer Komponente: Das Erfolgskonzept von Katharina Mayer (links) und Kathrin Blaschke: Kuchen wie von der Großmutter.

Das Erfolgskonzept von Katharina Mayer (links) und Kathrin Blaschke: Kuchen wie von der Großmutter.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für ihr Projekt "Kuchentratsch" lassen Katharina Mayer und Katrin Blaschke Seniorinnen backen. So entsteht selbstgemachtes Gebäck für Kunden - und die Damen landen nicht in der Isolation. Gute Idee, eigentlich. Doch die Handwerkskammer hat Bedenken.

Von Sabine Buchwald

Sie sind keine Sozialpädagoginnen und einen Hintergrund in Altenpflege haben sie auch nicht. Katharina Mayer und Katrin Blaschke haben Betriebswirtschaft studiert. In Innsbruck, wo sie sich kennenlernten. Sie wären qualifiziert für ein Angestellten-Dasein mit klimatisiertem Büro, hauseigener Kantine, bezahltem Urlaub. Für sie keine Option. "Das entspricht nicht meinem Charakter", sagt Katharina Mayer. "Ich habe viel zu viele Ideen." Eine davon setzt sie gerade mit ihrer ehemaligen Kommilitonin um: Kuchenbacken mit Seniorinnen für private Buffets, für Restaurants und Cafés.

Die beiden Frauen sind 24 und stehen am Anfang ihrer unternehmerischen Selbständigkeit. Sie sind schon ziemlich weit gekommen. Ihre Geschäftsidee klingt so gut, dass sie ohne großen Werbeaufwand bereits etliche potenzielle Kunden überzeugen konnten. Sie staunen selbst. Mit einer Bank, einer großen Stiftung, einer Kaffeekette und verschiedenen Cafés verhandeln sie bereits, ein Bio-Biergarten hätte ihre Kuchen gerne verkauft, allein: Dort wollte man nicht mehr länger warten, bis sie umfangreich liefern können. Denn noch dürfen Mayer und Blaschke nicht richtig loslegen. Was fehlt, ist die Zulassung der Handwerkskammer: Wie ausgebildete Bäcker müssen sie in der Handwerksrolle eingetragen sein - und das ist problematischer, als die beiden sich das vorgestellt hatten.

Geschäftsidee mit sozialer Komponente: In der Kuchenbäckerei: eine Seniorin bei der Zubereitung einer süßen Leckerei.

In der Kuchenbäckerei: eine Seniorin bei der Zubereitung einer süßen Leckerei.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Idee ist prämiert

Die Probephase aber läuft. Private Kunden haben Mayer und Blaschke schon mit Süßem versorgt, etwa Kuchen für Familienfeiern geliefert. Dass die beiden Frauen eine gute Geschäftsidee entwickelt haben, erfahren sie von vielen Seiten. Beim Ideenwettbewerb YooWeeDoo gewannen sie 2000 Euro Startkapital, Mitte Mai waren sie bei der Messe "Fair Cycle" in der Münchner Reithalle eingeladen und durften Kuchen und Konzept präsentieren, kurz darauf in Zürich bei Seif Awards, wo 10 000 Franken Preisgeld an den Sieger gehen (die Entscheidung steht noch aus).

Ihr Konzept überzeugt: "Viele Leute haben keine Zeit, selbst zu backen, oder sie können es nicht besonders gut", sagt Katrin Blaschke. Sie stammt aus dem Allgäu, da sei auf Festen die Konkurrenz am Kuchenbuffet groß. In der Großstadt, so hat sie festgestellt, definiere man sich viel weniger über Produkte aus der eigenen Küche. Dennoch stehe Selbstgemachtes auch hier hoch im Kurs: auf Schulfesten und Partys, auf Taufen und Kommunionfeiern. Dann kommen die Seniorinnen zum Einsatz, wenn man eben nicht selbst backen kann oder mag. Allerdings: Mindestbestellwert sind fünf Kuchen.

Der Aspekt der Kunden ist nur ein Gedanke von Mayers und Blaschkes Projekt, das sie "Kuchentratsch" nennen. Es hat eine starke soziale Komponente: Es geht ihnen um die sinnvolle Einbindung von älteren Menschen in die Gesellschaft: In Gemeinschaft etwas tun und Wissen weitergeben, neue Leute kennen lernen und Spaß haben, gebraucht werden - und gelobt. Die Kuchen seien ein Mittel zum Zweck, sagt Katharina Mayer. Das klingt nüchterner, als sie es wohl meint. Denn tatsächlich denkt sie an die Menschen.

Die Rezepte sind lebenslang erprobt

Die alten Damen backen nach ihren eigenen lebenslang erprobten Rezepten, die vielleicht in keinem Backbuch stehen. Kundenwünsche werden vage erfüllt. Der Kunde kann sagen, ob er Obstkuchen haben möchte - mit oder ohne Quark -, Rühr- oder Schokoladenkuchen. Ob und wie dann aber Rhabarber-Stangen, Pfirsiche oder Äpfel verbacken werden, bestimmen die Jahreszeit und die Bäckerin. Vor dem Backtag geben sie an Mayer und Blaschke weiter, welche Zutaten sie brauchen. Mehl von einer nahen Mühle, Eier von zufriedenen Hennen, Obst aus der Region - darauf achten die Chefinnen. So wenig wie die Seniorinnen vorneweg einkaufen, müssen sie hinterher die Küche putzen. Auch das übernehmen andere für sie. Nicht überraschend: Mayer und Blaschke haben bislang nur Frauen auf ihrer Mitarbeiterliste. Die dürfe gern noch länger werden, sagen sie, backende Männer inklusive.

Geschäftsidee mit sozialer Komponente: Eine Auswahl an selbstgebackenen Kuchen für private Buffets, Restaurants und Cafés.

Eine Auswahl an selbstgebackenen Kuchen für private Buffets, Restaurants und Cafés.

(Foto: Stephan Rumpf)

Damit sich ein "Gefühl wie daheim" einstellt, wollen die Kuchentratsch-Macherinnen nicht in einer Hightech-Küche arbeiten lassen. Küchen für gewerbliche Zwecke aber müssen Hygienestandards erfüllen, zum Beispiel hoch geflieste Wände haben. Für ihre Probeläufe nutzt das Backteam derzeit immer montags die Küche einer ehemaligen Kantine, die solche Voraussetzungen erfüllt. "Wunschort wäre die Backstube einer alten Bäckerei", sagt Mayer, eine Münchnerin mit Lust am Reisen.

Hohe Hürden

Im März vor einem Jahr war sie mit dem Rucksack in Brasilien unterwegs. Für wenig Geld kaufte sie Teilchen von Straßenhändlern. Gebäck, das von den Familienmitgliedern zu Hause hergestellt wurde. Mayer, schlank und hochgewachsen, genoss das süße Angebot. Vor ihrem Studium lernte sie Hotelfachfrau, die Gastronomie ist ihr also nicht fremd, und so reifte in ihrem Kopf die Idee für "Kuchentratsch".

Brasilien aber ist nicht Deutschland. Zur Qualitätssicherung verlangte die Handwerkskammer einen Bäckermeister an der Seite der Frauen oder eine eigene handwerkliche Ausbildung. Eine Bedingung, die sie nicht erfüllen können und die das Projekt Kuchentratsch kurzzeitig ins Wanken brachte. Eine Ausnahmegenehmigung schafft nun Abhilfe. Über einen Internet-Blog entdeckten Mayer und Blaschke ein Schlupfloch, durch das sie wohl schon bald an ihr Ziel gelangen: Blaschke büffelt derzeit für eine Prüfung, in der sie sich über Hygienevorschriften, Backmethoden, Teigarten und ähnliches bei der Handwerkskammer abfragen lassen wird, um dann die Betriebsleitung fürs Kuchen- und Tortenbacken übernehmen zu können. Warum nur sie? Weil diese Prüfung gut 700 Euro kostet. Eine gewaltige Summe für die Jungunternehmerinnen, die als BWL-Absolventinnen durchaus effizient rechnen können.

Ans Aufgeben aber haben sie nicht eine Sekunde gedacht. "Wir wollen etwas bewirken", haben sie auf ihren Flyer geschrieben. Und: "Ich lerne mit diesem Projekt in kurzer Zeit so viel mehr, als ich in einer etablierten Firma hätte lernen können", sagt Katrin Blaschke.

Geschäftsidee mit sozialer Komponente: Auf die Zutaten kommt es an, vor allem aber auf die Rezepte im Kopf der Seniorinnen.

Auf die Zutaten kommt es an, vor allem aber auf die Rezepte im Kopf der Seniorinnen.

(Foto: Stephan Rumpf)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: