Georgenhof:Aufhören geht nicht, ist zu gut

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Georgenhof-Geschäftsführerin Melissa Lamy (Mitte) herzt ihre beiden Mitarbeiterinnen. (Foto: Robert Haas)

Der Georgenhof an der Nahtstelle zwischen der Maxvorstadt und Schwabing überzeugt mit guter bayerischer Küche. Die Speisen sind frisch, die Bedienungen zuvorkommend. Und wenn der Kaiserschmarrn mal anbrennt, geht er aufs Haus.

Von Iwan Lende

Rabäh! Wir hatten einen Tisch für zwölf Leute bestellt, dann hatten nur acht Platz. Rabäh! Wir waren draußen im Biergarten und haben eine Stunde aufs (kalte) Essen gewartet. Rabäh! Der Kellner war sauunfreundlich. Rabäh! Das Bier war schlecht eingeschenkt und der Wurstsalat viel zu sauer. Rabäh, rabäh, rabäh!

Das über die Jahre gesammelte Geschrei ist Anlass genug, dem Georgenhof mal einen kritischen Besuch abzustatten. Noch dazu hat dieses Gasthaus eine zu der geschichtsträchtigen Umgebung passende Geschichte (Kandinsky und Münter nächtigten hier) und liegt an der Naht zwischen der uni-bunten Maxvorstadt und dem edlen Wohnviertel Südwestschwabing. Die namensgebende Georgenstraße fungiert ja als offizielle Trennungslinie.

Dass der Georgenhof die Friedrichstraße als Adresse führt, mag ein Fingerzeig sein auf die Klientel, die eher vom Hohenzollernplatz kommt als von der quirligen Türkenstraße. Was nun das Rabäh! angeht, so sei vorneweg festgestellt: Es gibt keinen Anlass für derartigen Klagelärm. Man könnte fast sagen, es sei Jubel angebracht. Zumindest aber satte Zufriedenheit bei Iwan Lende und Gästen.

Sättigende Magenöffner

Münchens bayerisch gefärbte Gastronomie schwankt ja zwischen lärmender Hofbräuhaus-Derbheit, Fraunhofer-Charme und Dingsbumsegger-Massentauglichkeit. Als könne sie sich nicht entschließen, ob es nun Schweinebraten oder Schweinsbraten heißt und statt saurer Nierchen das weltläufigere Zanderfilet auf die Speisekarte kommt. Da macht nun der Georgenhof, seit 2008 in neuem Renovierungsglanze außen und innen strahlend, keine echte Ausnahme, garniert dieses Lavieren aber mit feinem Außenrum, zum Beispiel bei den Vorspeisen.

Da gibt es für 3,50 Euro aufwärts ein Bio-Holzofenbrot vom Bäcker Brotraum aus der Herzogstraße. Hier sind die dicken, röschen Riesenscheiben mit italienischem Schinken oder Leberwurst oder Käse bedeckt, die Salatgarnierung dient nicht nur der Optik, sondern schmeckt; und wer so ein Stück verdrückt hat (aufhören geht nicht, ist zu gut), hat hinterher Probleme mit dem Hauptgang; von wegen Magenöffner.

Vielleicht gleich mal eine Bemerkung zum Thema Freundlichkeit. Gewiss, man trägt hier, wie in manchen Bayern-Apo(kata)strophenkneipen, so etwas wie Dirndl und Lederhose. Aber das Personal zeigt große, routinierte Zuneigung dem Gast gegenüber, die manchmal sogar in echte Gastrotugenden lappt. Es sei, sagte zum guten Beispiel der Herr Ober am Ende eines Essabends, der schon lange bestellte Kaiserschmarrn leider angebrannt. Er bitte um Geduld. Der Koch brutzle gerade einen neuen. Und der "geht natürlich aufs Haus". So etwas, muss man sagen, hat man schon länger nicht mehr erlebt in der Stadt.

Fast alles wird frisch zubereitet

Und es ist dieser Kaiserschmarrn (8,50 Euro) Indiz für eine Tugend, die auch nicht mehr alltäglich ist: dass wirklich alles, was möglich ist, frisch zubereitet wird. Das gilt für das zarte Saiblingsfilet (17,50) genauso wie für die Hühnerbrust (Bio) in Zitronensoße, auch wenn sie eine leichte Tendenz zur Trockenheit in sich trug. Die Ente - es wird gefragt, ob man eine viertelte oder halbe wolle, man sollte die kleine Version nehmen - ist natürlich von langer Hand vorbereitet, bleibt aber saftig bis in die letzte Faser.

Der Schweinsbraten mit "s" aus Niederbayern (10,90) war vielleicht nicht die Sensation, löste aber angesichts des Wiener Schnitzels (16,90) gegenüber wieder einmal die Diskussion aus über den Unterschied zwischen "Wiener" und "Wiener Art". Denn Lende hatte unlängst im legendären Café Mozart unweit des Burgtheaters seinen Nachbarn Wiener Schnitzel essen sehen und sich gewundert, wieso bei diesem wagenradgroßen Stück so viel Panade übrig blieb. Hier im Georgenhof fand er die Antwort: Das Verhältnis Fleisch zu Teig ist ungewöhnlich für jemanden, der sonst mit einem guten Stück Oberschale vom glücklichen Schwein das Schnitzel brät und faseriges Kalb nicht so schätzt.

Vollstmundiges Lob dagegen für das Roastbeef mit Röstkartoffeln (14,50) und auch den gar nicht trockenen Bonito (12,50), jenen Fisch, den Hemingway gerne gefangen hat, wenn gerade kein blauer Marlin hergegangen ist, und der deswegen für ein Wirtshaus in München eher untypisch ist. Und weil die Saison gerade beginnt, war natürlich auch ein Hirschpfeffer (17,50) fällig, ebenfalls angenehm zart, aber dem Geschmack nach vielleicht nicht im tiefen Wald geschossen, sondern von der Farm.

Getrunken wird natürlich Bier, gepflegtes Augustiner. Wer beim Wein den Grünen Veltliner (5,90 für 0,2) wählt, kann sich da ebenso fest trinken wie beim Primitivo Jahrgang 2011 von der Halbinsel Salento (5,80). Die Schnäpse vom Lantenhammer am Schliersee sind nicht billig, aber ebenso wenig zu verachten. Nur blöd, sagen Lende und die seinen, dass man noch Auto fahren muss. Rabäh!!!

© SZ vom 17.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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