Süddeutsche Zeitung

Gedenken an Olympia-Attentat:Alle gegen Spaenle

  • Die Bewohner des Olympiadorfes sind gegen eine von Kultusminister Spaenle geplante Gedenkstätte.
  • Die Anwohner wollen sich nicht auf weitere Diskussionen einlassen.
  • Die Grünflächen sollen nach dem Willen der Anwohner erhalten bleiben, eine Erinnerungsstätte braucht nach ihrem Verständnis eine andere Form.

Von Thomas Kronewiter

Es war ein unmissverständliches Votum, das Kultus- und Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) am Montagabend aus dem Olympischen Dorf mitnahm. Die Einwohnerversammlung im überfüllten Kirchenzentrum machte nachdrücklich klar, dass der Widerstand gegen den geplanten Erinnerungsort für die Opfer des Olympia-Attentats im Olympiapark nicht bloß von einzelnen Interessengruppen organisiert wird. Vielmehr ist die gesamte Bewohnerschaft gegen eine weitere Gedenkstätte. Wenn doch eine kommen sollte, will man diese keinesfalls in den Grünzügen realisiert sehen, sondern lieber die maroden Empfangsgebäude des alten Busbahnhofs dafür verwendet wissen - vielleicht in Verbindung mit einem Gedenkpfad zu bestehenden Gedenkorten. Die entsprechenden Anträge, mit denen sich zunächst der Bezirksausschuss Milbertshofen-Am Hart und später gegebenenfalls auch die Stadt zu befassen haben, gingen im Wesentlichen einstimmig oder mit überwältigender Mehrheit durch.

Spaenle hatte der Versammlung, bei der mehrere hundert Menschen anwesend waren, keine wirklichen Neuigkeiten mitgebracht. Er warb einmal mehr für den zuletzt diskutierten Standort auf dem sogenannten Studentenhügel zwischen dem Studenten-Bungalowdorf und dem Kolehmainenweg. Im Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs gehe es darum, den Opfern ein Gesicht zu geben, Zusammenhänge im historischen Kontext zu erklären, aber auch das damalige deutsch-israelische Verhältnis und die Nachwirkungen des Attentats zu beleuchten, sagte er. Für Spaenle ist nach wie vor entscheidend, zum eigentlichen Attentatsort - dem Haus an der Connollystraße 31 - eine Sichtbeziehung zu haben.

Die Anwohner wollen keine Diskussion

Spaenles Angebot, die Anwohner in den weiteren Diskussionsprozess einzubinden, fiel bei diesen durch - bereits am 3. oder 4. Februar hätte der Minister dazu maximal 20 Anwohnervertreter einladen wollen. Der gewählte Titel der moderierten Veranstaltung "Optimierung des Projekts am Standort Studentenhügel" indes traf auf Empörung: "Wir können doch hier nicht abstimmen, dass wir kein Denkmal wollen", sagte ein Diskussionsteilnehmer, "und dann dort hingehen". Wer suche aus, welcher Olympiadörfler dort erwünscht sei, fragte ein anderer. Mit dem Ergebnis, dass Spaenle am Ende der mehr als dreistündigen Debatte das Angebot erst einmal zurückzog: "Der Workshop ist auf Null gestellt. Wir werden über das Format noch einmal sprechen."

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten mehr als zwei Dutzend Debattenredner die Argumente der Dorfbewohner zum Teil mit differierenden Akzentuierungen vorgetragen. Die Gründe für die harsche Ablehnung sind dabei vielschichtig. So begründete Haussprecherin Mona Bergmann aus dem Studentendorf die Proteste von inzwischen mehr als 1000 Studierenden mit der Nähe zum vorgeschlagenen Gedenkort. Besucher könnten den Studenten als den nächsten Nachbarn direkt ins Schlafzimmer schauen. Beleuchtung, Sicherungsmaßnahmen, Überwachung - all das bedeute Eingriffe in die Privatsphäre. Dazu komme der Verlust des grünen Vorgartens der ohnehin beengt untergebrachten Studenten.

Tatjana Eckerlein sorgte sich eher um das schleichende Zubauen der grünen Lunge. Sie untermauerte das mit einem visuellen Streifzug durch die vergangenen Jahre, mit Großprojekten wie dem Restaurant Coubertin, der BMW-Welt oder auch dem Sea-Life-Zentrum. Für die Einwohner-Interessen-Gemeinschaft (EIG) des Olympiadorfs setzt der Erinnerungsort der Tirschenreuther Architekten Brückner & Brückner eher dem Terror ein Denkmal. Jedes Gedenken muss laut der EIG-Vorsitzenden Manuela Feese-Zolotnitski die Prinzipien von Olympia und des Olympiaparks, von Freiheit und Toleranz, aufgreifen.

Informationen teilen

Eberhard Schunck von der Genossenschaft Olywelt sah das Spaenle-Konzept zwar nicht gänzlich auf dem falschen Weg, doch brauche Erinnern nicht nur einen Ort, sondern auch eine umfassende Darstellung der Geschichte. Das aber sei nicht auf dem Studentenhügel, vielleicht aber im ehemaligen Busbahnhof-Areal möglich. Rainer Bruchmann, seit 34 Jahren unmittelbarer Nachbar des Attentats-Hauses an der Connollystraße, spricht nahezu täglich mit Besuchern der Gedenktafel vor dem Attentatshaus. Erinnerung dort sei hautnah möglich, jeder könne in Ruhe einen Stein oder eine Blume niederlegen. Ein weiterer Gedenkort würde das Idyll nur stören, warnte er.

Till von Feilitzsch, ebenfalls im EIG-Vorstand, traf die Stimmung wohl am besten mit seinem Antrag, das Gedenken zu teilen: Informationen könnten demnach in einem neuen Informations-Pavillon am Standort Busbahnhof untergebracht werden, das eigentliche Gedenken dann an den vorhandenen Orten, dem Attentatshaus an der Connollystraße und dem von Fritz Koenig gestalteten Klagebalken an der Hanns-Braun-Brücke. Dass es um die Würde der vorhandenen Gedenkstätten mitunter schlecht bestellt ist, machte Monika Mühlenbeck-Krausen mit Bildern von Hula-Hoop-Reifen vor dem Klagebalken deutlich. Ihr Wunsch, die Würde dieser Plätze zu wahren, fand ebenfalls die einhellige Zustimmung der Olympiadörfler. Genauso unmissverständlich war Klaus Greilichs Formulierung: keine Versiegelung weiterer öffentlicher Grünflächen, nicht durch Wege, nicht durch Bauten.

Nach dem Abend im Olympiadorf hat es Kultusminister Spaenle nicht unbedingt einfacher, das von der Staats- und der Bundesregierung, den Familien der Attentatsopfer, der Stadt und der Israelitischen Kultusgemeinde gewünschte Projekt zu realisieren. Eine Erinnerungsstätte, die zum Frieden mahne, fand der evangelische Olympiadorf-Pfarrer Bernhard Götz, könne er sich nicht so recht vorstellen, wenn dieses im Widerspruch zur Nachbarschaft entstehe.

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Quelle:
SZ vom 14.01.2015/vewo
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