Gebäude:Braunes Erbe in der Stadt

Als ehemalige "Hauptstadt der Bewegung" und Machtzentrale der NSDAP hat München bis heute viele Gebäude und Plätze mit nationalsozialistischer Vergangenheit.

Von Jakob Wetzel

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Feierwerk:Die Baufirma

Festival "Sound of Munich now" in München, 2016

Quelle: Stephan Rumpf

Heute stehen die niedrigen, langgezogenen Gebäude an der Hansastraße für Musik und Kultur: Das "Feierwerk" ist ein Ort für Konzerte und Kunstprojekte, für Jugendliche und auch für Familien. Während des Nationalsozialismus aber gehörte die Anlage der Baufirma Leonhard Moll - und diese steht beispielhaft für eine Reihe von Münchner Unternehmen, die viel Geld mit den Nazis verdient haben. Moll etwa profitierte nicht nur von den Ausbauplänen des Regimes für die "Hauptstadt der Bewegung". Die Firma ließ auch im großen Stil Zwangsarbeiter für sich schuften. Moll war eingebunden in die paramilitärische "Organisation Todt", errichtete Rüstungsfabriken, gepanzerte Häfen für U-Boote und Bunker. In München war Moll unter anderem am Bau des Hauses der Kunst und der Nazi-Bauten am Königsplatz beteiligt. Im Jahr 1938 riss die Firma im Auftrag der Stadt die Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße ab; wenige Jahre zuvor hatte sie noch an der orthodoxen Synagoge an der Reichenbachstraße mitgebaut. An der Hansastraße unterhielt Moll 1942 ein eigenes Lager für Zwangsarbeiter.

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Prinzregentenstraße:Das Luftgaukommando

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Quelle: Catherina Hess

Unter wessen Ägide das Gebäude an der Prinzregentenstraße errichtet wurde, das heute das Bayerische Wirtschaftsministerium beherbergt, ist deutlich zu sehen: An einem Teil des Gebäudes prangen Beton-Stahlhelme über der obersten Fensterreihe. Über dem Eingang hocken zwei steinerne Adler, sie stehen für die Luftflotte der Wehrmacht. Und wer sich der Anlage von der Oettingenstraße her nähert, erblickt in den Fenstergittern der Außenmauer geschwungene Hakenkreuze.

Von 1938 bis 1945 residierte in diesem Gebäude die Münchner Verwaltungszentrale der Luftwaffe. Im sogenannten Luftgaukommando wurden nicht nur die Luftrüstung und der Luftkrieg geplant sowie die Luftabwehr koordiniert, sondern später auch die Entschärfung von Blindgängern organisiert. Diese gefährliche, oft tödliche Arbeit erledigten Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau, die zuvor notdürftig im Bombensuchen und Sprengen geschult wurden. Der wuchtige Bau, den heute der Freistaat nutzt, ist im Jahr 1938 nach Plänen von German Bestelmeyer fertiggestellt worden. Der "Reichskultursenator" lehrte an der Technischen Hochschule München, der heutigen Technischen Universität.

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Thierschstraße:Der Verlag

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Quelle: Stephan Rumpf

Wenn es einen zentralen Ort der Hetzpropaganda der Nazis gab, dann befand sich dieser an der Thierschstraße im Lehel. Hier gab der Verleger Franz Eher bis 1918 den antisemitischen Münchener Beobachter heraus. Nach Ehers Tod kaufte die rechtsextreme Thule-Gesellschaft mit dem Geld Münchner Gönner den Kleinverlag, um fortan mit ihm ihre völkischen und judenfeindlichen Schriften zu verbreiten. 1920 gingen Haus und Zeitung an die NSDAP. Aus dem Münchener Beobachter wurde das Kampfblatt der Nazis, der Völkische Beobachter, geleitet von Hitlers Weggefährten Max Amann; Redaktion und Druckerei befanden sich im Buchgewerbehaus an der Schellingstraße. Der Eher-Verlag publizierte nebenher auch Bücher führender Nazis, darunter Adolf Hitlers Pamphlet "Mein Kampf". Nach 1933 avancierte der Verlag zur Holding mit 150 Tochtergesellschaften; 1943 kontrollierte er den Großteil der deutschen Presse. 1945 wurde der Verlag verboten. Das Gebäude an der Thierschstraße beherbergt heute einen Musikalienhandel und unter anderem die russische Tolstoi-Bibliothek.

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Am Giesinger Berg:Das Freikorps-Denkmal

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Quelle: Robert Haas

Giesing galt während der Münchner Räterepublik als Hochburg der Roten, und als 1919 Regierungstruppen und rechtsnationale Freikorps die Revolution niederschlugen, da erlitten sie hier, am Giesinger Berg, herbe Verluste. Diese "Schmach von Giesing" nagte an den Nationalsozialisten - und deshalb setzten sie am Schauplatz der Gefechte den am Ende überlegenen Freikorps ein Denkmal. An der Mauer unterhalb des Schulhauses an der Ichostraße gab es zwar bereits ein Monument für den Giesinger Autoren Hermann von Schmid. Dieses aber wurde nun kurzerhand entfernt. An seiner Stelle enthüllte Nazi-Oberbürgermeister Karl Fiehler im Jahr 1942 eine zehn Meter hohe, von Ferdinand Liebermann gestaltete Reliefplastik. Sie stellte einen unbekleideten Mann dar, der mit bloßen Händen eine Schlange erwürgt. Die Nazis unterstrichen damit den Sieg über das "rote Giesing" 23 Jahre zuvor. Wie viel Eindruck sie damit auf die Giesinger machten, ist freilich unklar. Die Anwohner nannten die Skulptur schlicht den "nackerten Lackl". Das Relief wurde nach dem Krieg auf Anordnung der US-Militärregierung abgebrochen. Am noch existierenden Mauerrest befindet sich heute eine moderne Skulptur.

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Hanfstaenglstraße:Die Hakenkreuz-Häuser

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Quelle: Google Earth

Warum man ein Wohnhaus ausgerechnet mit dem Grundriss eines Hakenkreuzes errichten sollte, dafür führten die Bauherren in den Dreißigerjahren auch rationale Gründe an: Man könne so den begrenzten Platz besser nutzen, hieß es, der Bau sei außerdem günstiger und man spare Heizkosten. In Wahrheit freilich ist diese Bauform mäßig praktisch; nicht von ungefähr wurden in München vor 1933 keine Häuser mit diesem Grundriss errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg schied die Bauform ohnehin als Option aus. Heute gibt es in München neben dem hier abgebildeten Wohnhaus an der Hanfstaenglstraße im Stadtteil Nymphenburg drei weitere nach diesem Prinzip errichtete Gebäude zwischen der Donaustraße und der Eisensteinstraße in Bogenhausen. Den damaligen Bauherren ging es darum, sich beim Regime anzubiedern, nimmt Rüdiger Liedtke an - und darum, die Stadtverwaltung unter Druck zu setzen, um eine Baugenehmigung zu erhalten. Errichtet wurden die Gebäude als "Deutsche Garteneigenheime", die Pläne stammen von dem Architekten Wilhelm Schuhwerk, dem selbst eines der Grundstücke gehörte. Rüdiger Liedtke meint in "111 Orte in München auf den Spuren der Nazi-Zeit", die Häuser gehörten ins "nationalsozialistische Kuriositätenkabinett".

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Türkenstraße:Das Elser-Haus

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Quelle: Stephan Rumpf

Dieses Gebäude war auch 1939 ein Wohnhaus, so wie heute. Im September und Oktober jenes Jahres aber lebte hier, an der Türkenstraße, Georg Elser zur Untermiete. Der Tischler aus Königsbronn bei Heidenheim baute unter anderem hier an seiner Bombe, mit der er Adolf Hitler töten wollte, um den großen Krieg zu verhindern. Sterben sollte Hitler am 8. November 1939, während einer seiner traditionellen Ansprachen im Bürgerbräukeller zum Gedenken an den Hitlerputsch von 1923. Im August 1939 zog Elser nach München, er wohnte erst an der Blumenstraße, dann hier an der Türkenstraße. Mehr als 30 Mal ließ er sich nachts im Bürgerbräukeller einsperren und präparierte eine Säule neben dem Rednerpult. Den Zünder der Bombe stellte er auf den 8. November um 21.20 Uhr - doch ausgerechnet an jenem Tag verließ Hitler den Saal früher als sonst. Als die Bombe detonierte, war der Diktator fort. Elser wurde gefasst, ins KZ Dachau gesperrt und am 9. April 1945 erschossen. Seit 1997 erinnert an der Türkenstraße der Georg-Elser-Platz an ihn; seit 2009 gibt es eine Gedenkstätte mit Lichtinstallation.

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Luitpoldpark:Der Schuttberg

Luitpoldhügel in München, 2018

Quelle: Stefanie Preuin

Unter diesem Berg, dem Luitpoldhügel, liegt ein Teil des alten München begraben. Auf die Stadt sind in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs Abertausende Brandbomben und Sprengsätze niedergegangen; bis heute werden bei Bauarbeiten immer wieder Blindgänger im Boden gefunden. Denn München war nicht nur als Standort vieler Rüstungsbetriebe, sondern auch als "Hauptstadt der Bewegung" der Nationalsozialisten ein zentrales Angriffsziel der alliierten Bomber. Im Jahr 1945 war jedes zweite Gebäude in der Stadt zerstört. Den Luitpoldhügel gab es damals noch nicht. Der 1911 zu Ehren von Prinzregent Luitpold angelegte Luitpoldpark war ursprünglich weitgehend eben. Nach dem Krieg aber brachten die Münchner den Schutt ihrer Häuser hierher und türmten den Luitpoldhügel auf, ebenso wie etwa am Sendlinger Isar-Hochufer den Neuhofener Berg oder auf dem Oberwiesenfeld den heutigen Olympiaberg. Seit 1958 mahnt auf der Spitze des Luitpoldhügels in 37 Metern Höhe ein Gipfelkreuz: "Betet und gedenket all der unter den Bergen von Trümmern Verstorbenen."

© SZ vom 18.12.2018/vewo
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