Als die letzte deutsche Ausgabe des Gault & Millau vor zwei Jahren erschien, ging bereits eine der begehrten Sonderauszeichnungen an eine Münchner Spitzenköchin: Sigi Schelling vom Werneckhof wurde damals zur „Aufsteigerin des Jahres“ gekürt. In der neuesten Ausgabe des Restaurantführers, die am Montagnachmittag in München präsentiert wurde, erhält nun Rosina Ostler, Küchenchefin in Dallmayrs Fine-Dining-Restaurant Alois, die Auszeichnung „Entdeckung des Jahres“.
Wobei „Aufsteigerin“ und „Entdeckung“ Kategorien sind, die beiden Frauen nicht ganz gerecht werden. Denn wie Schelling, die zum Zeitpunkt der Auszeichnung Mitte Vierzig und schon einige Jahre im Geschäft war, hat die 32-jährige Ostler bereits eine beachtliche Karriere hinter sich. Die gebürtige Münchnerin studierte zunächst an der University of Gastronomic Scienes im italienischen Pollenzo, schrieb ihre Masterarbeit über die Geschichte des Fine Dining.

Danach setzte sie ihr Theoriewissen mit einer Kochlehre im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn in die Praxis um, wo sie es bis zur Chef de Partie in der Schwarzwaldstube brachte. Nach Zwischenstationen in Berlin ging Ostler 2021 nach Oslo und stieg im Maaemo bis zur Küchenchefin auf. Vor gut einem Jahr kehrte sie nach München zurück und löste Max Natmessnig im Alois ab, der überraschend seinen Weggang nach New York angekündigt hatte.
Seither lässt Ostler sowohl die Tradition der französischen Haute Cuisine als auch die Ästhetik der Nordic Cuisine in ihr Menü einfließen, das aktuell am Abend aus nicht weniger als 16 Gängen besteht. Trotzdem soll sie, anders als vielen ihrer Kollegen nachgesagt wird, nie hitzig oder gar cholerisch werden. Ihre innere Ruhe wolle sich Ostler bewahren, trotz der steigenden Erwartung, die mit vier schwarzen Hauben vom Gault & Millau und zwei Sternen vom Guide Michelin einhergehen. „Druck von außen kann ich ganz gut ausblenden“, sagt sie nach der Zeremonie im Gespräch mit der SZ.
Der Gault & Millau bezeichnet Ostler in der Laudatio als „Ausnahmetalent“, deren „eigenständiger und Tapas-orientierter Stil“ sich vor allem durch Vielfalt auszeichne. Vielleicht wäre sie schon im letzten Jahr vom Guide „entdeckt“ worden, doch führte ein Rechtsstreit zwischen dem deutschen Lizenznehmer Henris Edition und dem Lizenzgeber von Gault & Millau dazu, dass 2024 keine deutsche Ausgabe erschienen ist. Ostler selbst findet schon, dass sie noch als „Entdeckung“ durchgehen kann: „Es ist ja meine erste Küchenleitungsposition in München und nach Oslo fühle ich mich in der deutschen Szene generell noch recht neu. Deswegen freue ich mich sehr über die Auszeichnung.“
Neben der „Entdeckung des Jahres“ für Ostler gehen noch zwei weitere Sonderauszeichnungen nach München: Bobby Bräuer wird für sein Lebenswerk geehrt und Kilian Skalet ist „Gastgeber des Jahres“. Bräuer hatte im Spätsommer verkündet, Käfers Esszimmer in der BMW-Welt nach zwölf Jahren verlassen zu wollen. Nach seiner Lehre bei Otto Koch kochte er unter anderem in der Schweizer Stuben, im Aubergine bei Eckart Witzigmann und als Küchenchef im Königshof.

Im Petit Tirolia in Kitzbühel wurde er vom Gault & Millau Austria 2012 als „Koch des Jahres“ ausgezeichnet, ehe er ein Jahr später in seine Heimatstadt München zurückkehrte. In der Ehrung für sein Lebenswerk heißt es: „Bobby Bräuers Küche ist dank seiner schwerelosen Souveränität, wie sie nur ganz großen Ausnahmeköchen zu eigen ist, ganz einfach zeitlos.“ In seiner Dankesrede stellt der 63-Jährige klar: „Ich gehe nicht in Rente! Auf den ein oder anderen Weg werde ich weitermachen.“ Später beim Empfang fügt er hinzu, dass er für das kommende Frühjahr „mindestens drei Pop-up-Events“ geplant habe, für die er an den Herd zurückkehren wolle.
Der „Gastgeber des Jahres“ Kilian Skalet leitet das Service-Team in Jan Hartwigs Restaurant Jan. Der 35-jährige Regensburger ließ sich in der Oberpfalz zum Koch ausbilden, danach in der Überfahrt am Tegernsee zum Restaurantfachmann und erwarb eine Qualifikation zum Sommelier. „Gut gelaunt, voller Energie und mit schnellem Schritt begleitet er behutsam und mit wachem Blick seine Gäste“, erklärt der Gault & Millau.

Skalet selbst zeigt sich völlig überrascht von der Auszeichnung. „Er dachte wahrscheinlich, dass er bloß für mich als Begleitung dabei ist“, scherzt Chef und Kollege Jan Hartwig nach der Verleihung. „Sonst sind es immer wir Köche, die geehrt werden, aber ohne ihn könnte ich meine Arbeit so nicht machen.“ Die Gäste schätzten vor allem Skalets Nahbarkeit, führt Hartwig aus, er selbst den Austausch auf Augenhöhe, nachdem Skalet selbst eine Kochausbildung hat. „Er hat es absolut verdient“, findet Hartwig.

Skalet war von Anfang an dabei, als sich Jan Hartwig 2022 mit seinem eigenen Restaurant Jan selbstständig machte. Und auch das gewinnt in diesem Jahr dazu: Mit der Höchstprämierung von fünf roten Kochhauben gehört es nun zu den fünf besten Restaurants Deutschlands. Hierzulande vergibt der Gault & Millau eine bis fünf Kochhauben: eine für „sehr empfehlenswert“, fünf als „Höchstnote für die weltbesten Restaurants“. Sind die Kochhauben noch dazu rot statt schwarz, handelt es sich um ein in seiner Kategorie herausragendes Restaurant.


Insgesamt sind im neuen Guide 53 Lokale aus München gelistet, davon neun Neuzugänge. Erstmals dabei sind das Komu (Küchenchef Christoph Kunz), Jürgen Wolfsgrubers Tschecherl in der Amalienpassage und dort schräg gegenüber das japanische Restaurant Sansaro. Alle drei wurden mit drei schwarzen Hauben ausgezeichnet. Die Brasserie Cuvilliés im Hotel Rosewood ist mit zwei schwarzen Hauben eingestiegen, das Johannas in Großhadern mit einer roten. Eine schwarze Haube und zusätzliche Würdigungen für herausragende Weinselektionen gehen erstmals ans Guido Al Duomo, ans Mas-Tava, ans Restaurant Museum und an die Neo-Brasserie Hoiz.