Süddeutsche Zeitung

Gefahr durch Legionellen:Duschen verboten!

Das Wasser ist so stark mit Legionellen kontaminiert, dass eine Gefahr für die Gesundheit besteht: Die Behörden haben in der Aschheimer Planetensiedlung und im Olympiadorf ein Duschverbot erlassen. Künftig könnte das öfter passieren.

Anna Günther

Wasser strömt auf den Kopf, es fließt durch die Haare, über Schultern und Rücken den Körper hinab bis zu den Füßen. Was ist erfrischender als eine ausgiebige Dusche an einem heißen Sommertag oder nach dem Sport? Duschen ist Genuss, Weckruf und Entspannung zugleich. Wahrer Luxus für diejenigen, die schon einmal ohne auskommen mussten.

Ronald Kugler kann seit März nicht mehr entspannt duschen, eigentlich müsste er ganz darauf verzichten. Denn in seiner Wohnanlage in Aschheim bei München wurden verstärkt Legionellen im Trinkwasser gefunden, das Gesundheitsamt des Landkreises München hat ein Duschverbot für alle 106 betroffenen Wohnungen verhängt.

Legionellen können über das Grundwasser ins Trinkwasser gelangen. Bei Temperaturen zwischen 25 und 55 Grad Celsius können sich die Bakterien sehr stark vermehren und, über Wasserdampf eingeatmet, bei Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem zum Ausbruch der Legionärskrankheit, einer schweren Lungenentzündung, oder dem selteneren Pontiac-Fieber führen.

Bei einer Routineuntersuchung der 40 Jahre alten Wohnanlage in der Aschheimer Planetensiedlung waren bereits im Januar in den Wasserleitungen Legionellen festgestellt worden. Bei einer zweiten Überprüfung im März waren 16 von 56 Proben positiv. Auch im Olympischen Dorf sind innerhalb weniger Tage in zwei Wohnanlagen Legionellen gefunden worden. Am Helene-Mayer-Ring 14 hat die Olympiadorf-Verwaltungs-GmbH erst in der vergangenen Woche für 320 Wohnungen ein Duschverbot ausgesprochen.

10.000 Legionellen in 100 Millilitern Wasser

Derzeit werden dem städtischen Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) etwa alle zwei Wochen Fälle mit sehr hoher Kontamination gemeldet, bei denen bis zu 10.000 Legionellen in 100 Millilitern Wasser gemessen werden. Bei einer derart hohen Belastung ordnet das RGU Sofortmaßnahmen wie Duschverbote an. In Zukunft dürften noch deutlich mehr Fälle bekannt werden: Mit der Änderung der Trinkwasserverordnung hat das Bundesministerium für Gesundheit nicht nur die Grenzwerte für Uran, Cadmium und Blei verschärft, sondern auch neue Richtlinien für Legionellen-Untersuchungen festgelegt.

Künftig müssen Gebäude einmal pro Jahr systematisch auf Legionella pneumophila untersucht werden. Und wenn öfter kontrolliert wird, kommen auch mehr kontaminierte Anlagen ans Licht, glauben die Experten im RGU. Allerdings gilt ein Objekt bereits als auffällig, wenn nur eine aller entnommenen Proben den Grenzwert erreicht.

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. November 2011 müssen "Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Trinkwasser-Installation, in der Trinkwasser im Rahmen einer öffentlichen oder gewerblichen Tätigkeit abgeben wird" diese Anlagen regelmäßig untersuchen lassen und beim zuständigen Gesundheitsamt anmelden. Darunter fallen nicht mehr nur öffentliche Gebäude wie Kindergärten, Krankenhäuser oder Altenheime, sondern auch Betriebe mit Duschen oder Großanlagen zur Trinkwassererwärmung.

Von etwa 135.000 Münchner Wohngebäuden fallen laut Umweltreferat 35.000 Großanlagen mit einer zentralen Trinkwassererwärmung und mindestens 400 Litern Wasserspeicher unter die neue Verordnung. Ein- und Zweifamilienhäuser sind nicht betroffen. Bisher sind in der Behörde erst 9000 Gebäude verzeichnet, im Gesundheitsamt des Landkreises München wurden 6500 Mehrfamilienhäuser registriert.

Trotz der vergleichsweise geringen Zahl gemeldeter Anlagen können die zuständigen Mitarbeiter im RGU gar nicht alle überwachen. Sie müssen sich auf die Eigenverantwortung der Hauseigentümer verlassen, denn das Team kümmert sich neben der Trinkwassergewinnung und -versorgung auch um die städtischen Schwimmbäder, Badeseen, Kosmetika und Altlasten. Es gilt, Prioritäten zu setzen.

Das RGU handelt vorrangig dort, wo Krankheitsfälle auftreten oder Sanierungsmaßnahmen nicht erfolgreich sind. Etwa 15 akkreditierte Labors in München und dem Umland untersuchen die Wasserproben, legen Kulturen an und lassen diese gut zehn Tage in Brutschränken reifen. Wird in einer Wohnanlage eine überhöhte Belastung des Trinkwassers durch Legionellen festgestellt, müssen Gesundheitsamt und Hausbewohner unverzüglich informiert werden.

Ein Mittel, um die Kontamination einzudämmen, ist die thermische Desinfektion. Dabei werden die zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen hocherhitzt, und die Hausbewohner müssen an jedem Anschluss täglich drei Minuten bei höchster Temperatur das Wasser laufen lassen. Bei der chemischen Desinfektion behandeln Fachfirmen das gesamte Leitungssystem mit dafür zugelassenen Chemikalien.

Doch beide Arten der Desinfektion bieten keine endgültige Sicherheit, sagt Stefan Oetzel, Spezialist für Wasserhygiene in der Münchner Innung Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik. "Dadurch tötet man zwar die Bakterien ab, aber die Ursachen werden nicht bekämpft", sagt der Sanitärmeister. Sobald die Bedingungen in den Wasserrohren wieder Legionellen-freundlich sind, seien die Krankheitserreger auch wieder da. An einer detaillierten Analyse der Schwachstellen und gezielten baulichen Veränderungen führe kein Weg vorbei, meint Oetzel.

Ronald Kugler duscht mittlerweile trotzdem wieder täglich, "man stumpft mit der Zeit ab, und die tägliche Routine lässt keine Zeit für Bäder oder großflächige Katzenwäsche mit dem Waschlappen", sagt er. Anders als ein Großteil seiner Nachbarn kann er als Eigentümer seine Wohnung auch nicht einfach verlassen. Die Mieter ziehen sukzessive weg, meint Kugler. Die Stimmung sei schlecht, eine Nachbarin sei an einer Lungenentzündung erkrankt - ob diese von den Legionellen verursacht wurde, ist aber noch nicht geklärt.

Weitere Informationen des Münchner Gesundheitsamtes stehen im Internet (www.muenchen.de/trinkwasser)

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SZ vom 30.06.2012/afis
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