Gericht:Logistiker, Keiler, Abholer

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Im Prozess um falsche Polizisten erläutern die Angeklagten die Betrugsmasche - und erzählen, dass die Hintermänner in der Türkei sitzen

Von Tom Soyer

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen eine Bande von Trickbetrügern, die sich als Polizisten ausgaben und Senioren um Schmuck und Bargeld in erheblichen Summen gebracht haben, wird immer klarer, dass die sieben angeklagten Männer zwar fürs operative Geschäft zuständig waren, die Hintermänner aber in der Türkei sitzen. Einer der Angeklagten erklärte der 7. Strafkammer am Landgericht München I unumwunden, dass er einige davon persönlich kenne, und dass das im Prinzip alles "Männer seien, die hier mehrfach kriminell auffielen und deshalb in die Türkei abgeschoben wurden". Daher rührt dann wohl auch, dass sie sich recht erfolgreich als deutsche Kommissare am Telefon ausgeben.

Denn die Betrugsmasche der "falschen Polizisten" funktioniere immer gleich: Mal werde bei meist betagteren Menschen als "Herr Wagner von der Ettstraße", mal als "Staatsanwalt Jürgen Bach" angerufen, zunächst als Warnanruf vor Einbrechern, die in der Nähe operierten. Allmählich werde durch weitere Anrufe diese Legende gestützt, bis schließlich - teils nachts um 2 Uhr - die Opfer dann ganz plötzlich von den in der Türkei agierenden Hintermännern angewiesen werden, "sicherheitshalber" allen Schmuck und alles Bargeld an Abholer zu übergeben.

Die angeklagten Fälle aus dem Sommer 2017 haben so funktioniert, mal wurden 100 000 Euro im Stoffbeutel übergeben, mal waren es 500 000 Euro in Goldmünzen, mal auf der Mülltonne deponiert, mal vom Balkon geworfen. Stets waren dann Zweier-Teams aus den Reihen der Angeklagten zur Stelle, die "Abholer". Die hatte ein in Deutschland agierender "Logistiker" ins Zielgebiet dirigiert und mit der Fahrt beauftragt, immer in Absprache mit den türkischen Hintermännern, die die Angeklagten selbst als "Keiler" bezeichnen. Also als diejenigen, welche durch die betrügerischen Anrufe mit Übermittlung falscher Telefonnummern und unter Verschleierung der echten Rufnummern (sogenanntes Spoofing) die Opfer zur freiwilligen Herausgabe von Wertsachen bringen.

Sercan E. gibt zu, in diesem Gefüge als Logistiker mitgewirkt zu haben. Er habe Geld für Benzin und Hotel "besorgt" und Abholer losgeschickt, in Absprache mit den Hintermännern. Die will er aber nicht persönlich kennen - später sagt sein Mitangeklagter Özkan B. aus, dass auch Sercan E.s Bruder einer jener Hintermänner gewesen sei.

Übereinstimmung gibt es hingegen bei E. sowie bei B., was das Wissen um die Betrugsmasche angeht. Ihnen sei von den Hintermännern erzählt worden, Ziel seien nur Menschen, die unrechtmäßig zu Geld gekommen seien, "böse Leute", Steuerbetrüger etwa. Sie sollten sich deshalb "keinen Kopf machen".

Sercan E. habe das geglaubt, "deshalb habe ich das Risiko nicht so hoch eingeschätzt", sagt er vor Gericht. Er sagt aber auch: "Alle wussten, dass das eine höhere Strafe wird." Wie hoch, wird Vorsitzender Richter Max Boxleitner am Ende festzusetzen haben. Özkan B., der sich nach eigenen Worten anfangs nur wegen seiner Schulden bei türkischen Bekannten auf diese kriminelle Zusammenarbeit einließ, also unter Druck und auch eingeschüchtert durch schmerzhafte Begegnungen mit Schlägertrupps, ließ zwischendrin schon mal durchblicken, dass er "mit achteinhalb Jahren" rechnet. Richter Boxleitner nimmt es interessiert zur Kenntnis, verzichtet aber auf etwaige Urteils- und Haft-Prognosen, zumal noch mehrere Verhandlungstage in dem Prozess anstehen.

Das Polizeipräsidium Oberbayern Nord hat indes gerade wieder vor betrügerischen Polizisten gewarnt. Mindestens 50 solcher Anrufe habe es in den vergangenen Tagen gegeben. Wer einen solchen Anruf bekomme, solle die Polizei informieren. Und zwar die echte.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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