Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Volle Möhre

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Sechs Köche mit insgesamt acht Michelin-Sternen kochen im Restaurant Tian sechs Gänge für anspruchsvolle Freunde vegetarischen Essens

Von Franz Kotteder

"Na, da hat er sich aber nicht gerade verkünstelt!", möchte man sagen, als der zweite Gang auf den Tisch kommt: eine klare Brühe, darin zwei eher kleine Tortellini. "Geräucherte Schalotten, Birne, Parmesan" heißt das Gericht von Bobby Bräuer aus dem Esszimmer der BMW-Welt. Nach dem ersten Löffel aber weiß man sofort, warum Bräuer seine zwei Sterne im Michelin hat. Was da so einfach aussieht, ist in Wirklichkeit ein Meisterstück im Zusammenspiel der Aromen und Geschmacksnuancen. Nichts ist aufdringlich und allzu hervorstechend, der Geschmack von Birne und Parmesan mit einem Hauch von Curryergänzt sich wechselseitig perfekt.

Gerade weil der Gang so unspektakulär daherkommt, ist er der beste des Abends. Und das will schon etwas heißen, denn bei den "Green Chefs" im vegetarischen Edelrestaurant Tian am Viktualienmarkt kochen am Sonntagabend sechs Stars der Branche. Chefkoch Christoph Mezger hat sie eingeladen, mit ihm zusammen ein sechsgängiges vegetarisches Menü zu kochen. Alle fünf haben mindestens einen Stern im Guide Michelin, drei sogar zwei. Einer davon ist Mezgers älterer Bruder Steffen, er war früher im Atelier des Bayerischen Hofs Küchenchef und ist es jetzt in der Residenz Heinz Winkler in Aschau. Er ist dabei mit "Biospargel aus dem Marchfeld mit Bergkäse und Sauerklee", eine der Hauptspeisen des Menüs. "Wegen dieser Veranstaltung hier", flunkert er, "haben wir extra unser Aschauer Promi-Golfturnier ausfallen lassen." Familie geht vor.

Die anderen drei Küchenchefs haben mit der beruflichen Laufbahn Mezgers zu tun. Mit Sebastian Wiese hat er im Restaurant Amtshaus Ailringen gekocht, Wiese ist dort jetzt Chef und nennt sein Gericht "Volle Möhre", weil das "ein Sinnbild für unsere gemeinsame Zeit ist". Was die 59 Gäste des Abends rätseln lässt, wie das wohl zu verstehen sei. Sie müssen es recht bunt getrieben haben, denn Wiese verwendet gelbe, orange und violette Karotten nebst Hafersahne, jungem Lauch und Kreuzkümmel. Mit Karotten hat es auch Oliver Heilmeyer vom Restaurant 17fuffzig im Spreewald, bei ihm gibt es Rote Beete mit einem Stampf von Sommermöhre. Christoph Rainer vom Tigerpalast Frankfurt servierte vorneweg allerlei Küstengewächse von der falschen Seegurke bis zum Algenrahm. Und Christoph Mezger selbst? Der beschränkt sich vornehm auf die Desserts, die ohnehin zu den Höhepunkten des Tian zählen und Gott sei dank wesentlich üppiger ausfallen, als es der Titel "Himbeere, Cocos, Schokolade, Estragon" vermuten lässt.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2016
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