Süddeutsche Zeitung

Gentrifizierung:Die nächste Luxussanierung in der Isarvorstadt

  • Die Immobilienfirma KL Bau Grünwald hat das Vorder- und das Rückgebäude an der Thalkirchner Straße 80 gekauft.
  • Den teils langjährigen Mietern wurde nahegelegt, sich eine andere Wohnung zu suchen.
  • Schauspielerin Franka Potente lebte einst in diesem "Künstlerhaus", es gibt zahlreiche Ateliers.

Von Birgit Lotze

Ein weiteres Kultur-Biotop verschwindet: Das Vorder- und das Rückgebäude an der Thalkirchner Straße 80, "Künstlerhaus" wird es oft im Viertel genannt, wird entmietet. 21 Parteien wohnen dort, einige seit mehr als 40 Jahren. Ihnen wurde vom neuen Eigentümer, der Immobilienfirma KL Bau Grünwald, nahegelegt, sich etwas anderes zu suchen. Der Investor hat das Anwesen im vergangenen Herbst gekauft.

Die Ateliers stehen inzwischen leer, auch Mieter, die nur einen Untermietvertrag hatten, haben ihre Wohnung schon verloren. Einige Mieter haben bereits Aufhebungsverträge unterschrieben, andere wollen ausharren.

21 Parteien waren in dem Haus, die meisten einfach nur Bewohner. Dann ist dort ein Kochstudio, ein Kindergarten, ein chinesisch-deutscher Kulturverein. Im Rückgebäude arbeiteten die meisten Künstler: Goldschmiede hatten dort schon vor 30 Jahren ihre Ateliers, bildende Künstler wie Josef Zehrer und Fink Ossi, bis vor kurzem der Fotograf Marek Vogel. Theresia Hefele und Oliver Hottner - auch sie mussten gerade ausziehen - machten dort die jährliche Ausstellung "Edition Karbit" mit Kunst zu erschwinglichen Preisen. Auch Regisseur Hans-Christian Schmid und Schauspielerin Franka Potente waren vor einigen Jahren Teil der Hausgemeinschaft.

Die Hausbewohner wollen Mitte September mit einem letzten Fest darauf aufmerksam machen, dass "ein weiteres kulturelles Biotop aus der Mitte Münchens untergeht". Noch hat nicht jeder die Kündigung bekommen, doch sie sehen sich kaum in der Lage, wesentlich auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen.

Der neue Eigentümer hatte angekündigt, bei der Entmietung "einvernehmlich" vorzugehen und notfalls Ersatzwohnungen zu stellen. "Wir stellen nicht den Strom ab, wir machen nicht solche Spiele", hatte Geschäftsführer Kristian Leimer im Dezember auf Nachfrage der SZ gesagt. Tatsächlich soll der Sanierer höhere Abfindungen als auf dem Markt üblich anbieten. Eine renovierte Wohnung zu kaufen, ist für die Mieter utopisch. Selbst für eine halbe Million Euro sei nichts zu haben, vermuten sie.

Was der Investor mit dem Anwesen vorhat, das beschäftigt derzeit den Bezirksausschuss (BA). In beiden Häusern sollen die Dachgeschosse ausgebaut werden, es geht um zwei Aufzüge, um den Anbau von Balkonen und eine Dachterrasse auf dem flachen Querbau. Der BA hat vorerst eine genauere Prüfung durch den Denkmalschutz verlangt. Das Gebäude hat einen Fassadenpreis gewonnen, auch das Treppenhaus, in das ein Lift eingebaut werden soll, ist denkmalgeschützt.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2017/vewo
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