Gericht:Im Waffenhändler-Prozess sollen verdeckte Ermittler geschützt werden

Waffenhändler vor Gericht

Mehr als ein Jahr hatte Attentäter David S. versucht, im Internet eine Waffe vom Typ Glock 17 zu kaufen. Beim Angeklagten wurde er fündig.

(Foto: Sven Hoppe/Dpa)
  • Möglicherweise hatte der Attentäter vom Olympia-Einkaufszentrum weitere Mitwisser.
  • Eine Frau wird von ihrer ehemaligen Schwägerin vor Gericht belastet.
  • Offenbar wollen die Sicherheitsbehörden verdeckte Ermittler und Informanten schützen.

Von Martin Bernstein

Möglicherweise wird der Prozess gegen den Waffenhändler des Münchner Attentäters vom Olympia-Einkaufszentrum nicht alle Hintergründe der Tat aufhellen können. Die Sicherheitsbehörden wollen verdeckte Ermittler, V-Leute und Informanten schützen, die sie in die Waffenszene im Darknet eingeschleust hatten. So darf eine Kölner Staatsanwältin auf Weisung ihrer Behörde nichts aus einem Ermittlungsverfahren gegen eine Frau berichten, die in München bereits als Zeugin aufgetreten war. Andernfalls drohe eine "ernstliche Gefährdung" der zum Teil verdeckten Ermittlungen.

Die Zeugin hatte sich - um sich nicht selbst zu belasten - in Schweigen gehüllt und einen bizarren Kurzauftritt vor dem Münchner Landgericht gehabt. Später wurde die Frau von einer weiteren Zeugin, ihrer ehemaligen Schwägerin, schwer belastet. Die Bundeswehrärztin berichtete im September, ihre Schwägerin habe sich am Abend des 22. Juli 2016, kurz nach den neun Münchner Morden, damit gebrüstet, von der geplanten Tat bereits im Vorfeld gewusst und den Täter David S. und seinen Waffenlieferanten Philipp K. sogar angeleitet zu haben.

Ähnliches berichteten die ehemaligen Schwiegereltern - vor Gericht und zuletzt am Dienstag im ARD-Politmagazin Panorama Mainz. "Er hat es also tatsächlich durchgezogen", soll die Frau am Tatabend gesagt haben. Und dass "Rico" (der Darknet-Name des Waffenhändlers) ihr erzählt habe, dass am fünften Jahrestag des Breivik-Attentats in München "Musels" sterben sollten.

Der ehemalige Ehemann der Zeugin, hat bereits im August Strafanzeige gegen seine Ex-Frau gestellt. Vor Gericht auszusagen lehnte er ab. Er forderte Schutzgarantien, sagte, er fühle sich bedroht. Nachdem er in der Fernsehsendung aber offen über die vermeintliche Rolle seiner früheren Frau gesprochen hatte, forderte am Freitag Onur Özata, einer der Opferanwälte, den Mann erneut in den Zeugenstand zu laden. Einen entsprechenden Beweisantrag will Özata bis zum nächsten Verhandlungstag, am Mittwoch, 13. Dezember, stellen.

Nebenklageanwalt Yavuz Narin kritisierte in der Verhandlung zum wiederholten Mal die Staatsanwaltschaft. Trotz der Strafanzeige gegen die Frau seien bislang keine Ermittlungshandlungen erfolgt. Narin hat bereits mehrfach die Frage aufgeworfen, ob möglicherweise verdeckte Ermittler geschützt werden sollten. Zollfahnder hatten unter einem von ihnen übernommenen Darknet-Account schon im Sommer 2015 Kontakt zu "maurächer", wie sich der spätere Münchner Attentäter nannte. Derselbe verdeckte Ermittler hieß auch den Waffenhändler "Rico" im Forum "herzlich willkommen" - "so lange du nicht in meinen Gefilden wilderst". Mehr als ein Jahr lang hatte S. versucht, eine Waffe vom Typ Glock 17 zu kaufen. Immer drängender wurden seine Suchanfragen, auch das geht aus den Chatprotokollen hervor, die am Freitag verlesen wurden.

Deutlich wurde dabei erneut, dass Waffenhändler und Kunde den Hass auf Migranten teilten, etwa wenn K. über "Moslemratten" her zog. Sein "Lebenstraum", bedauerte der Waffenhändler im Darknet, werde wohl nicht in Erfüllung gehen - ein "dritter Weltkrieg". Offen wurde in den Foren über einen "kleinen Terroranschlag" mit hundert Toten diskutiert, über eine "schnelle Schussfolge" und darüber, wie man mit einer automatischen Waffe möglichst viele Menschen tötet: "Man schmeißt sie geladen in die Menge und lässt sie sich selbst drehen."

Der Prozess gegen den Waffenhändler ist mittlerweile zum dritten Mal umgezogen. Begonnen hatte er im August im Hochsicherheitssaal des Landgerichts, in dem sonst der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten stattfindet. Nachdem ein zweiter Saal des Landgerichts sich angesichts der großen Zahl von Nebenklägern und deren Anwälten sowie aufgrund des großen Zuschauerinteresses als viel zu klein erwiesen hatte, war die 12. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Frank Zimmer Ende Oktober in den unterirdischen Gerichtssaal unter der Justizvollzugsanstalt Stadelheim umgezogen - um nach nur einem Verhandlungstag wieder in die Innenstadt zurückzukehren. Bis Anfang Januar soll jetzt in einem eigens dafür bestuhlten Saal des Justizpalastes an der Prielmayerstraße verhandelt werden. Danach zieht der Prozess möglicherweise wieder in den NSU-Saal um.

Offen ist, wer bis dahin noch als Zeuge vernommen wird. Über zahlreiche Beweisanträge insbesondere von Opferanwalt Narin hat die Kammer noch nicht entschieden. Viele Angehörige und ihre Vertreter meinen, es müsste gegen K. nicht nur wegen fahrlässiger Tötung verhandelt werden, sondern wegen Beihilfe zum Mord.

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