Gastronomie in München:Weg von der Boazn

Gastronomie in München: Die Münchner Brauereien gehen neue Wege. Statt auf Trinkstüberl setzen sie auf schmucke Wirtshäuser so wie Augustiner mit dem "Gasthaus Isarthor".

Die Münchner Brauereien gehen neue Wege. Statt auf Trinkstüberl setzen sie auf schmucke Wirtshäuser so wie Augustiner mit dem "Gasthaus Isarthor".

(Foto: Stephan Rumpf)

"Qualität statt Quantität": Die Münchner Brauereien wollen das Image ihrer Marken aufwerten und verwenden viel Geld darauf, ihre Wirtshäuser herauszuputzen. Für die traditionellen Boazn könnte diese Geschäftsstrategie das Ende bedeuten.

Von Astrid Becker

Rückläufiger Bierkonsum und Preiskampf auf dem Markt sind auch in der Münchner Brauwelt beherrschende Themen. Die hiesigen Brauer haben allerdings ein ganz besonderes Heilmittel gegen diese Probleme für sich entdeckt: Gehobene bayerische Gastlichkeit. Sie investieren neuerdings immer häufiger Millionenbeträge in die Sanierung oder in die Neuentwicklung schmucker Wirtshäuser in der Stadt. Für die sogenannte getränkeorientierte Gastronomie haben sie allerdings weitaus weniger übrig. Der Grund: Für die Brauer sind Eck- und Stehkneipen als Umschlagplatz für Bier selbst in einem attraktiven Ballungsraum wie München wirtschaftlich uninteressant geworden.

Ob für das Paulaner-Bräuhaus am Kapuzinerplatz, den Donisl am Marienplatz, die Fahrgaststätte Obermenzing von Hofbräu, die ehemalige Münchner Haupt, die heute "Augustiner Schützengarten" heißt, oder das "Tegernseer im Tal" - die Brauereien, aus dem Stadtgebiet wie aus dem Umland, geben derzeit riesige Summen aus, um ihre Münchner Lokale fein herauszuputzen. Anreize für diese Investitionen in Millionenhöhe liefert weniger die wachsende Leidenschaft der Gäste für regionale Küche, sondern mehr der harte Wettbewerb, dem die Brauer ausgeliefert sind.

Früher rieben sich die Brauereien im "Häuserkampf" auf

Der zunehmende Preiskampf und der massive Verdrängungswettbewerb im Handel bereiten ihnen schweres Kopfzerbrechen. Denn der Handel ersinnt immer neue Preis- und Rabattaktionen, um Menschen zum Kauf von Bier und anderen Getränken zu bewegen. Im Interesse der Brauereien ist dies jedoch nicht.

Vor allem die Münchner Bierproduzenten wollen ihre Marken als ganz besondere "Premiumprodukte" auf dem Markt positioniert sehen, auch um im Export hohe Preise erzielen zu können. Billigangebote passen da nicht in ihr Konzept. Einfluss auf den Handel nehmen können sie aber auch nicht: Preisabsprachen zwischen Brauereien und Händlern sind strikt verboten.

Deshalb setzen sie in ihrem zweiten Absatzmarkt, in der Gastronomie, zunehmend mehr auf "Qualität statt Quantität", wie es der Geschäftsführer von Spaten-Franziskaner und Vorstand von Löwenbräu Günter Kador formuliert: "Da haben wir in der Vergangenheit viele Fehler gemacht", sagt er. Früher hätten die Brauer nur eines im Sinn gehabt: möglichst an vielen Stellen in der Stadt Bier unters Volk zu bringen. Die Folge sei ein regelrechter Häuserkampf der hiesigen Brauereien gewesen. Ziel dieses Brauerkrieges war es, mit mehr gastronomischen Objekten punkten zu können als die ortsansässige Konkurrenz.

Diese Zeiten sind Kador zufolge jedoch vorbei. Heute sei es für die gesamte Brauindustrie unumgänglich, strikte Qualitätsmaßstäbe in der Gastronomie anzulegen - und sich notfalls auch von gastronomischen Objekten zu trennen, die diese Maßstäbe nicht mehr erfüllen können. Gerade sein Mutterkonzern AB Inbev - zu dem heute Spaten, Franziskaner und Löwenbräu gehören - musste sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, kein Interesse an der hiesigen Gastronomie zu haben. Zu Unrecht, wie er meint: "Wir haben weitaus höhere Marktanteile in der Gastronomie als im Handel - und daher geben wir auch mehr Geld für die Gastronomie aus als für Werbung und Verkaufsförderung."

Gut geführte Wirtshäuser stärken das Markenimage

Das mag so richtig sein. Aber anders als früher steht heute der wirtschaftliche Erfolg einer Gaststätte weitaus mehr im Vordergrund als früher. Die Umsatzzahlen müssen ebenso den Vorgaben einer Brauerei entsprechen wie die Professionalität seines Betreibers.

Dabei ist keineswegs nur von der Zahl der verkauften Hektoliter Bier die Rede. Denn den Brauereien ist der rückläufige Bierkonsum im Inland durchaus bewusst. Sie sehen allerdings in der gehobeneren bayerischen Gastronomie, die gutes Essen in Kombination mit gepflegtem Trinken verkauft, eine Chance, diesen Trend zumindest einzudämmen.

"Wenn die Menschen einen schönen Abend in einem unserer Wirtshäuser verbracht haben, an dem einfach alles stimmte, gehen sie nach Hause und greifen auch im Handel gern nach unserem Bier - einfach um das Erlebte noch einmal daheim nachzuempfinden", sagt auch der Geschäftsführer von Paulaner und Hacker-Pschorr, Andreas Steinfatt. Deshalb gibt es seit Jahren in der Paulaner-Gruppe auch ein spezielles Schulungsprogramm für die Betreiber von Lokalen, die Seminarreihe "Erfolgreiche Wirte".

Denn ein Grundgedanke hat sich auch dort durchgesetzt: Gut geführte Wirtshäuser bringen nicht nur Geld, sondern stärken das Image der eigenen Marke. Deshalb geben Hacker-Pschorr und Paulaner auch hohe Summen für die Sanierung und Neugestaltung ihrer Lokale aus - den Donisl am Marienplatz etwa, oder das Bräuhaus am Kapuzinerplatz.

Die Brauerei trennt sich auch mal von einem ganzen Haus

Bei Hofbräu sieht man dies ähnlich. Die mit etwa 300.000 Hektolitern Bierausstoß kleinste aller großen Münchner Brauereien besitzt derzeit noch acht eigene gastronomische Immobilien in München und Umgebung, zudem hat sie noch zwölf weitere Objekte angepachtet. Eigenen Angaben zufolge hat Hofbräu in den vergangenen vier Jahren jährlich vier Millionen Euro allein in die eigene Gastronomie investiert - zum Beispiel 2012, als allein 2,4 Millionen Euro in den Umbau der Fahrgaststätte Obermenzing gesteckt wurden. Aus gutem Grund, wie dort zu hören ist: Es gehe vor allem darum, das Image der Marke auch im Kerngebiet der Brauerei zu stärken. Zudem könne man im Handel hierzulande kein Geld mehr verdienen, nur mehr im "Erlebnis Gastronomie".

Auch Augustiner wird nicht müde, sich neue Gasthäuser anzuschaffen. Ob zu kaufen oder zu pachten: Geschäftsführer Jannik Inselkammer will offensichtlich mit seinem Münchner Wirtshaus-Konzept Präsenz in allen Stadtteilen zeigen. Er selbst will sich dazu grundsätzlich nicht äußern. Einen Punkt räumt er allerdings ein: Gegebenenfalls erfolge das Bemühen um diese Art der Gastronomie auch durch den Verkauf von Objekten. Eines der jüngeren Beispiele dafür dürfte das einstige "Laab" in der Senftlstraße sein. Hier hat sich Augustiner nicht nur von der Kneipe getrennt, sondern gleich vom ganzen Haus - zum Bedauern vieler Anwohner.

Doch Augustiner ist nicht die einzige Brauerei, die Kneipen abstößt. Auch die Country-Musikbühne "Oklahoma", zu Spaten gehörend, in der Schäftlarnstraße, deren Wirt Ali Suchy vor kurzem überraschend gestorben ist, wird es künftig wohl nicht mehr geben. Was daraus werden wird, ist derzeit zwar noch unklar. Eine Gastronomie ist es aber wohl eher nicht. Denn die Brauerei als Verpächterin hat bereits zwei gewichtige Gegenargumente zur Hand: Zu viel Ärger mit den Anwohnern und zu wenig Umsatz.

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