Süddeutsche Zeitung

Gegen das Vergessen:Ein dunkler Moment

Gedenken an die Opfer des Anschlags auf jüdische Gemeinde

Der Ort des Verbrechens ist vom Festsaal im Alten Rathaus nur wenige Hundert Meter entfernt. "Einen der dunkelsten Momente in der Münchner Nachkriegsgeschichte" nennt Oberbürgermeister Dieter Reiter, was am Abend des 13. Februar 1970 geschah: der Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in der Reichenbachstraße. Sieben Menschen starben damals in den Flammen. Sie starben, weil sie Juden waren. Weil Benzin im hölzernen Treppenhaus vergossen und angezündet wurde. Weil der Fahrstuhl, der sie vielleicht hätte retten können, außer Funktion gesetzt worden war. Bis heute ist die Tat ungeklärt und ungesühnt.

Ein dunkler Moment, der fünf Jahrzehnte in der Dunkelheit blieb und beinahe vergessen wurde. Erst jetzt erinnert die Stadt an die Opfer: Regina Rivka Becher, Max Meir Blum, Leopold Arie Leib Gimpel, David Jakubowicz, Siegfried Offenbacher, Georg Eljakim Pfau und Rosa Drucker. Damals, nur 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, habe so eine Tat "nicht in das Selbstbild des neuen, modernen und demokratischen Deutschlands" gepasst, sagt Reiter. Initiiert hat das Gedenken nun der Kabarettist Christian Springer, dem nicht nur Charlotte Knobloch dafür "unendlich" dankt, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde. Springer ist es auch, dem eine sehr schöne Überraschung gelingt: Auf der Bühne interviewt er drei der Feuerwehrmänner, die in jener Nacht verhinderten, dass noch mehr Menschen starben. Plötzlich bittet er noch jemanden auf die Bühne: Es ist die Ärztin Sara Elasari-Gruß, 71 Jahre alt und damals, als junge Medizinstudentin, eine der Geretteten. Unter Applaus fallen die Vier sich um den Hals, und nicht wenige im Saal wischen sich da eine Träne aus dem Augenwinkel. Es sei ihm wichtig gewesen, sagt Springer, dieses "Zeichen des Überlebens" zu setzen.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020 / sim
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