Gedenkort:"Es ist das erste Mal, dass ich in München lache"

Gedenkort: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (4. von links) heißt Israels Staatspräsidenten Reuven Rivlin willkommen, der – wie Steinmeier – mit seiner Frau (2. von links) gekommen war. Rechts neben dem Bundespräsidenten Ministerpräsident Horst Seehofer mit seiner Frau Karin sowie Kultusminister Ludwig Spaenle.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (4. von links) heißt Israels Staatspräsidenten Reuven Rivlin willkommen, der – wie Steinmeier – mit seiner Frau (2. von links) gekommen war. Rechts neben dem Bundespräsidenten Ministerpräsident Horst Seehofer mit seiner Frau Karin sowie Kultusminister Ludwig Spaenle.

(Foto: AP)
  • Zum Gedenken an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 haben Angehörige den Erinnerungsort im Münchner Olympiapark eingeweiht, gemeinsam mit Bundespräsident Steinmeier und Israels Staatspräsident Rivlin.
  • Steinmeier und Ministerpräsident Seehofer betonten die Pflicht, Juden in Deutschland vor Antisemitismus zu schützen.
  • Angehörige der Opfer hatten jahrzehntelang für eine Erinnerungsstätte gekämpft.

Von Martin Bernstein und Kassian Stroh

137,5 Kilogramm hat sich der Gewichtheber auflegen lassen. Drei Versuche hat Yossef Romano. Im dritten Versuch reißt die Kniesehne des israelischen Mittelgewichtlers. Die Olympischen Sommerspiele von München sind an diesem 31. August 1972 für den Sportler beendet. Am 6. September will Yossef Romano die Heimreise antreten.

Am 6. September 1972 ist Yossef Romano tot. Ermordet von palästinensischen Terroristen, die am 5. September das israelische Mannschaftsquartier an der Connollystraße gestürmt haben. Romano, wiewohl auf Krücken, wehrt sich und versucht, einem der Angreifer das Gewehr zu entreißen. Er wird niedergeschossen. Einen Arzt lassen die Terroristen nicht zu ihm. Yossef Romano verblutet vor den Augen seiner Teamkameraden.

Am 6. September 2017 steht Ilana Romano, seine Witwe, auf dem Lindenhügel im Münchner Olympiapark, nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt, an der ihr Mann starb. Zusammen mit den Angehörigen der elf ermordeten israelischen Sportler und des beim Befreiungsversuch gestorbenen bayerischen Polizisten ist sie Gast bei der Einweihung des Erinnerungsorts an das Olympia-Attentat.

Jahrzehntelang hat Ilana Romano zusammen mit Ankie Spitzer, der Witwe des ermordeten Fechttrainers Andrei Spitzer, dafür gekämpft. Es waren "Jahre der Verweigerung", sagt Romano. Sie erinnert sich daran, wie Spitzer und sie "auf Antisemitismus und Mangel an minimaler Sensibilität" stießen, ja, sogar auf den Vorwurf, die israelischen Sportler, die Opfer, hätten Terror und Krieg nach Deutschland gebracht.

Den Schmerz darüber haben die Witwen nicht vergessen. Doch Romano sagt auch: "Heute auf dem Hügel zu stehen, ist ein höchst bewegendes historisches Ereignis." Die Angehörigen seien darüber "dankbar und voller Stolz". Und Spitzer lobt die "wunderschöne, bewegende Gedenkstätte". Münchens Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, der die Spiele nach München geholt hatte, ist unter den Menschen, die Romanos Worte am Erinnerungsort hören. Er sagt, er habe den Moment als "ein Zeichen der gemeinsamen versöhnenden Trauer" empfunden.

Von gemeinsamer Trauer sprechen viele an diesem bemerkenswerten Mittwoch, und doch mischt sich in die Reden auch Empörung. Bei Reuven Rivlin zum Beispiel, dem israelischen Staatspräsidenten. Von den "verfluchten Terroristen" spricht er, seine Rede ist emotional, wenn es um seine ermordeten Mitbürger geht, sie ist klar, wenn er vom internationalen Terrorismus spricht, dem sein Staat ja in ganz besonderem Maße ausgesetzt ist: "Vom Mahnmal muss eine Botschaft ausgehen: Wir dürfen dem Terror gegenüber nicht nachgeben, er muss angeprangert werden." Rivlin fordert eine enge Zusammenarbeit aller Staaten dagegen.

Diese Entschlossenheit sagt ihm sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier genauso zu wie Ministerpräsident Horst Seehofer. Und beide betonen, dass auch das Gedenken an 1972 die Pflicht nach sich zieht, Juden in diesem Land zu schützen vor Antisemitismus in Worten oder Gewalttaten. "Wer jüdische Mitbürger bedroht, der bedroht Demokratie und Freiheit, der bedroht uns alle", sagt Seehofer. Und Steinmeier verspricht: "Nur wenn Juden in Deutschland vollkommen sicher, vollkommen zu Hause sind, ist Deutschland vollkommen bei sich." Auch Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen müssten dies zwingend anerkennen.

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