Gefängnispsychologin vor Gericht:Liebesdienste für Häftlinge

Gefängnispsychologin vor Gericht: Die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim.

Die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim.

(Foto: Claus Schunk)

130 Liebesbriefe, eine Schwangerschaft und illegale Geschäfte: Eine Psychologin der JVA Stadelheim steht vor Gericht. Sie soll mit zwei Insassen sexuelle Beziehungen gehabt und ihnen Originalschlüssel für Zellentüren zum Nachmachen überlassen haben.

Von Christian Rost

Eine Anstaltspsychologin der Justizvollzugsanstalt Stadelheim muss sich seit Dienstag vor dem Schöffengericht wegen Bestechlichkeit und sexuellen Missbrauchs von Gefangenen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der 50-jährigen Kerstin S. vor, mit zwei Häftlingen teils über Jahre ein Verhältnis gehabt zu haben. Den Männern soll sie zudem gegen Bezahlung Handys ins Gefängnis gebracht und Schlüssel für die JVA überlassen haben. Die Frau legte ein Teilgeständnis ab.

In der mit 1400 Insassen belegten JVA Stadelheim macht den Sicherheitskräften seit Jahren ein reger Schmuggel zu schaffen. Hunderte Mobiltelefone wurden schon bei Gefangenen sichergestellt, auch Rauschgift findet die achtköpfige JVA-Sicherungsgruppe regelmäßig in den Zellen. Dass Handys und Drogen auch von Bediensteten der JVA in den Hochsicherheitsbau gebracht wurden, zeigten zuletzt mehrere Fälle von korrupten Mitarbeitern: Ein Beamter ist 2012 zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Eine andere bestechliche Vollzugsbeamtin erhielt eine Bewährungsstrafe und lebt mittlerweile mit einem Häftling zusammen.

Kerstin S. sitzt seit August 2013 in Untersuchungshaft. Sie war seit 2005 als Anstaltspsychologin bei der JVA angestellt mit einem eigenen Büro im Gebäude. Zu zwei Häftlingen, 25 und 40 Jahre alt, die bei ihr in Behandlung waren, soll die zierliche Frau mit blassem Teint und rötlichen Haaren ein Verhältnis begonnen haben. Im Büro der Psychologin kam es laut Anklage in wenigstens 30 Fällen zum Geschlechtsverkehr.

Liebesbriefe und eine Schwangerschaft

Laut Staatsanwalt Andreas Franck ließ sich S. bereits 2005 mit dem heute 40-Jährigen ein, der wegen bandenmäßigen Kokainhandels bis 2011 in Haft saß. Für diesen Mann soll Kerstin S. durchweg positive psychologische Stellungnahmen verfasst haben, um seine Abschiebung in die Türkei zu verhindern. Nach den Ermittlungen der Polizei wurde die JVA-Mitarbeiterin während der Beziehung schwanger von dem Häftling, verlor aber das Kind.

130 Liebesbriefe des Mannes stellte die Polizei in der Wohnung von Kerstin S. sicher. Das Verhältnis zu ihm räumte die Angeklagte vor Gericht ein. Offenbar besteht die Beziehung nach wie vor: Als der Ex-Häftling am Dienstag im Gerichtssaal auftauchte, winkte sie ihm freudig zu.

Versteck unterm Waschbecken

Mit einem 25-jährigen Häftling bandelte die Frau zudem laut Staatsanwalt im Dezember 2012 an. Ihm soll sie vier Handys geliefert und dafür 2000 Euro bekommen haben. Außerdem habe sie ihm zwei Sicherheitsschlüssel der JVA überlassen, um Nachschlüssel anfertigen zu können. Für diesen Dienst erhielt S. angeblich 800 Euro, wobei die Frau laut dem für den Fall zuständigen Kriminalhauptkommissar keinerlei finanziellen Probleme hatte.

Die Polizei nahm die Psychologin ins Visier, nachdem unter dem Waschbecken in der Zelle eines Gefangenen die nachgemachten Schlüssel gefunden worden waren. Die Originalschlüssel hatte er in einen Teig aus zerkautem Brot gedrückt, wodurch Gussformen entstanden, in die er verflüssigten Kunststoff füllte. Die so hergestellten Schlüssel passten in Zellentüren und konnten auch zum Aufschließen der Sicherheitstüren zwischen den Gängen verwendet werden.

Fingierte Geiselnahme war geplant

Wie eine verdeckte Überwachung der Polizei ergab, planten offenbar vier Gefangene gemeinsam einen Ausbruch mit Hilfe der Schlüssel. Auch Kerstin S., deren Telefon nach einem Hinweis eines Gefangenen abgehört wurde, sprach mehrfach von Ausbruchsplänen und auch von einer möglichen "Geiselnahme" im Gefängnis. Nach dem Fund der Nachschlüssel bei einem Häftling mussten in der JVA sämtlich Schlösser ausgetauscht werden. Die Aktion dauerte drei volle Tage.

Kerstin S. war von den vier Häftlingen offenbar gezielt als Helferin ausgesucht und gefügig gemacht worden. Ein Kriminalbeamter sagte, der 25-Jährige habe die Frau "angezuckert" - er habe ihr also schöne Augen gemacht, immer wieder Geld geboten "und dazu etwas vorgejammert, bis sie einwilligte", so der Zeuge.

Die Psychologin bestritt indes, sich je auf ein Verhältnis mit dem Mann eingelassen zu haben. Sie räumte über ihren Verteidiger Alexander Eckstein lediglich zwei Handylieferungen an den Gefangenen ein. Zu dieser Darstellung passt allerdings nicht, dass sie - wie die Polizei mithörte - am Telefon völlig ausrastete, als sie erfuhr, dass der 25-Jährige das Verhältnis zu ihr beendet hatte. Am Telefon sprach S. sogar davon, dessen neue Freundin umzubringen. Als die Ermittler dies mithörten, nahmen sie S. umgehend fest. Der Prozess wird fortgesetzt.

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