Geothermie:Warum sich Poing nicht vor Erdbeben fürchten muss

Grünwald, Laufzorn, Geothermie Laufzorn, Foto: Angelika Bardehle

Die Stadtwerke München und viele Umlandgemeinden (hier: Grünwald) wollen mit Geothermie umweltfreundlich Strom und Wärme gewinnen.

(Foto: Angelika Bardehle)
  • Eine Wissenschaftlerin hat das Ausmaß des Bebens in Poing stark relativiert - in München wäre dessen Stärke wohl garnicht messbar gewesen.
  • In München werden immer mehr Geothermiebetriebe gebaut, bis 2040 soll die Fernwärme nur noch aus erneuerbaren Energien kommen.
  • Die Bayernwerk AG hatte Anfang der Woche ihre Geothermieanlage wegen einiger kleinerer Beben geschlossen.

Von Pia Ratzesberger

Es sei nur ein leichtes Beben gewesen, kaum spürbar, doch es reichte, um die Geothermieanlage in Poing erst einmal abzuschalten. Am Samstag vibrierten dort Wände und zitterten Gläser, die Menschen sorgten sich um ihre Häuser. Es gebe also wohl kaum einen passenderen Zeitpunkt für einen Kongress der Geothermie als in diesen Tagen, und so steht am Mittwoch eine Wissenschaftlerin namens Inga Moeck in der BMW-Welt und sagt: "Das Beben in Poing ist vergleichbar mit einem Lastkraftwagen, der über eine unebene Straße fährt".

In München wäre solch ein Beben wohl erst gar nicht messbar, die U-Bahnen und S-Bahnen lassen die Erde ohnehin vibrieren, auch wenn kaum eine andere Stadt so sehr auf die Geothermie setzt, also auf die Wärme der Erde. In Riem und Freiham betreiben die Stadtwerke Anlagen, in Dürrnhaar und Sauerlach, bald auch am Heizkraftwerk Süd. Weit unten, in einer Tiefe von 2000 bis 3000 Metern, ist Wasser 80 bis mehr als 100 Grad heiß, das wird nach oben gepumpt und zum Heizen genutzt, zur Erzeugung von Strom - und abgekühlt später wieder in die Erde geleitet.

Das heiße Wasser ist für die Stadt bedeutend, denn bis zum Jahr 2040 soll die Fernwärme nur noch aus erneuerbaren Energien kommen. Deshalb werden in München immer mehr Geothermiebetriebe gebaut, am Flaucher beginnen gerade Bohrungen - während die Poinger Anlage im Osten der Stadt jetzt erst einmal ruht. Dafür gebe es eigentlich keinen Grund, sagt Inga Moeck vom Leibniz-Institut für angewandte Geophysik in Hannover, sie leitet dort die Abteilung Geothermie. Zu den Beben in Poing hat sie gerade ein Gutachten erstellt, denn auch schon Ende des vergangenen Jahres vibrierte dort der Boden, gleich zweimal. Das staatliche Bergamt Südbayern hatte die Studie in Auftrag gegeben.

Die Stärken lagen immer zwischen 2,1 und 2,4, solche Beben sind gerade noch zu spüren. Eigentlich aber sei diese Magnitude ohnehin nicht das Entscheidende, sagt Moeck, denn von einem Beben mit Stärke vier, aber neun Kilometer unter der Erde, merke man weniger als von einem Beben mit Stärke eins in einem Kilometer Tiefe. Moeck leitet gleich noch eines der vielen Foren auf diesem Kongress, dort wird ein Kollege zum Beispiel einen Vortrag zu "Sedimentologie von geothermischen Sandsteinaquiferen und ihr Potenzial für Feinstmigration" halten - zuerst aber will Moeck nun noch einmal erklären, warum sich die Menschen in Poing nicht sorgen müssten.

Denn wichtiger als das Beben in der Erde sei, wie stark der Boden vibriere. Und weil in Deutschland gewohnheitsgemäß alles festgeschrieben ist, angefangen vom Papierformat DIN A4 bis hin zum Abstand zwischen den Stäben eines Grillrostes, gibt es natürlich auch eine DIN-Norm für die Erschütterung des Bodens: Die heißt 4150, Abschnitt Drei. Demnach sollte ein Boden nicht mit mehr als fünf Millimetern in der Sekunde vibrieren, sonst könnten Häuser Schaden nehmen. Bei besonderen, denkmalgeschützten Bauten, wie zum Beispiel dem Schloss Neuschwanstein, liege der Wert noch einmal niedriger, sagt Moeck, aber immer noch bei drei Millimetern und in Poing habe man nur Werte von etwa 1,6 Millimetern gemessen. "Es besteht also keine Gefahr."

Bald wird die Geologin ihre Studie offiziell vorstellen, sie könne aber jetzt schon sagen, dass keine Beweise gefunden worden seien, dass der Betreiber der Poinger Anlage für die Beben dort verantwortlich sei. Um das zu belegen, hätte die Erde unmittelbar an den Bohrlöchern vibrieren müssen. Tatsächlich aber lagen die Epizentren Hunderte Meter weit weg, unter Poing gebe es zudem natürliche Verschiebungen, die solche Beben auslösen könnten. Andererseits könne man auch nicht das Gegenteil belegen - also dass die Bayernwerk AG und ihre Geothermie-Anlage auf keinen Fall mit den Beben zu tun hätten, dafür seien die Daten zu ungenau. Sie würde empfehlen, die Anlage wieder anzustellen, sagt Moeck - und stets genau zu beobachten, die Messungen öffentlich zu machen, um den Sorgen in der Gemeinde gerecht zu werden.

Die Menschen dort heizen momentan mit der Wärme aus einem Blockheizkraftwerk, die Bayernwerk AG weist nach wie vor alle Vorwürfe von sich - hat die Anlage dann Anfang der Woche aber doch abgeschaltet, um "dem Wunsch der Gemeinde nachzukommen". Bei den Stadtwerken München fürchtet man nicht, dass die Beben in Poing auch in München neue Ängste schüren könnten. Man habe ein ganz anderes Problem, sagt Geschäftsführer Florian Bieberbach: Es könne den Leuten gar nicht schnell genug gehen. Und die leichten Beben wie in Poing, die werde man in München ohnehin nicht messen können. Die Stadt bebt immer.

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