Süddeutsche Zeitung

GBW-Mieter in München:Verkauft und nichts verraten

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Seit dem Verkauf der GBW an ein privates Konsortium reißen die Vorwürfe gegen das Wohnungsunternehmen nicht ab. Ein Mieter aus Puchheim will jetzt in einem Musterprozess herausfinden, wer sein Vermieter ist.

Von Ines Alwardt, Puchheim

Jean-Marie Leone will wissen, mit wem er es zu tun hat. Seit knapp fünf Jahren wohnt der 42-Jährige mit seiner Partnerin und ihren zwei Kindern in einer GBW-Wohnung in Puchheim. 78 Quadratmeter, kein Luxus, aber ruhig. Eigentlich war Leone bisher zufrieden, auch mit den Vermietern: "Wenn was war, konnte man sich an die GBW wenden und die haben sich auch drum gekümmert."

Nur seit die Bayern LB ihre Wohnimmobilientochter im vergangenen Jahr an ein Konsortium der Augsburger Immobilienfirma Patrizia verkauft hat, hat der Versicherungskaufmann keine Ruhe mehr. Zahlreiche Mieterhöhungsschreiben und Briefe hat er bekommen, die GBW sei viel aggressiver und konfuser geworden, sagt er. Aber gegen wen er sich in solchen Fällen wehren muss, weiß Leone nicht. "Wem die GBW gehört, das ist ja noch die große Frage." Deshalb zieht er jetzt vor Gericht.

Klarheit über die Rechte

Es ist ein Prozess, der allen GBW-Mietern Klarheit über ihre Rechte verschaffen könnte. Zusammen mit dem Münchner Mieterverein klagt Leone gegen den Freistaat Bayern und die Bayerische Landesbank; im März haben sie den Schriftsatz eingereicht, im Herbst sollen die beiden Prozesse beginnen. Leone fordert Einsicht in die Verwaltungsakten und den Kaufvertrag der GBW. Der Familienvater will Klarheit: Wem gehört die GBW? Welche Rechte hat er als Mieter? Und welche Rolle hat der Freistaat beim Verkauf gespielt? Bekannt ist bisher, dass die Landesbank die GBW veräußert hat, um dem Freistaat einen Teil seiner zehn Milliarden Euro hohen Unterstützung zurückzuzahlen.

Beatrix Zurek sagt: "Die GBW ist für uns bisher eine Art Black Box". Man hört von Sparkassen, Pensionskassen und Versicherungen, die hinter dem Konsortium stecken könnten, sicher ist nichts davon. Von der Musterklage erhofft sich die Vorsitzende des Münchner Mietervereins Informationen darüber, "mit wem wir eigentlich verhandeln". Unklar sei bisher, wer mit wem den GBW-Kaufvertrag überhaupt geschlossen habe und welche Verpflichtungen die GBW und der Erwerber eingegangen seien.

Sozialcharta als "Augenwischerei"

Klar ist für Zurek bisher nur: "Die sogenannte Sozialcharta ist aus unserer Sicht weiße Salbe." Laut GBW soll diese Vereinbarung die Mieter schützen - vor Kündigungen, Luxussanierungen und Mieterhöhungen. Auch sieht sie "substanzielle Vertragsstrafen" vor, wenn sich der Vermieter nicht an die Vereinbarungen hält. Nur: Wie hoch diese sind, weiß niemand. Zurek nennt die Sozialcharta "Augenwischerei". Luxussanierungen in einem GBW-Objekt seien beispielsweise nur gegeben, wenn man in diese Wohnungen goldene Wasserhähne und Pools einbauen würde. "Es zieht nie jemand in diese Objekte ein, der bereit wäre, die entsprechenden Beträge zu zahlen. Wenn Sie im Hasenbergl eine Anlage aufmörteln, geht da nicht der Bogenhausener Mieter rein", sagt sie.

Etwa 8000 Wohnungen gehören der GBW allein in München, pro Jahr darf sie 1500 des Gesamtwohnungsbestandes verkaufen. Laut Zurek so viel, "wie ein Konzern in einem Jahr gerade schafft". Jean-Marie Leone hat schon überlegt auszuziehen. Eigentlich fühlt sich die Familie in der Wohnung in Puchheim sehr wohl. "Aber dauerhaft", sagt er, "werden wir hier wohl nicht bleiben können."

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Quelle:
SZ vom 28.07.2014
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