Können geothermische Tiefenbohrungen die Totenruhe stören? Diese Frage stellt sich derzeit am nordwestlichen Münchner Stadtrand, wo die Stadt auf einer Brachfläche an der Ecke Pasinger Heuweg/Mühlangerstraße eine neue Geothermieanlage plant und zugleich einen Feuerwehrstandort etablieren will.
Eine Bürgerinitiative wehrt sich im Interesse von Friedhofsbesuchern gegen das unmittelbar an den Untermenzinger Parkfriedhof angrenzende Vorhaben. Die städtische Friedhofsverwaltung sieht darin allerdings keinen Konflikt – und auch die beiden von dem Projekt betroffenen Bezirksausschüsse befürworten die Planung.
Denn die vorgesehene Ansiedlung weist nicht zuletzt einen Ausweg aus einem lange im Münchner Nordwesten ungelösten Dilemma, in dessen Kern die umstrittene Bebauung der sogenannten Erdbeerwiese stand. Dort, südlich der Von-Kahr-Straße, sollte zunächst eine neue Schule und möglicherweise ein Neubau für die Feuerwehr entstehen – inmitten einer Frischluftschneise.
Die fünfzügige Realschule samt Dreifachsporthalle wird auch errichtet, sie soll die Platznot am Schulzentrum an der Pfarrer-Grimm-Straße auflösen helfen. Dass man nun aber für die Feuerwehr eine Standortalternative gefunden hat, lässt für die Erholungsnutzung der Erdbeerwiese einen größeren Spielraum. Damit Geothermie und Feuerwehr auf den 32 000 Quadratmetern am Pasinger Heuweg beide unterkommen, müsse die Verwaltung allerdings „schon noch ein bisschen Tetris spielen“, heißt es aus dem Planungsreferat.
Die verantwortlichen Planer der Geothermie-Nutzung jedenfalls sind mit dem Pasinger Heuweg mehr als zufrieden, ist das Grundstück doch „aufgrund seiner Größe und der günstigen geologischen Voraussetzungen im nördlichen Bereich der Stadt München für eine geothermische Nutzung besonders geeignet“. Auf dem Areal vorgesehen seien „insgesamt acht Bohrungen bis in eine Tiefe von 2300 Metern“, erklärt Guido Schüre, bei den Stadtwerken zuständig für die Entwicklung erneuerbarer Energien.
In dieser Tiefe geht man von einer Wassertemperatur von 80 Grad Celsius aus. Das Wasser will der Betreiber hochpumpen, die Wärme per Wärmetauscher ans Münchner Fernwärmenetz für Pasing und die Innenstadt übergeben und abgekühlt wieder zurückleiten. Aus der Bohrung erwartet man eine thermische Leistung von 40 Megawatt, durch Wärmepumpeneinsatz weitere 80 Megawatt – genug, um 70 000 Münchner Haushalte zu versorgen.
Dass dies nicht ohne technischen und finanziellen Aufwand abgehen wird, ist den Verantwortlichen bewusst. Guido Schüre spricht von einem Investitionsvolumen im „mehreren Hundert-Millionen-Bereich“, und auch der geplante zeitliche Ablauf dokumentiert die komplizierte Logistik: Bereits abgeschlossen ist die generelle Eignungsprüfung, bis zum Spätsommer wird das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie erwartet. Im vierten Quartal 2025 steht dann eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit an.
Bis 2028 soll der nötige Bebauungsplan verabschiedet sein, 2029/30 könnten die Bohrungen beginnen. „In Betrieb nehmen würden wir die Anlage dann frühestens 2033“, sagt Schüre. Optimistisch kalkuliert. Aktuell betreiben die Stadtwerke sechs von insgesamt 19 Geothermieanlagen in München und der Region, eine weitere – am Michaelibad – ist im Bau. „Störungen sind uns bei keiner der Anlagen bekannt, die Technik ist gut erforscht“, so Schüre.

Um am neuen Standort am Pasinger Heuweg die Wohnbevölkerung und Friedhofsbesucher von dem Betriebslärm abzuschirmen, ist Schallschutz integraler Bestandteil der Planungen. Dazu zählen neben baulichen Maßnahmen wie Lärmschutzwänden, einem zusätzlichen Unter-Tage-Motor und einer Ummantelung des Bohrturms auch betriebliche Vorgaben wie etwa ein Hupverbot auf dem Gelände.
Die künftig ebenfalls auf dem Gelände beheimatete Feuerwehr jedoch wird ganz ohne Lärm nicht auskommen – zumindest, wenn Blaulichteinsätze anstehen. Projekt-Chef Holger Müller sieht aber keine Alternative zu einem weiteren Einsatzort in diesem Teil der Stadt, als Ersatz für die Feuerwache Pasing an der Bassermannstraße: „Unser Schutzziel ist, innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort zu sein. Und das ist schon sehr ambitioniert, zumal da noch die Disposition und die Ausrückzeit der Fahrzeuge dazugehören.“ Um die Hilfsfrist einhalten zu können, muss die Feuerwache Pasing auf zwei Standorte in Aubing und Untermenzing aufgeteilt werden, das hat der Stadtrat bereits 2013 beschlossen.
Vom Pasinger Heuweg aus sollen künftig demnach sieben Einsatzfahrzeuge ausrücken können, 21 Einsatzkräfte sollen dort rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Dazu kommt ein Katastrophenschutzzentrum mit zehn Stellplätzen für Fahrzeuge, das etwa für Hochwasser und Unwetter zuständig ist. Feuerwehr-Projektleiter Müller glaubt nicht, dass die Nachbarn allzu viel von der Einsatztätigkeit mitbekommen – zumal die Fahrzeuge über die Mühlangerstraße ausfahren sollen. Durchschnittlich rücke die Feuerwehr achtmal am Tag aus, sagt Müller. „Der Rettungsdienst fährt zehnmal mehr.“ Die Feuerwehr-Bauphase ist von 2029 an vorgesehen.
Die Resonanz der Besucher einer eigens für die Bebauung dieses Standorts angesetzten Infomesse jedenfalls fiel großteils positiv aus. Auf einer Feedback-Tafel hinterließen mehrere Gäste als Fazit, das Vorhaben sei „ein unverzichtbares, sehr durchdachtes Projekt“. Aber auch Kritik wurde laut – an einem „falschen Standort“ in unmittelbarer Friedhofsnähe und angesichts eines nur 300 Meter entfernten Wohnumfelds. „Geothermie ja – aber dann sollten die Anwohner aus Untermenzing auch direkt profitieren.“