Wohnen in München:Gegen die Gentrifizierer

Wohnen in München: Das Thema Wohnen bewegt: Unter dem Motto "Ausspekuliert" hatten im Herbst rund 10.000 Menschen gegen fehlenden Wohnraum und steigende Mietpreise in München protestiert.

Das Thema Wohnen bewegt: Unter dem Motto "Ausspekuliert" hatten im Herbst rund 10.000 Menschen gegen fehlenden Wohnraum und steigende Mietpreise in München protestiert.

(Foto: Catherina Hess)

Es ist höchste Zeit, dass die Stadt die sogenannte Erhaltungssatzung überarbeitet. Bisher können viele Mieter vor Gentrifizierung nicht gut geschützt werden.

Kommentar von Anna Hoben

Die Erhaltungssatzung sei ein Instrument des Milieuschutzes, das betont die Stadt immer wieder - und kein Instrument des Mieterschutzes. Aber warum eigentlich nicht? Was ist denn ein Milieu anderes als die Gesamtheit seiner Bewohner? Und wie will man ein Milieu schützen, ohne die einzelnen Bewohner zu schützen? Es ist daher dringend an der Zeit, das Instrument weiterzuentwickeln. Ein aktueller Fall in Schwabing ist ein guter Anlass dazu.

Dort sollte ein Erhaltungssatzungsgebiet neu zugeschnitten werden. Neue Straßen und Häuser sollten hinzukommen, andere sollten herausfallen. Letzteres begründete das Planungsreferat so: Ja, es gebe da ein hohes Aufwertungspotenzial. Ein hinreichendes Verdrängungspotenzial aber - nein, das nicht. Weil, aufgepasst, ja ohnehin schon hauptsächlich Sehr-gut-Verdiener dort wohnten. Dass es trotzdem auch noch viele ältere, einkommensschwache Menschen in dem Gebiet gibt - das spielt dann plötzlich keine Rolle mehr. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch Normalverdiener längst von Verdrängung bedroht sind. Die Stadträte im Planungsausschuss haben nun beschlossen, das Gebiet zu erweitern - und die bisherigen Blöcke ebenfalls weiter zu schützen. Das ist gut und richtig.

Denn die Argumentation des Planungsreferats ist absurd, auch wenn sie auf klar definierten Kriterien beruht. Sie klingt im Übrigen auch wie ein Eingeständnis dafür, wie wenig die Satzung in der Realität oft bewirkt. Etwa wenn es heißt: "In dem entlassenen Bereich haben bereits in deutlichem Umfang Umbau- und Aufwertungsmaßnahmen stattgefunden. Mit der Aufwertung ging ein Austausch der Bevölkerung einher. Vornehmlich einkommensstärkere Haushalte sind nachgezogen." Für jene, die sich nicht in diese Kategorie zählen, die zum Teil seit Jahrzehnten dort wohnen, muss das klingen wie Hohn. Eigentlich zählen sie zum schützenswerten Milieu - aber weil die anderen nun in der Überzahl sind, kann das Milieu schauen, wo es bleibt.

Sinn und Zweck der Erhaltungssatzung kann es nicht sein, dass ein Gebiet nach dem anderen trotzdem die für München typische Entwicklung nimmt. Die Stadt muss die Satzung und ihre Kriterien deshalb klug weiterentwickeln, um Mieter zu schützen. Am besten sollte sie eines Tages für die ganze Stadt gelten.

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