Geld:Macht München pleite oder kann ich nur nicht mit Geld umgehen?

Feature zu Thema 'Wie gehe ich mit Geld um/ Let's talk money'

1007 Euro im Monat müssten doch eigentlich reichen. Aber dann wird es doch immer knapp.

(Foto: Joerg Koch)

München ist die teuerste deutsche Stadt für Studierende. Kein Wunder also, dass unsere Autorin nie Geld hat. Oder könnte sie nicht viel sparsamer sein?

Von Alice Hasters

Ende des Monats: Ich stehe an der Kasse im Supermarkt und schaue nervös auf das EC-Gerät. Vielleicht druckt es gleich einen Kassenbon. Dann ist alles gut. Vielleicht piept es aber auch und auf dem Display stehen die Worte: "Zahlung nicht möglich". Dann wird es unangenehm. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ich nicht mehr genug Geld auf dem Konto habe, um meine Einkäufe zu bezahlen.

Ich habe mittlerweile aufgehört, dem Kassierer Notlügen zu erzählen. Davon, dass meine Karte defekt sein muss oder irgendein Gehalt noch nicht drauf ist. Das macht die peinliche Situation auch nicht besser. Ich lebe über meine Verhältnisse. Dabei lebe ich, wie ich finde, eigentlich ganz normal für eine 27-jährige Studentin.

Vielleicht denke ich das nur, weil ich nicht weiß, was normal ist. Denn egal ob man welches hat oder nicht - über Geld spricht man nicht. Ich weiß nicht, ob ich weniger oder mehr Geld als meine Freunde habe. Nur eins scheint gleich: Alle haben immer zu wenig. Der Satz "Ich bin so pleite", gehört unter Münchner Studenten zum guten Ton. Und trotzdem denke ich, so richtig pleite bin immer nur ich. Habe ich wirklich weniger als alle anderen? Oder kann ich einfach nur nicht mit Geld umgehen?

Zeit für einen Realitäts-Check: Ich vergleiche meine monatlichen Ausgaben mit den Zahlen des Studentenwerks München. Das erhebt in unregelmäßigen Abständen, wie Studierende in dieser Stadt finanziell aufgestellt sind. Die letzte Erhebung war 2012, schon ein wenig veraltet, aber immerhin bietet sie ein wenig Orientierung.

Ein Monat mit 1007 Euro

In einem normalen Monat starte ich theoretisch mit 1007 Euro. 2012 war das die Durchschnittssumme auf dem Konto von Studentinnen. Männer hatten in der Regel 946 Euro zur Verfügung. Heute liegt der Betrag wahrscheinlich höher. Bei mir kommt der Großteil nicht, wie bei 93 Prozent der Münchner Studierenden, von den Eltern.

Statt finanzieller Unterstützung kriege ich 557 Euro Bafög im Monat. Das entspricht in Etwa der Durchschnittssumme, die Eltern ihren Kindern in München überweisen. 2012 zumindest. In dieser Stadt kommt man damit allerdings nicht weit. Wie die meisten Münchner muss ich neben dem Studium arbeiten. Durch das Bafög ist der Betrag auf 450 Euro begrenzt. Jeden Euro mehr müsste ich an den Staat zurückzahlen.

1007 Euro also. Klingt nach einer Menge Geld. In diesem Monat starte ich allerdings mit 200 Euro im Minus. Weil ich ja, wie gesagt, über meine Verhältnisse lebe. Es sind also 807 Euro. Immer noch viel, denke ich, und gehe einkaufen. Statt dem billigen Discounter wähle ich den teuren Bioladen. Ist das jetzt verantwortungsvoll oder verantwortungslos? Viel Obst, Bio-Eier und eine Packung Quinoa später bedankt sich der Markt auf meinem Kontoauszug für meinen Einkauf von 35 Euro.

Man gönnt sich ja sonst nichts. Neben dem Einkauf wurde der größte Batzen diesen Monat bereits abgezogen: Krankenversicherung für 84 Euro und die Miete für mein WG-Zimmer. Mit 400 Euro komme ich wesentlich günstiger weg als die meisten WG-Bewohner Münchens. Laut einer Erhebung von immobilienscout24 kostet ein Münchner Zimmer dieses Jahr im Schnitt 545 Euro. Das macht München mit Abstand zur teuersten deutschen Stadt für Studenten.

Jetzt sieht mein Konto schon mau aus. Ich beruhige mich, meine Freunde kriegen das ja auch hin. Und die geben teils mehr Geld aus. Ich rauche nur auf Partys. Ich kaufe so gut wie nie Klamotten, 75 Prozent meiner Kleider wurden mir von Freunden vermacht. Ich bin nicht im Verein oder Fitnessstudio. Wenn ich Sport mache, dann draußen und umsonst. Der Monat muss doch für mich mit 288 Euro zu bestreiten sein.

Sparen beim Smartphone?

Die Zahl hält sich allerdings nicht lange, mein Kontostand sinkt auf 236 Euro. 52 Euro gehen für meinen Handyvertrag drauf. Das geht günstiger. Aber nachdem mir mein altes, kaputtes iPhone verloren ging, wollte ich unbedingt ein neues. Umschwenken auf eine günstigere Variante kam nicht infrage. Der Vertrag wurde teuerer, dafür bekam ich sofort ein iPhone sechs.

Die monatliche Summe schmerzt bei meinen geringen Ressourcen. Trotzdem bin ich jeden Tag froh über mein Smartphone. Ich frage mich selbst, warum es mir so wichtig ist, ein fast 800 Euro teures Handy zu haben. Vielleicht, weil ich mir sonst nichts Teures kaufen kann. Vielleicht, weil es nach außen hin den Schein wahrt, dass ich es mir leisten kann.

Am Ende des Monats lieber zum Discounter

Es ist der fünfte Tag im Monat und 75 Prozent meines Geldes ist schon weg. Ich habe einmal gehört, 40 bis 50 Prozent der Finanzen sollten für Fixkosten drauf gehen. Wie soll das in München gehen? Vielleicht würde man mit 236 Euro gut durchkommen. Hätte man keine Freunde, die Geburtstag haben. Für die Geschenke gehen monatlich bis zu 20 Euro drauf. Wirklich problematisch ist allerdings die Feierei. Deshalb gehe ich oft nicht mit. Aber ist die Unizeit nicht die Zeit, in der man das Leben genießen soll?

Einen Abend im Monat gönne ich mir das deshalb. Weinschorle hier, Schnaps für's Geburtstagskind da, Eintritt für den Club und Pommes im Morgengrauen. Das kann schnell 50 Euro kosten. Das bestellte Essen am Folgetag gegen den Kater erhöht die Ausgaben um 20 Euro. Dann kommen die Abende, an denen man ein, zwei Bier trinkt. Die machen auch 50 Euro aus.

Bleiben in etwa 110 Euro, doch ich zahle für Netflix, Spotify und Dropbox. Macht 30 Euro. 80 Euro also übrig. Jetzt gehe ich doch lieber zum Discounter und kaufe Dosentomaten, Nudeln, Haferflocken und Milch - die ist trotzdem Bio. Dann stehe ich an der Kasse und hoffe, dass es noch reicht.

Ich weiß, dass ich besser mit meinem Geld umgehen und mehr sparen könnte. Andererseits lebe ich auch schon lange von der Hand in den Mund, habe etliche 14-Stunden-Schichten in Cafés geackert. Habe unbezahlte Praktika, Studiengebühren und Exkursionen ohne Hilfe meiner Eltern bewältigt. Für mich ist es deshalb wichtig, auch mal zu vergessen, dass es trotzdem nicht ausreicht, um mir das zu leisten, was ich gerne hätte. Deshalb reize ich meine Situation bis zum letzten Cent aus. Monat für Monat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: