Das Grundstück in der Messestadt Riem an der Ecke Heinrich-Böll-/Elisabeth-Mann-Borgese-Straße hat sich in eine Landschaft verwandelt. Eine Landschaft aus Gräben, Kieshügeln und Baggern. "Entschuldigung - bis wohin geht unser Haus ungefähr?", fragt eine Frau, zusammen mit den Umstehenden fängt sie an zu rätseln. Eines Tages werden sie hier ihre Umzugskisten durch eine Tür tragen - aber noch geht das Haus bis nirgendwo hin, es existiert ja noch nicht. Doch mit den Gräben, mit den Baggern und Kieshügeln ist es vorstellbar geworden, dass hier in nicht allzu ferner Zukunft wirklich etwas stehen wird: San Riemo, das erste Bauprojekt der Genossenschaft Kooperative Großstadt. Ein Gebäude mit 27 Wohnungen, Zuhause für ungefähr hundert Menschen.
Vor zwei Jahren hat sich die Bewohnergruppe gebildet, an diesem Nachmittag sind sie gekommen, um einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum eigenen Haus zu zelebrieren. Für die Grundsteinlegung haben sie eine Zeitkapsel vorbereitet, in die nun allerlei Dinge gelegt werden: selbstgemalte Bilder und Glückwünsche, eine Zeitung, eine Badeente, eine Planmappe - in die Grundrisse der Wohnungen tragen die künftigen Bewohner ihre Namen ein. Etwa 30 Männer, Frauen und Kinder stehen um ein Loch im Boden herum, und dann muss plötzlich alles ganz schnell gehen - der Beton wird schnell fest.
Wohnen in München:Ein Haus, das anders ist
Ein Stückchen München für 100 Menschen: Eine Genossenschaft baut mit künftigen Bewohnern ihr eigenes Haus, das "San Riemo". Was passiert, wenn man einen Sehnsuchtsort Realität werden lässt?
Noch fix mit Sekt angestoßen also, "auf die netteste aller jungen Genossenschaften", wenn es nach Peter Schmidt geht, Vorstand der Genossenschaft Wogeno, die zusammen mit Wagnis und der Kooperative Großstadt im Konsortium auf dem Baufeld in Riem baut. Schließlich rollt der Bagger, der Beton fließt auf die Zeitkapsel in der Grube, ein Kind ruft: "Oh nein!", und der dazugehörige Erwachsene erklärt: "Das soll so sein." Was das Kind nicht unbedingt beruhigt: "Jetzt haben wir nur noch Matsch."
Es sei nicht immer ein "straighter Prozess" gewesen, sagt Kooperative-Vorstand Christian Hadaller. Man habe auf dem Weg zum Haus schwierige Momente gemeistert und sich ein Knowhow zugelegt, um Herausforderungen auch künftig zu meistern. Er bedankt sich bei der Bewohnergruppe, die sich "so ausdauernd, begeistert und beharrlich" dafür eingesetzt habe, "dass San Riemo nicht nur ein Haus wird, sondern eine Gemeinschaft".
Zu diesen Bewohnern gehört die Innenarchitektin Tatjana Dechant, 49. "Ich finde Riem greislig", sagt sie, "und das will ich ändern". Sie hoffe auf Zebrastreifen, Tempo-30-Zonen und eine Blade Night. Noch wohnt sie auf 53 Quadratmetern, neben dem Kreativquartier nahe dem Olympiapark. In San Riemo wird sie 36,5 Quadratmeter haben - ihr geht es nicht um Platz, sondern um die Idee von Gemeinschaft. Sie will nicht mehr allein leben und alles selber besitzen, sondern teilen: Fahrräder, Werkzeuge, Lebenseinstellungen. Noch sei die Messestadt zwar am Stadtrand, "aber München ändert sich, irgendwann ist sie vielleicht nicht mehr am Rand". Dass der Stadtteil noch Potenzial hat, findet auch Franz Heimerl. Er arbeitet um die Ecke, interessiert sich für das Wohnen in einer Genossenschaft und "dachte, ich schau' mal vorbei". Um ein Gefühl dafür zu bekommen, "ob die das gescheit machen, ich bin ein vorsichtiger Mensch".
Als die ersten Bagger anrollten, sagt Kooperative-Vorstand Markus Sowa, das sei ein surrealer Moment gewesen. "Wir haben so lange geplant, ich hatte das Gefühl, wir könnten noch Jahre weiterplanen." Aber jetzt wird San Riemo real - und geplant wird schon wieder woanders. Die Genossenschaft hat den Zuschlag für ein Grundstück in Freiham bekommen. Am Abend der Grundsteinlegung von San Riemo treffen sich erste Interessenten. Einen Spitznamen für das neue Projekt gibt es auch schon: Freihampton.