Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Fast wie auf der Wiesn

Das Wirtshaus Zum Stiftl wird mit großem Pomp eingeweiht

Von Franz Kotteder

Viel hätte ja nicht gefehlt, genau genommen fast nur ein 200-Liter-Fass voller Bier, dann hätte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schon mal exakt einen Monat vorher den Wiesn-Anstich proben können. Denn zur offiziellen Einweihung des neuen Wirtshauses Zum Stiftl im Tal waren am Donnerstagvormittag praktisch alle gekommen, die in der Münchner Gastronomie und auf der Wiesn etwas zu sagen haben. Kein Wunder, schließlich ist Wirt Stefan Stiftl der Sohn von Lorenz Stiftl, dem Sprecher der Innenstadtwirte sowie der kleinen Wiesnwirte, und so kamen 200 Ehrengäste aus der Branche zusammen. Vom Vorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbands, Conrad Mayer, bis hin zu Toni Roiderer, dem ehemaligen Sprecher der großen Wiesnwirte, und Christian Schottenhamel, einem der beiden jetzigen, war die Gastro-Prominenz gut vertreten.

Nicht weniger als sieben Redner traten an, die finale Eröffnung des Wirtshauses, das schon seit Mai in Betrieb ist, gebührend zu würdigen. Und zwar so, wie sich das an einem solchen Ort gehört, mit allerlei lustigen Anspielungen und Frotzeleien in Richtung des Wirts. Oberbürgermeister Reiter freute sich besonders über den Sinnspruch an der Wand: "Wirtshaus ist da, wo man den Bauch nicht einziehen muss" und darüber, dass Gregor Lemke vom Augustiner Klosterwirt als stellvertretender Vorsitzender der Innenstadtwirte bekannt hatte, er habe keinerlei Ambitionen, Wiesnwirt zu werden. "Das hab' ich mir gleich aufgeschrieben", so Reiter, "Wirte, die nicht auf die Wiesn wollen, gibt es nicht sehr viele." Reiter, Anhänger des FC Bayern, wünschte dem 1860-Stadiongastronomen Lorenz Stiftl noch viel Erfolg "beim Catern - beim Sport ist's ja noch ausbaufähig". Das wiederum verleitete Sechziger-Fan und Pfarrer Rainer Maria Schießler dazu, den OB aufzuziehen: "Da kommt der Reiter mit einem blauen Jopperl hier herein! Wenn, dann bitte mit einem knallroten!"

Schießler sprach das Gebet zur kirchlichen Weihe, gefolgt von einem gemeinsamen Vaterunser, und besprengte die Gasträume sowie das Publikum mit Weihwasser aus dem Masskrug, in Ermangelung eines anderen Gefäßes. In den Genuss des Segens kamen so auch Hacker-Pschorr-Vorstand Andreas Steinfatt, dessen Brauerei das Bier in die neue, brauereifreie Stiftl-Wirtschaft liefern darf, sowie die Augustiner-Vorstandschefs Martin Leibhard und Werner Mayer, die auch gerne Bier in schöne bayerische Wirtschaften liefern. Auch die Brauereichefs konnten aber nicht klären, warum der Bierpreis im Tal so niedrig ist, ein paar hundert Meter weiter, beim Vater Stiftl in der Rosenstraße beim Spöckmeier aber so hoch. Steinfatt vermutete, es handele sich "um Transportkosten, weil's zum Spöckmeier den Hügel hinaufgeht".

Wirte-Veteran Richard Süßmeier, einer der Vorgänger von Lorenz Stiftl als Spöckmeier-Wirt, wünschte dem Jungwirt nicht nur angesichts solcher Spekulationen, "viel Gelassenheit" und war "dankbar, dass es hier jetzt ein bayerisches Wirtshaus gibt. International ist das Tal ja eh, was dieser Tage allerdings noch fehlt, ist ein Eskimo-Stüberl."

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Quelle:
SZ vom 24.08.2018
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