Süddeutsche Zeitung

Geothermie:Warum in Poing die Erde bebt

  • Viermal bebte in Poing im vergangenen Monat leicht die Erde.
  • Das Deutsche Geoforschungszentrum notierte eine Magnitude von 2,1 auf der Richterskala.
  • Forscher vermuten Geothermie als Ursache.

Von Barbara Mooser

Bei einem fiel das Handy vom Nachtschränkchen, ein anderer berichtet von einem dumpfen Geräusch und wackelnden Schranktüren. Viele waren sich am Dienstag vor einer Woche nicht ganz sicher, ob sie geträumt hatten oder nicht: Um 4.30 Uhr hatte die Erde unter ihnen zwar vergleichsweise sachte, aber immerhin doch acht Sekunden lang gezittert.

Das Deutsche Geoforschungszentrum notierte eine Magnitude von 2,1 auf der Richterskala. Das ist ein Beben knapp über der Wahrnehmungsgrenze, das keine Schäden etwa an Gebäuden anrichtet, doch es ist ein Beben, das Fragen aufwirft. Denn es handelt sich um den vierten Erdstoß, der innerhalb eines Monats im Münchner Osten registriert wurde. In einer Gegend, die keinesfalls zu einem der bayerischen Gefahrengebiete zählt. Einzige mögliche Erklärung aus der Sicht der Forscher: die Geothermie.

Es wäre nicht das erste Erdbeben, das durch die Nutzung der Erdwärme ausgelöst wird. Im Februar 2009 wurden mehrere kleine Erdstöße nahe Unterhaching registriert, die Magnitude war ähnlich der in Poing. Deutlich stärker bewegte sich die Erde im Juli 2013 in St. Gallen in der Schweiz, damals gab es mehr als 100 Schäden an Gebäuden. Auch hier wurden Tiefenbohrungen für Geothermie als Ursache ausgemacht. In der Kleinstadt Staufen bei Freiburg geriet nach einer missglückten Geothermiebohrung die Altstadt derart ins Wanken, dass historische Häuser Risse bekamen und teilweise abgerissen werden mussten. Die Schäden: mehrere Millionen Euro.

In Poing waren die Erdstöße nicht annähernd so stark, doch auffällig ist, dass die Epizentren in der Nähe des Ortes liegen, wo das Wasser zurück in die Erde geleitet wird, nachdem ihm die Wärme entzogen wurde. Entstanden sind sie in drei Kilometern Tiefe, eingeleitet wird das Wasser in 2500 Metern Tiefe, auch das passt. Laut Joachim Wassermann, Seismologe beim Erdbebendienst Bayern, ist es durchaus möglich, dass abgekühltes Wasser im Untergrund zu Spannungen führt, die sich in kleinen Erschütterungen entladen. Einen anderen Grund für Erdbeben im tektonisch sonst äußerst stabilen Münchner Umland kann er sich kaum vorstellen - seine Einschätzung teilen österreichische Kollegen, die die Situation ebenfalls beobachten.

Die Bayernwerk AG, seit 2012 Betreiber der Geothermie in Poing, sieht die Sache bei weitem nicht so eindeutig: Derzeit werde zwar jahresbedingt mehr Wasser gefördert und wieder in den Boden zurückgeführt als etwa im Sommer. Im Vergleich zu den Jahren zuvor habe sich aber nichts geändert, erläutert ein Sprecher. Und das Wasser werde auch nicht verpresst, also mit großer Kraft in den Boden gepumpt. Allerdings will auch das Bayernwerk nun der Ursache für die Beben nachspüren und hat für Mitte Januar zu einem Expertentreffen geladen.

Erdbeben sind in Bayern gar nicht so selten

Eingeschaltet hat sich inzwischen freilich auch das Bergamt Südbayern, das für die Genehmigung der Geothermieanlagen zuständig ist. Es hat das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover beauftragt zu prüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen den Mikrobeben und der Erdwärmegewinnung gibt. Erst wenn die Ergebnisse da sind, will die Behörde über mögliche "sinnvolle und belastbare Nachforderungen" an den Betreiber entscheiden.

Erdbeben in einer Stärke wie jetzt in Poing kommen in Bayern übrigens gar nicht so selten vor. Etwa 20 davon werden jährlich gemessen, so Joachim Wassermann, die meisten allerdings in den Alpen. Auch rund um Marktredwitz in Oberfranken bebt die Erde immer wieder mal. Die Geothermie ist in diesem Fall allerdings nicht im Verdacht, hier wissen die Fachleute schon längst, dass der nahe gelegene Egergraben für die seismische Aktivität verantwortlich ist.

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SZ vom 29.12.2016/ebri/eca
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