Süddeutsche Zeitung

Gentrifizierung in Münchner Maxvorstadt:Luxus, wo es keinen geben darf

In einem "kernsanierten, designprämierten" Objekt an der Münchner Georgenstraße kosten Wohnungen bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter. Dabei liegt das ehemalige Mietshaus mitten im Erhaltungssatzungsgebiet, in dem eine Verdrängung der angestammten Bevölkerung verhindert werden soll. Wie konnte das passieren?

Von Sven Loerzer

Ein verlockendes Angebot, diese "perfekte Stadtwohnung mit großen Panorama-Dachgauben mit Top-Aussicht", Blick auf die Schwabinger Dachlandschaft und in die Altstadt sowie bei Föhn sogar Sicht zur Alpenkette: zwei Zimmer, 68 Quadratmeter Wohnfläche, derzeit vermietet, angeboten von einem Makler für 638.000 Euro. In dem "kernsanierten, designprämierten" Objekt in der Georgenstraße 83 "in prominenter Ecklage" war auch eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 105 Quadratmetern Fläche für 880.000 Euro angeboten worden.

Martha Hipp und Hubert Schuler, Mitglieder der Grünen-Fraktion im Bezirksausschuss Maxvorstadt, sind mehr als nur verwundert über diese Luxussanierung in ihrem Stadtbezirk. Denn die edel aufgewertete Immobilie aus der Nachkriegszeit liegt in einem Gebiet, für das bereits seit langem eine Erhaltungssatzung gilt - um die negativen Folgen von Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen für die angestammte Bevölkerung zu vermindern.

Seit 1987 bestanden in diesem Teil der Maxvorstadt Erhaltungssatzungen. Mit geringfügigen Gebietskorrekturen ist auch im vergangenen Jahr die Erhaltungssatzung für weitere fünf Jahre erlassen worden. Das Planungsreferat attestierte, dass ein Teil der Haushalte bei einer Mietpreissteigerung potenziell verdrängungsgefährdet sei. Die Bausubstanz biete zudem ein "sehr hohes Aufwertungspotenzial". Deswegen hat der Stadtrat das Areal erneut als Erhaltungssatzungsgebiet ausgewiesen.

Dennoch hat ein Investor das Mietshaus erwerben können, kritisiert Martha Hipp: "Es wurde entmietet, in den letzten Jahren saniert und in Eigentumswohnungen umgewandelt." Bereits aus dem Verkaufsprospekt sei unschwer zu erkennen, dass es sich um eine Luxussanierung gehandelt habe. Da wurde die Maxvorstadt als "intellektuelles Zentrum Münchens" gepriesen, das "eine illustre Ansammlung von kulturellen Highlights für offene Geister in direkter Nachbarschaft" biete. Der "begehrte Lebensmittelpunkt" war nicht günstig zu haben.

"Die zu erzielenden Verkaufspreise lagen weit über dem ortsüblichen Durchschnitt", betont Martha Hipp, "noch im Januar stand eine Wohnung zum Preis von 9300 Euro pro Quadratmeter zum Verkauf." Zudem seien etliche Großwohnungen geschaffen worden, mit Flächengrößen zwischen 167 und 284 Quadratmeter. Die größten Wohnungen seien für 2,78 Millionen Euro angeboten worden, also für knapp 10.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Ein Stellplatz fürs Auto war mit 38.000 Euro gelistet. Auch ein Mietangebot - 1260 Euro kalt für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit wenig mehr als 60 Quadratmetern Wohnfläche - fällt nicht gerade günstig aus. Die Grünen sind überzeugt, dass Umwandlungen wie in der Georgenstraße die Strukturen im Viertel in beängstigendem Ausmaß verändern.

Das Kommunalreferat weist unterdessen die Schuld an der Gentrifizierung in der Georgenstraße zurück: Die Stadt habe nicht verhindern können, dass das Mietshaus in teuer verkaufte Eigentumswohnungen aufgeteilt wird. Dazu hätte sie nach eigenen Angaben das Instrument der Umwandlungsgenehmigung gebraucht. Doch die dazu nötige Verordnung habe die Bayerische Staatsregierung trotz der langjährigen Bemühungen von Seiten der Stadt bisher nicht erlassen, erklärte das Kommunalreferat.

Es habe beim Verkauf des Hauses im Jahr 2006 geprüft, ob die Stadt das durch die Erhaltungssatzung eingeräumte Vorkaufsrecht ausüben kann. Da damals die Durchschnitts-Kaltmiete 10,04 Euro pro Quadratmeter betragen habe, sei dies nicht aber möglich gewesen. Denn der Stadtrat hatte 2002 festgelegt, dass das Vorkaufsrecht nur auszuüben ist, wenn die Miete höchstens 8,40 Euro im Durchschnitt beträgt. Inzwischen liegt die Schwelle bei 10,97 Euro.

Hätte die Stadt dagegen über das Instrument der Umwandlungsgenehmigung verfügt, das sie seit 1998 fordert, wäre eine Aufteilung in Wohnungseigentum möglicherweise zu verhindern gewesen, erklärt das Kommunalreferat. Doch "auch in der jüngsten wohnungspolitischen Initiative der Bayerischen Staatsregierung ist dieses Instrument - trotz zwischenzeitlich positiver Signale - nicht enthalten".

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SZ vom 15.03.2013/segi
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