Süddeutsche Zeitung

Georg Schlagbauer:Drogenaffäre erschüttert Münchner Rathaus-CSU

  • Überraschend ist der Münchner Stadtrat Georg Schlagbauer von allen seinen Ämtern zurückgetreten.
  • Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Drogenmissbrauch.
  • Auch Kontakte ins Rotlichtmilieu soll es gegeben haben. Ein Club-Betreiber spricht von offenen Rechnungen in fünfstelliger Höhe.

Von Heiner Effern, Susi Wimmer und Wolfgang Wittl

Georg Schlagbauer hatte alles für eine steile Karriere in der CSU: Ein gelernter Metzgermeister mit eigenem Familienbetrieb, bestens vernetzt über viele Ehrenämter, amtierender Wiesnstadtrat, den Landtag schon im Visier. Doch die Karriere des 44 Jahre alten Politikers ist vorbei, bevor sie voll in Fahrt gekommen ist: Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt seit Mittwoch gegen Schlagbauer wegen des Verdachts, Drogen gekauft und genommen zu haben. Er selbst hat das Verfahren mit einer Aussage angestoßen. Am Donnerstag tritt der CSU-Stadtrat mit einer schriftlichen Erklärung von allen öffentlichen Ämtern zurück.

Das Rücktrittsschreiben seines Hamburger Anwalts Michael Philippi bezeichnet ein Parteifreund schon kurz danach als "Nebelkerze". Von Drogen ist darin nämlich nicht die Rede, sondern von gesundheitlichen und familiären Gründen. Doch schon der letzte Satz der Erklärung enthält den Hinweis, dass hinter dem Ende der politischen Karriere ganz andere Gründe stecken. "Privates hat zu keinem Zeitpunkt Auswirkungen auf seine Amtsführung gehabt", schreibt Anwalt Philippi.

Es ist von Schuldscheinen in fünfstelliger Höhe die Rede

Zwei Stunden später bestätigt die Staatsanwaltschaft, dass sie wegen Drogendelikten ermittelt. Sie macht keine Angaben dazu, was der Stadtrat genommen haben soll. Aus der CSU ist immer wieder von Kokain zu hören. Und noch einiges mehr. Zum Beispiel von offenen Rechnungen im Rotlicht-Milieu. Der Betreiber eines Clubs gibt im Gespräch mit der SZ an, Schuldscheine in fünfstelliger Höhe von Schlagbauer zu besitzen. Bis Mittag hält sich die CSU dennoch offiziell an die vereinbarte Sprachregelung. "Wir nehmen den Rücktritt zur Kenntnis", sagen Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und Fraktionsvize Michael Kuffer.

Der Münchner Parteichef Ludwig Spaenle betont am Rande einer Plenarsitzung im Landtag, er kenne nur die schriftliche Stellungnahme Schlagbauers, zu einem Gespräch mit ihm sei es noch nicht gekommen. Alles weitere sei jetzt eine persönliche Sache Schlagbauers, da er von allen Ämtern bereits zurückgetreten sei. Ministerpräsident Horst Seehofer reagiert betroffen: "Das ist wieder eine äußerst betrübliche Nachricht." Das Thema sei "sehr ernst" und "sehr ärgerlich", sagt Seehofer.

Bereits am Mittwoch hat der CSU-Chef von einem Schaden für die gesamte Partei gesprochen, als der Nürnberger Landtagsabgeordnete Michael Brückner Sex mit einer Minderjährigen eingeräumt hatte. Einen Zusammenhang zwischen Brückner und Schlagbauer will in der CSU jedoch niemand herstellen. Auch gegen Brückner ermittelt die Justiz. "Jetzt schlägt es dramatisch ein", sagt ein CSU-Landtagsabgeordneter. Ein anderer spricht von einer "Seuchenwoche".

Um 13 Uhr versammeln sich die Münchner CSU-Granden im zweiten Stock des Rathauses zur Beratung. Ernste Gesichter, noch keine Aussagen. Bezirkschef Spaenle kommt extra an den Marienplatz, betritt die Fraktionsräume über den Innenhof von hinten. Die Gesten schwanken zwischen Fatalismus und Fassungslosigkeit. Seit Anfang der Woche weiß offenbar ein enger Zirkel an der Parteispitze, dass Schlagbauer in Schwierigkeiten steckt. Man versucht, ihn zu einem offensiven Bekenntnis zu bewegen. Vergebens.

Die dürren Zeilen des Anwalts sorgen in der Partei für Ärger. Als die Staatsanwaltschaft sich äußert, ist es mit der Zurückhaltung vorbei. Um 14 Uhr kommen neue Statements: "Der Rücktritt von Georg Schlagbauer ist notwendig und unausweichlich. Es stehen schwerwiegende Vorhaltungen im Raum, die umfassend aufzuklären sind", erklärt Spaenle.

Schlagbauer wollte für den Landtag kandidieren

Bürgermeister Schmid äußert sich ähnlich. "Georg Schlagbauers Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern ist der Sachlage angemessen und folgerichtig." In der CSU machen sich aber auch viele Sorgen um den Parteifreund. "Ich wünsche Georg Schlagbauer, dass er nun die Zeit und Ruhe findet, seine persönlichen Probleme in den Griff zu bekommen", sagt Schmid.

Stadtrat und Fraktionsvize Manuel Pretzl ist wie seine Kollegen bestürzt: "Georg Schlagbauer war lange Mitglied der Fraktion, für die er vielfältige Ämter bekleidet hat. Wir wünschen ihm, dass er diese für ihn und seine Familie existenzielle Krise meistern kann."

Schlagbauer fällt von weit oben. Seit 2008 sitzt er für die CSU im Stadtrat. Er war Landesinnungsmeister beim Fleischerverband Bayern und Vizepräsident beim Deutschen Fleischer-Verband, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie des Bayerischen Handwerkstages. Erst vor wenigen Wochen hat er erklärt, in einem neuen Stimmbezirk im Zentrum für den Landtag kandidieren zu wollen.

Der Rücktritt erfolge "auch zum Schutze der Würde der jeweiligen Institutionen und Gruppierungen vor einer Belastung durch eine öffentliche Diskussion über Gesundheit und Familienleben meines Mandanten", heißt es in dem Schreiben des Anwaltes. Schlagbauer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Wie sehr sein Leben und die Karriere immer mehr aus den Fugen geraten ist, ahnten wohl nicht einmal seine Parteifreunde.

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SZ vom 10.06.2016/bica
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