Süddeutsche Zeitung

Geraubte Kunst:Heiligs Blechle

Die Rückgabe von gestohlenen Kunstwerken an Italien zieht sich zwölf Jahre lang hin. Sichergestellt wurden die sakralen Bildnisse 2010 in Bayern. Bei einem ist die Herkunftsfrage aber immer noch offen.

Von Susanne Hermanski, München

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam? In Sachen geraubter Kunst kann man das laut sagen. Dabei geht es in diesem Fall nicht um erbeutetes Kulturgut aus Zeiten des Nationalsozialismus, sondern um Kunstgegenstände, die in den Siebziger und Neunziger Jahren in Italien schlicht gestohlen worden sind. Deren Rückgabe kann man stolz verkünden - wie es das Bayerische Landekriminalamt (BLKA) vor wenigen Tagen tat. Man kann darüber aber auch einigermaßen ratlos den Kopf schütteln. Denn beschlagnahmt haben Bayerns Kunstraubspezialisten die Objekte bereits im Jahr 2010.

Damals informierten die italienischen Behörden die "Kunstfahndungsdienststelle" der Bayerischen Polizei: Bei einer Versteigerung, die im Herbst 2010 durch ein Auktionshaus in Bayern stattfinden sollte, standen Objekte zum Verkauf, die - so vermuteten die Italiener - aus unabhängig voneinander begangenen Diebstählen stammten. Dabei handelte es sich um einen Satz von vier hohen Friedhofstafeln aus weißem Carrara-Marmor und zwei Kusstafeln. Solche kleinen Reliefs aus Stein, Holz oder Metall wurden seit dem Mittelalter zur Heiligenverehrung vor der heiligen Kommunion den Gläubigen vom Priester zum Kuss dargeboten.

Die Carabinieri glaubten sich sicher: Die Marmorplatten stammten vom Monumentalfriedhof Certosa in Bologna, wo sie am 1. Oktober 1992 verschwunden sind. Die Kusstafel "Kreuzabnahme Christi" war Mitte Oktober 1976 aus dem Museo Ecclesiastico Diocesano in Ascoli Piceno entwendet worden. Die zweite Kusstafel, eine "Grablegung Christi", gehöre in die Capella Palatina des Normannenpalastes in Palermo, wo sie vom 30. auf den 31. Mai 1975 gestohlen worden war.

Mehr als eine Dekade nach der Beschlagnahme ist die Polizei nun schlauer. In zwei Fällen hatte sie recht. An den Marmorplatten fehlte passgenau ein Stück, das bei deren gewaltsamer Entfernung an der Wand in Bologna hängen geblieben war. Ein Foto und ein Materialtest bestätigten, die "Kreuzabnahme Christi" gehört nach Ascoli Piceno. Allerdings, so schreibt das BLKA: "Probleme brachte die zweite sichergestellte Tafel mit sich. Bei der Grablegung Christi musste leider festgestellt werden, dass sie nicht der dem Normannenpalast in Palermo gestohlene Gegenstand war." Weder Material noch Bild stimmten mit dem in Sizilien vermissten Stück überein.

An Italien übergeben wurde diese Kusstafel nun trotzdem mit den anderen Objekten. Dort wird sie laut BLKA wohl wieder dem Eigentümer ausgehändigt. Das mag der Einlieferer sein - oder schon dessen Erbe. Nach all der Zeit jedenfalls, sagt die Polizei, "ist auch ist festzustellen, dass die Diebstähle selbst wohl ohnehin verjährt wären". Im übrigen: Der Wert der Kunst, welche die Beamten zweier Länder derart lang beschäftigt hat, beläuft sich geschätzt auf ganze 18.000 Euro.

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