Gentrifizierung:Reiter besucht Baustelle des Münchner Künstlerhauses

Gentrifizierung: Dieter Reiter diskutiert mit den Bewohnern der Häuser in der Thalkirchner Straße.Das Künstlerhaus soll saniert werden.

Dieter Reiter diskutiert mit den Bewohnern der Häuser in der Thalkirchner Straße.Das Künstlerhaus soll saniert werden.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Künstlerhaus in der Thalkirchner Straße soll in hochpreisige Wohnungen umgebaut werden.
  • Die Bewohner wehren sich und sprechen mit dem Oberbürgermeister über die Situation. Konkrete Hilfe kann Dieter Reiter (SPD) nicht zusichern.
  • Unterdessen ruhen die Bauarbeiten an dem denkmalgeschützten Haus.

Von Anna Hoben

Jeden Morgen, wenn Tilman Schaich ins Treppenhaus tritt, ist er damit konfrontiert. Damit, dass er auf einer Baustelle lebt - seit mittlerweile anderthalb Jahren. Schaich wohnt im Rückgebäude des sogenannten Künstlerhauses, Thalkirchner Straße 80, Isarvorstadt. Zweimal ist das Anwesen in den vergangenen zweieinhalb Jahren verkauft worden, die ehemaligen Mietwohnungen wurden in Eigentum umgewandelt. Und der Eigentümer, so glauben die verbliebenen Mieter, hätte sie wohl lieber früher als später los. Tilman Schaich aber hat sich entschieden zu bleiben - und sich mit der Bürgerinitiative "Ausspekuliert" für bezahlbaren Wohnraum in München einzusetzen.

Auf einem Transparent, das ein wenig verloren an einem der Balkone herabhängt, steht "kämpfen". An diesem Tag haben die Bewohner des Künstlerhauses und die "Ausspekuliert"-Macher Oberbürgermeister Dieter Reiter eingeladen, um mit ihm über ihre Situation zu sprechen - aber auch über das große Ganze. Was die Stadt tun kann, tun muss, um die Lage für Mieter in München zu verbessern. Wie die Kommunikation zwischen Initiativen wie ihrer und der Stadtpolitik verbessert werden kann.

Sie hätten sich etwa gewünscht, dass der OB ihre Petition für einen gerechten Mietspiegel öffentlich unterstützt hätte. Ja, räumt er ein, das hätte er tun können. Er bezweifle aber, dass das einen großen Unterschied gemacht hätte. Und er habe ja selbst schon mehrmals bei den zuständigen Ministern in Berlin gefordert, dass alle Mieten in den Mietspiegel einfließen sollten und nicht nur jene von frei finanzierten Wohnungen, die in den letzten vier Jahren erhöht worden sind. "Das hat die nicht vom Hocker gerissen."

Seit Oktober stocken die Bauarbeiten erneut

Zuvor hatte Reiter sich bei einem Rundgang ein Bild von der Wohnsituation der verbliebenen Mieter in dem Anwesen machen können. Die beiden denkmalgeschützten Häuser sind seit Ende 2016 zweimal verkauft worden. Den dort ansässigen Künstlern und Fotografen wurden ihre Ateliers vom Erstkäufer sofort gekündigt. Die Mieter bekamen erst eine Mieterhöhung, dann eine Modernisierungsankündigung, nach der sich die Mietpreise um bis zu 120 Prozent erhöhen sollten. Im Vordergebäude wohnt nur noch ein Mieter, im Rückgebäude sind von ehemals 15 Mietparteien noch sieben übrig.

Die beiden Häuser wurden zwischenzeitlich in Eigentumswohnungen umgewandelt und an den heutigen Eigentümer weiterverkauft. Im Herbst 2017 begannen die ersten Arbeiten, der neue Eigentümer Kiefer + Remberg (jetzt Remberg Bauträger GmbH & Co. KG) vermarktete das Haus unter dem Namen "Palais Thalkirchen". Eine 65-Quadratmeter-Wohnung wurde für 895 000 Euro zum Kauf angeboten. Im November 2017 wurden die Bauarbeiten gestoppt - und im Juni 2018 wieder aufgenommen. Seit Oktober steht die Baustelle erneut still. Eine Baustelle ist indes auch die Webseite des Bauträgers, der für die Süddeutsche Zeitung am Dienstagnachmittag nicht zu erreichen war. "Under construction", heißt es dort.

Die Bewohner wollen dem Eigentümer nun einen Vorschlag machen: Der letzte verbliebene Mieter im Vorderhaus könnte ins Rückgebäude ziehen. Vorne könnte der Bauträger seine Pläne durchziehen, im Gegenzug würden die Bewohner hinten ihm gern das Gebäude abkaufen und in eine Genossenschaft überführen. Über neue genossenschaftliche Modelle denkt zurzeit auch Reiter nach: für die Häuser, die die Stadt mit ihrem Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten erwirbt. Die Satzung müsse zudem für die ganze Stadt gelten und zu einem echten Mieterschutzinstrument werden, sagte er.

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