Lyrik:Die Magie der Dinge

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Genauer Beobachter: Friedrich Hirschl lässt sich auf seinen täglichen Streifzügen inspirieren. (Foto: Nicole Schaller)

"Ein Rest von Blau" - der neue Gedichtband von Friedrich Hirschl feiert das Leben und seine Augenblicke.

Von Hans Kratzer, Passau

Bei der Wahl des schönsten Buchtitels der vergangenen Monate besäße der Passauer Lyriker Friedrich Hirschl gute Chancen auf den Sieg. "Ein Rest von Blau" heißt sein neuer Gedichtband, das bezaubernde Sprachbild ist seinem Gedicht "Es ist Zeit" entnommen: "... Die Zeiger der Zeit springen mich an / Über den Dächern eine Federwolke / und ein Rest von Blau."

Natürlich weckt ein solcher Titel sogleich Erinnerungen an einen blauen Himmel und an schönes Wetter, andererseits aber auch an jene Kälte, die sich gerne in der Farbe blau manifestiert. Hirschl findet seine Sprachbilder bei seinen täglichen Streifzügen durch die Wald- und Flussnatur seiner Heimatstadt Passau. Er ist ein extrem genauer Beobachter, "ich bin ganz offen für das, was mich umgibt", sagt er. Und er besitzt eine ausgeprägte Empfindsamkeit für Eindrücke, die er dann zuhause in einem Notizbuch festhält.

Wenn er spürt, dass die Zeit reif ist, fertigt er aus diesen Gedankenbildern ein Gedicht. Auch in seinem neuen Buch erweist sich Hirschl als ein Meister der pointierten Verdichtung; wie gewohnt gebraucht er kein Wort zu viel und keines zu wenig - wie etwa im Gedicht "Kind Wind": "Er spielt Wolkenpuzzle / Eine Vorlage gibt es nicht / Sein Spiel nimmt kein Ende / Mutter Sonne lächelt mild."

Die Fragen nach dem Sinn des Lebens werden drängender

Hirschls Lyrik setzt einen wehmütigen Kontrast zur Unrast, die diese Welt so sehr drangsaliert, dass viele Menschen die Magie von unscheinbaren Dinge nicht mehr wahrnehmen können und jegliche Demut vor der Schöpfung verlieren. Vor fünf Jahren ist Hirschls vorhergehender Gedichtband "Stilles Theater" erschienen. Seitdem hat sich seine Poesie leicht verändert. Nach der Lektüre der 181 Kurztexte ist festzuhalten, dass beim Autor, auch er wird älter, die Fragen nach dem Sinn des Lebens drängender werden. Gerade wenn es um die Jahreszeiten geht, um die Liebe, um die verschwindende Zeit, und nicht zuletzt um all die virtuos mit Worten eingefangenen Augenblicke.

Der Passauer Verleger Karl Stutz hatte den gelernten Theologen Hirschl einst entdeckt und seine ersten Gedichtbände verlegt. Nach dem Tod von Stutz war der Autor Hirschl heimatlos, seine Kunst lief Gefahr zu versiegen. Bis er im Lichtung Verlag in Viechtach eine einfühlsame Betreuung gefunden hat, es war ein Glücksfall für ihn und für seine Leserinnen und Leser. Auch diesmal ist dem Verlag eine sehr ansprechende Aufmachung gelungen, es macht schon haptisch Freude, das Buch in die Hand zu nehmen und das blau gehaltene Cover mit dem von der Vilshofener Künstlerin Bernadette Maier geschaffenen Bildmotiv zu betrachten. Auf diese Weise öffnet sich ein einladendes Eingangstor in das Werk, in dem Hirschl auf dem Fundament des gesunden Menschenverstands, der Ökologie und der Philosophie den Geist aufs Angenehmste anregt. Dabei kommt ihm nicht nur seine Beobachtungsgabe zugute, sondern auch sein Witz, den er dezent, aber wirkungsvoll in die Gedichte einfließen lässt.

Hirschls Lyrik setzt bei der Leserschaft kein germanistisches Hochschulstudium voraus. Die Gedichte sind für alle verständlich. Und sie schärfen die Nachdenklichkeit auf eine Art, wie sie heute selten geworden ist und wie es früher das BR-Kurzformat "Zuschauen-Entspannen-Nachdenken" so wunderbar geschafft hat. Bis man zu der Überzeugung kam, den Menschen so etwas wie Stille und lange Einstellungen nicht mehr zumuten zu können. Hirschl zählt zu den wenigen Meistern, die diese Lücke noch zu füllen imstande sind, indem er aus dem Spiel des Windes, aus den sich kräuselnden Wellen im Fluss oder aus dem Blick in Häuserschluchten wie sein Vorbild Georg Trakl große Bilder voller Sehnsucht und Melancholie zaubert.

Friedrich Hirschl: Ein Rest von Blau. Gedichte. Edition Lichtung, 192 Seiten, 19,90 Euro.

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