Diplomatie in München:Wie selbst Bienen zu Botschaftern werden

Slowenien Generalkonsulat in München Dragica Urtelj

"I feel Slovenia" - Dragica Urtelj vertritt ihr Land in München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Als Generalkonsulin Sloweniens kümmert sich Dragica Urtelj nicht nur um Pässe. Sie wirbt auch für die Wirtschaft, vermittelt Sprachkurse und schenkt der Münchner Polizei Insekten.

Von Julian Hans

Ein gewisses Interesse für andere Völker sollte man natürlich mitbringen, wenn man im diplomatischen Dienst arbeitet. Aber selten geht es so weit, dass sich das Interesse auch auf Bienenvölker erstreckt. Wenn Dragica Urtelj am kommenden Montag der Münchner Polizei einen Bienenstock übergeben wird, ist das also ein seltener Fall von Insekten-Diplomatie. Ein klimatisierter Transporter bringt den Schwarm die 500 Kilometer aus Slowenien nach München, wo er auf dem Dach der Polizeiinspektion 11 in der Altstadt sein neues Zuhause finden soll.

Dass die Münchner Polizei eigenen Honig herstellt, hatte Frau Urtelj gehört. "Mit dieser Geste wollen wir die gute polizeiliche Zusammenarbeit unserer Länder unterstreichen", erklärt die slowenische Generalkonsulin. Die neue Bienenbegeisterung der Münchner bietet zudem eine gute Gelegenheit, ein bisschen Werbung zu machen für Slowenien, wo die Imkerei große Tradition hat. Auf 1000 Einwohner des Balkanstaates sollen zwei Imker kommen, heißt es. Da hat München noch Nachholbedarf.

Das Generalkonsulat des kleinen Republik Slowenien residiert nicht wie die Vertretungen anderer, größerer Staaten, in einer repräsentativen Villa in Bogenhausen, sondern mitten in der Stadt in einem gewöhnlichen Geschäftshaus an der Lindwurmstraße mit chemischer Reinigung im ersten Stock. Aber Dragica Urtelj braucht nur die Terrassentür von ihrem Büro zu öffnen, schon steht sie im regennassen Gras. Eine optimistische Frau mit Anstecker am Revers ihres schwarzen Kostüms: "I feel Slovenia", das "LOVE" in der Mitte hervorgehoben.

Konsulate in München

Fast 100 Staaten unterhalten in München konsularische Vertretungen. Darunter sind Generalkonsulate, Konsulate und Honorarkonsulate. Die Zahl ist Ausdruck der großen wirtschaftlichen Bedeutung Bayerns. Während die politischen Beziehungen zwischen Staaten in der Regel den Botschaften in Berlin vorbehalten sind, fördern die Konsulate wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. Außerdem erfüllen die Konsularbeamten gegenüber den Bürgern des jeweiligen Staates Aufgaben der Gerichte, Notare und Kommunalbehörden.

Ein Konsulat ist für einen regional begrenzten Amtsbezirk zuständig, den ein Staat selbst bestimmen kann. Das Generalkonsulat des Königreichs Dänemarks etwa ist für den Konsularbezirk Bayern und Baden-Württemberg zuständig. Die Finnen haben Bayern und Thüringen zu einem Konsularbezirk zusammengeschlossen.

Nicht alle EU-Staaten unterhalten vollwertige Konsulate in München. Das Königreich Belgien etwa hat nur einen Honorarkonsul, dafür aber zusätzlich eine Handelsabteilung. Honorarkonsuln sind keine Karrierediplomaten, die alle paar Jahre auf einen anderen Posten versetzt werden. Sie üben ihre Tätigkeit oft ehrenamtlich aus und müssen nicht zwingend Staatsbürger des Staates sein, den sie vertreten. Oft handelt es sich um Personen, die langjährige Erfahrung vor Ort haben und gut vernetzt sind. Sie sollen zum Beispiel Geschäftsleuten, die einen Zugang zum Markt suchen, Rat geben. Anders als Konsularbeamte sind Honorarkonsuln nicht zu allen konsularischen Amtshandlungen befugt.

Bei Wahlen organisieren die Konsulate in der Regel in ihren Räumen Wahllokale, um Staatsbürgern, die im Ausland leben, die Möglichkeit zu geben, ihre Stimme abzugeben.

Zuerst wollte sie die Bienen hier ansiedeln, erklärt sie, aber der Innenhof sei zu eng, und die Nachbarn wären vielleicht auch nicht begeistert gewesen. Außerdem gebe es im Generalkonsulat niemanden mit Imkerei-Erfahrung. Also werden die Bienen der Polizei überlassen und die Diplomaten begnügen sich mit einem Insektenhotel und den Rosen, die nach dem Nationaldichter France Prešeren benannt sind.

Fünf Angestellte hat die Vertretung des slowenischen Staates in München: neben der Generalkonsulin zwei junge Ortskräfte und eine weitere akkreditierte Diplomatin, die sich um die Konsularangelegenheiten kümmert. Einmal in der Woche fährt die Mitarbeiterin nach Stuttgart und empfängt dort Slowenen zur Sprechstunde.

Viele Slowenen lebten schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland, sagt Urtelj. "Die sprechen oft die Sprache nicht mehr gut, und sie wissen nicht, wie die Bürokratie in Slowenien funktioniert." Da ist dann zum Beispiel der alte Mann, der sich darauf vorbereitet, ins Heim zu ziehen, und feststellt, dass sein Pass schon seit zehn Jahren abgelaufen ist. Das Konsulat fand ihn erst gar nicht im Melderegister. Eine Reise in die Heimat war zu beschwerlich. Aber in Abstimmung mit den Behörden daheim konnte ihm schließlich ein neues Dokument ausgestellt werden. "Viele brauchen auch einfach nur jemanden, der ihnen zuhört", sagt die Diplomatin.

In der Europäischen Union herrscht Freizügigkeit für alle Bürger. Jeder darf leben und arbeiten, wo er möchte und für sich die besten Chancen sieht. Allerdings bringt das selbst im vereinten Europa Komplikationen mit sich: Seinen Wohnsitz muss jeder Münchner zwar beim KVR anmelden, einen neuen Pass bekommen Bürger anderer EU-Staaten dort aber nicht, den kann nur der Staat ausstellen, dessen Bürger er ist. Hier helfen die Konsulate.

Natürlich wird am 26. Mai auch in der slowenischen Vertretung an der Lindwurmstraße eine Urne stehen für slowenische Staatsbürger, die in Deutschland leben und an der Europawahl teilnehmen wollen. Aber Urteljs Erwartungen sind bescheiden: "Wenn mehr als zehn Leute zu uns kommen, ist das schon ein Erfolg", sagt sie. Die meisten würden wohl Briefwahl bevorzugen. Wenn sie überhaupt wählen.

Sie sei glücklich, dass die Zufriedenheit mit der EU in Slowenien hoch ist, sagt Urtelj. Aber manchmal macht es ihr auch Sorgen, dass viele die Vorteile Europas inzwischen als Selbstverständlichkeit betrachten.

Die Bedürfnisse der in Süddeutschland lebenden Slowenen gegenüber ihrem Staat zu vertreten, sei eine ihrer Aufgaben, sagt Urtelj. Außerdem vernetzt sie die eigenen Landsleute im Ausland, fördert Kontakte zwischen Deutschen und Slowenen und wirbt für die slowenische Kultur und Wirtschaft. Sie organisiert Workshops für slowenische Unternehmen, die in Bayern Geschäfte machen wollen, Sprachkurse, Lesungen slowenischer Autoren und jedes Jahr zum Tag der slowenischen Kultur am 8. Februar einen Tag des slowenischen Films im Monopol Kino. Internationalität und Pflege der eigenen Kultur gehörten zusammen, findet die Diplomatin. "Der Erhalt der Vielfalt ist ein Fundament der Europäischen Union."

Mit etwas mehr als zwei Millionen Einwohnern ist Slowenien einer der kleinsten Staaten in der EU. Bei der Osterweiterung 2004 war der Balkanstaat ein Musterland mit prosperierender Wirtschaft und gefestigter Demokratie. "Nach dem EU-Beitritt ist es nicht mehr so einfach, Aufmerksamkeit zu gewinnen", sagt Urtelj. Es ist ein bisschen wie in einer großen Familie - wenn sie keine Probleme machen, werden die Kleinsten manchmal ein bisschen vergessen.

Noch immer sind Frauen als Chefs von Konsulaten selten

Seit 2017 leitet sie das Generalkonsulat in München. Ihre eigene Geschichte ist auch ein Beispiel dafür, wie Europa wirkt. Schon in der Grundschule hat sie sich für die deutsche Sprache begeistert. Über einen Jugendaustausch ihrer Heimatstadt Velenie ist sie dann zum ersten Mal in die Partnerstadt Esslingen am Neckar gekommen. 1992 trat sie in den diplomatischen Dienst, sechs Jahre später kam sie zu ihrer ersten Auslandsstation nach München, damals als Konsulin für vier Jahre.

Als sie in Klagenfurt die erste weibliche Generalkonsulin wurde, war das Gesprächsthema in der Stadt und unter Diplomaten. Noch immer sind Frauen als Chefs von Konsulaten selten. "Es ist immer noch leichter, dass eine Frau ihrem Mann folgt, wenn er auf einen Posten im Ausland versetzt wird, als umgekehrt", erklärt sie. Ihr Mann, ein Elektroingenieur, könne in München vorerst Home Office machen. "Aber ich sage gern, mein Mann ist Leiter der Residenz."

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