Süddeutsche Zeitung

Plastikmüll:Bekommt die Maxvorstadt die gelbe Tonne?

  • Wer in München seinen Müll trennen will, muss auch Plastikverpackungen zum Container bringen.
  • Gelbe Tonnen oder Säcke gibt es in der Stadt nicht.
  • Nun haben die Grünen die Initiative "Maxvorstadt plastikfrei" angestoßen. Sie fordern gelbe Tonnen für die Maxvorstadt, damit mehr recycelt wird.

Von Stefan Mühleisen

"Plastikmüll ist ein Riesen-Problem!" - Das gilt weltweit und das gilt auch für München, weshalb der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) diesen Satz wohl auch als Überschrift einer Aufklärungskampagne gewählt hat. 42 000 Tonnen Verpackungsmüll fallen demnach jedes Jahr in der Stadt an; damit könnte man jede Stunde die Bavaria befüllen, täglich das Siegestor komplett einpacken, jede Woche einen der Frauentürme zumüllen, rechnet der städtische Betrieb vor - und listet eine Latte an Tipps auf, um Kunststoffmüll zu vermeiden. "Selber kochen statt Lieferdienst", lautet etwa so eine Handreichung für die Münchner. Der Bezirksausschuss Maxvorstadt glaubt aber, die Stadtverwaltung soll ihrerseits selbst etwas tun - und ihren Stadtbezirk zu einer Art Plastikmüll-Modellquartier machen.

"Maxvorstadt plastikfrei" ist eine politische Initiative überschrieben, welche die örtlichen Grünen angestoßen haben und die der Bezirksausschuss jetzt beschlossen hat. "Lassen Sie uns in der Maxvorstadt eine Vorreiterrolle im Recycling von Plastikabfällen einnehmen", heißt es in dem Papier. Die Forderung: Die Stadtverwaltung soll exklusiv in der Maxvorstadt zusätzlich zu Hausmüll- und Papierbehältern gelbe Tonnen für Verpackungsmüll aufstellen. Alternativ sollen die beiden in der Stadt tätigen Entsorgungsfirmen angehalten werden, mit Werbung und "Einzelmaßnahmen" bessere Recycling-Quoten zu erreichen.

Wieder einmal erschallt damit der Ruf nach der gelben Tonne als Lösung, um den Entsorgungsbehälter näher an die Bewohner zu bringen - und diese zu ermutigen, den Plastikmüll zu sammeln. Denn Mülltrennung ist in München seit Anfang der Neunzigerjahre nach dem Willen des Stadtrates eine Bringschuld, oft mit weiten Wegen verbunden: Kunststoff-, Glas- und Metallabfälle sind bei den so genannten Wertstoffinseln zu entsorgen, für die das so genannte Duale System beziehungsweise zwei Privatunternehmen qua gültiger Verträge zuständig sind, Remondis und Wittmann, nicht also der AWM.

In der Realität sparen sich jedoch viele Bürger den Weg zu den Containern, werfen den Plastikabfall in die Restmülltonne. Deren Inhalt landet in der Verbrennungsanlage, wird also nicht recycelt. Andererseits: Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) wies in einer Studie von 2018 darauf hin, dass in manchen Kommunen, wo es gelbe Säcke oder gelbe Tonnen gibt, bis zu 60 Prozent "Fehlwürfe" festgestellt würden, also Müll, der nicht recycelt werden kann. Auch das Kommunalreferat, Dachbehörde des AWM, verweist auf diese Studie und verteidigt damit die geltende Linie, an den Wertstoffinseln festzuhalten.

"Der ökologische Effekt der gelben Systeme ist fraglich", teilt eine Sprecherin mit, zumal nur "reine Kunststoffe" verwertet werden könnten, und der Markt für diese Kunststoff-Recyclate mit 20 Prozent sehr gering sei. Als weitere Gegenargumente führt die Behörde an: Die Tonnen brauchten zusätzlichen Platz, der in Wohnanlagen oft nicht vorhanden sei; gelbe Säcke könnten überdies ein Hygieneproblem darstellen, da verunreinigtes Plastik Ungeziefer anziehe. Dazu erinnert das Kommunalreferat daran, dass die neuen Tonnen auch eine neue Logistik nötig machen würden, also zusätzliche Laster, die jedes Haus anfahren müssten.

Dennoch könnte man ja auf die Idee kommen, es örtlich begrenzt auszuprobieren, wie sich das die Maxvorstädter Politiker vorstellen. Dem erteilt das Kommunalreferat neben der inhaltlichen auch eine formale Absage: In den Verträgen mit den Firmen des Dualen Systems seien "Einzel- und Insellösungen" bislang nicht vorgesehen, heißt es. Dennoch: In die Tonne getreten wird der Antrag und insgesamt das Thema "gelbes System" deshalb nicht. Sobald der ökologische Nutzen einer größeren Sammelmenge, flankiert von technischen Entwicklungen, erkennbar werde, soll dem Stadtrat ein entsprechender Entscheidungsvorschlag unterbreitet werden. "Ich freue mich über jeden Einsatz für die Umwelt", lobt Kommunalreferentin Kristina Frank den Vorstoß des Bezirksausschusses. Noch wichtiger sei aber die generelle Reduzierung von Einweg-Plastikverpackungen. "Die Einführung eines gelben Systems wird der AWM fortlaufend überprüfen", versichert Frank.

Allein, möglich wäre eine solche "Insellösung" durchaus, wie die Pressesprecherin der Firma Remondis, Anna Ephan, bestätigt. Das deutschlandweit tätige Unternehmen sammelt in München die Hälfte der Plastik-Behälter von den Wertstoffinseln ein. Und nach Ephans Angaben gebe es viele Kommunen, die vor der Einführung eines neuen Sammelsystems zunächst Testläufe in einem oder mehreren Gemeindebezirken durchführen lassen. Die Entscheidung liege bei der Kommune selbst, dies entsprechend in der turnusmäßigen Ausschreibung festzulegen. "Grundsätzlich sind wir für die Einführung der gelben Tonne", stellt die Firmensprecherin klar. Denn diese Lösung sei "das Beste für die Umwelt und das Beste für die Recyclingquote".

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SZ vom 12.06.2019/vewo
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