Süddeutsche Zeitung

Geheimnisvoller Temposünder:Der Prinz ist fein raus

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Mit 96 Stundenkilometern war der schwarze VW Touraeg in Haar unterwegs. Als die Polizei das Auto stoppen wollte, flüchtete der Fahrer. Der Besitzer des Wagens ist prominent - und unschuldig.

C. Rost

Ein Aristokrat, das hat der Polizist ganz richtig erkannt, trägt keine Allerweltsfrisur. Man kann das gut studieren in den bunten Blättern, die dem Adel auf dem Fuße folgen. Minister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg fixiert seine schwarze Pracht ja mit tüchtig Gel am Kopf. Andere Hochwohlgeborene schwören auf Farbe. Prinz und Landgraf Otto von Hessen mag's eindeutig blond - und nicht mit Pomade.

In diesem Punkt hat sich Polizeimeister Horst E. geirrt. Deshalb wurde der Prinz am Dienstag am Amtsgericht vom Vorwurf des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr freigesprochen.

Ein auf den Adeligen zugelassener Wagen - der Betreiber von vier Fastfood-Lokalen hat 18 Autos - wurde am 10. Januar 2010 in der Wasserburger Straße in Haar von einer Zivilstreife gestoppt. Der schwarze VW Touareg war innerorts mit 96 Stundenkilometer unterwegs. Polizist E. lotste das Auto auf den Standstreifen, der Fahrer steuerte zunächst auch brav dorthin. Als er aber weniger als eine Autolänge entfernt vom Beamten anhalten sollte, trat der Fahrer plötzlich aufs Gas und raste davon. Der Polizist konnte sich nur mit einem Sprung zur Seite retten.

Wer sein Auto in dieser Weise als gefährliche Waffe einsetzt, muss dafür teuer bezahlen: Otto von Hessen bekam als Halter einen Strafbefehl über 3600 Euro, sieben Punkte in der Verkehrssünderkartei und eine neunmonatigen Führerscheinentzug. E. hatte den Prinzen noch am Tag des Vorfalls anhand von Blitz-Bildern als Fahrer identifiziert, die schon vor längerer Zeit ebenfalls bei Tempokontrollen von einem Auto des Gastronomen gemacht wurden.

Wie sich nun aber vor Gericht herausstellte, saß schon bei den anderen Rasereien nicht der 45-Jährige am Steuer. Und auch in Haar war es "eine Person mit dunkler Igelfrisur", wie der Polizist aussagte. Der Adelige sieht mit seinem Blondschopf ganz anders aus.

Als der Beamte im Gerichtssaal dann noch mit einer Gruppe von zehn Männern konfrontiert wurde, die mit dem Anwalt des Prinzen erschienen waren und alle haarmäßig auf Aristokrat getrimmt waren, geriet er völlig aus dem Konzept. Er meinte, einer der Statisten sei der Rowdy gewesen. Da war der Prinz fein raus.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2010
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