Die Bedrohung für ein intaktes Idyll wächst: Den vorwiegend gewerblichen Mietern in den zwei Rückgebäuden der Fraunhoferstraße 13 ist gekündigt worden. Noch gibt es im Hinterhof unter anderem einen Tierarzt, eine Naturheilpraxis, einen Maßschneider und einen Atelierraum, in dem sich Kinder und Erwachsene mit Pinsel und Farben austoben können.
Bis spätestens 30. Juni nächsten Jahres jedoch ist Schluss, der Abriss droht. "Hier werden Lebenswelten zerstört, unser Biotop", hatte einer der Mieter, der Grafikdesigner Jan Frankl, bereits vor einem halben Jahr gewarnt. Da hatte eine große Fondsgesellschaft aus Luxemburg, die Jargonnant Partners, das Anwesen gerade gekauft. Appelle der Mieter an die städtischen Politiker, sie doch irgendwie zu schützen, haben bislang allerdings nichts bewirkt.
Wohnen:Die Gentrifizierung zieht Reiche an - und Randalierer
Wer sich teure Mieten nicht mehr leisten kann, wird aus den Münchner Innenstadtvierteln verdrängt. Zurück bleibt Wut. Gefährdet das den sozialen Frieden?
Die Ehefrau des Tierarztes in der Hinterhof-Praxis machte nun bei den örtlichen politischen Vertretern darauf aufmerksam, dass sie dringend Räume mit 50 bis 60 Quadratmeter Größe im Viertel suchten. Sonst seien Hamster- und Hasenbesitzer gezwungen, mit ihren kranken Schützlingen die Tierklinik aufzusuchen. Auch im Praxis-Team herrschten Existenzängste. "Wir können ja schlecht nach Dachau ziehen. Unsere Patienten sind hier."
Alexander Miklosy (Rosa Liste), Chef des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, bezeichnete es als eines der größten Probleme im Viertel, dass nach den Mietern seit einigen Jahren auch das Kleingewerbe "herausgentrifiziert" werde. Doch das Gewerbe trage "zur Typisierung des Viertels bei". Wenn Läden wie kürzlich die Poststelle und der Schreibwarenhändler, jetzt auch der Tierarzt schlössen, dann fehlten sie den Anwohnern schlicht und einfach. OB und Stadtrat seien sich der Brisanz bewusst, doch den Politikern seien die Hände gebunden.
Miklosy fordert, die Erhaltungssatzung, die Mietern in von Gentrifizierung bedrohten Vierteln Milieuschutz bietet, auf das Kleingewerbe auszudehnen. Nicht nur der Milieuschutz, auch der Denkmalschutz greift nicht im Hinterhof der Fraunhofer 13. Dorothee Ott, Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, sagt, die Bauten erfüllten - anders als das Vorderhaus - nicht die Voraussetzungen dafür, als Baudenkmäler erfasst zu werden. "Die Bauten im Hofraum sind stark erneuert, und es sind - von außen - nur wenige historische Elemente erhalten."
Jeder rechnet damit, dass der Abriss kommt
Für die Mieter ist ihr Arbeits- und Lebensbiotop einer der schönsten Hinterhöfe Münchens. Sie lieben die Ruhe, die rustikalen Treppenaufgänge, die Böden, das viele Holz. Wann und ob der Abriss der Rückgebäude erfolgen soll, ist offen. Der neue Eigentümer spricht nicht darüber. Doch dass der Abriss kommt, damit rechnet jeder im Haus. Die Befürchtung der Mieter: Beide Rückgebäude werden abgerissen, danach wird ein doppelt so hohes Gebäudes ohne Gewerbe und ohne Flair gebaut.
Das Vorderhaus wird modernisiert, ein Penthouse aufgesetzt. Danach werde der Investor die Anlage wohl verkaufen - vielleicht an die Patrizia, jenen Augsburger Konzern, der Mietwohnungen verwaltet, sie teils aber auch in Eigentum umwandelt. Fondsgesellschaft und Konzern hätten solche gemeinsamen Erfahrungen in der Zusammenarbeit bereits gemacht - zum Beispiel in Oberschleißheim.
Mieter sprechen von "fairem Umgang"
Die Fondsgesellschaft tritt weder fordernd noch unwirsch gegenüber den Mietern auf. Jan Frankl, der im oberen Stockwerk mit seinem Partner Jo von Beust den gemeinnützig arbeitenden Verein Malort betreibt, spricht sogar von "fairem Umgang". Zwar liegen die Kündigungen bereits auf den Tischen der Mieter im Rückgebäude, allerdings zum 30. Juni 2019 - eine eher lange Frist, um sich neu orientieren zu können. Soweit zu hören ist, verliefen die Gespräche mit den einzelnen Mietern konstruktiv, zum Teil gab es wohl Angebote über Abfindungen, auch wurde Unterstützung bei der Raumsuche angeboten. Den Mietern im Vorderhaus sollen bislang, wenn überhaupt, eher moderate Mieterhöhungen angekündigt worden sein.
Jan Frankl hat sich nach den Unterstützungsangeboten mit der Kündigung abgefunden, er ist auf der Suche nach neuen Räumen. Ohne politische Unterstützung und ohne den Schutz der Kommunen seien die Kleingewerbetreibenden aus dem Hinterhof wehrlos, meint er. "Realistisch gesehen gibt es gegen das Projekt keine tragfähigen juristischen Mittel." Da müssten dringend Regelungen her. Man könne es rein wirtschaftlich orientierten Unternehmen ja nicht per se verübeln, "dass sie die Verhältnisse für ihre Zwecke nützen".