Gastronomie:Der Pizza-und-Pasta-Tycoon

Gastronomie: Andere Gastronomen machen Restaurants, die ihnen gefallen, und hoffen dann, dass das Publikum ihre Vorlieben teilt. So würde Karl Rieder nie vorgehen.

Andere Gastronomen machen Restaurants, die ihnen gefallen, und hoffen dann, dass das Publikum ihre Vorlieben teilt. So würde Karl Rieder nie vorgehen.

(Foto: Catherina Hess)

Karl Rieder kam vor 35 Jahren als junger Mann aus dem Pustertal nach München und baute ein kleines Imperium aus italienischen Restaurants auf. Heute gehören dazu 13 Lokale, und jedes ist ein bisschen anders.

Von Franz Kotteder

Was wäre das nicht für eine märchenhafte, rührende Erfolgsgeschichte: Südtiroler Bergbauernbub mit sieben Geschwistern, der seinen Vater mit vier Jahren früh verlor und bei den Großeltern aufwuchs, wird Großgastronom in München. Ein Pizza-und-Pasta-Tycoon, dem mittlerweile nicht weniger als elf Restaurants und zwei Cafeterias gehören. Doch von seiner Herkunft erzählt Rieder erst ganz am Schluss des Gesprächs und fast beiläufig. Immerhin könnte man ja, wenn man schon nicht angeben will damit, zumindest stolz sein auf das Erreichte. Aber falls dem so ist, lässt sich das Karl Rieder nicht anmerken.

Er, der naheliegenderweise auch immer mal wieder Carlo genannt wird, ist die Zurückhaltung in Person. Das ist nicht normal in der Münchner Gastro-Szene, in der ein Barbesitzer wie Charles Schumann zur Kino-Ikone seines Berufsstandes werden kann, Promi-Wirte wie Ugo Crocamo selbst Prominente sind und ein Starkoch wie Alfons Schuhbeck längst mehr Star ist als Koch.

Sich zurücknehmen, das gehört aber auch zum Erfolgsrezept von Karl Rieder. Er bleibe ganz gerne in der zweiten Reihe, meint er, die Gäste gingen ja nicht zu ihm, sondern beispielsweise "zum Giovanni", weil sie den Kellner unter diesem Namen kennen. Überhaupt sei das Wichtigste, den Wünschen der Gäste zu entsprechen. "Ich schaue immer, wie ein Lokal zu der Gegend passt, in der es liegt", sagt er. Gerade eben hat er wieder eines eröffnet, das Misu an der Planegger Bahnhofstraße.

Drei Jahre lang war das ehemalige Mi Casa Su Casa geschlossen gewesen. Der vorherige Betreiber und die Gemeinde Planegg, der das Lokal gehörte, hatten sich zerstritten und jahrelang gegeneinander prozessiert. Rieder hat das Lokal dann gekauft, konnte wegen der Gerichtsverfahren lange nicht in die Räume, hat dann alles komplett umgebaut und neu eingerichtet. Nun gibt es eine Tagesbar im Erdgeschoss und ein Restaurant mit 100 Plätzen im Innenraum und 80 auf der Terrasse im ersten Stock. Vom Frühstück bis zum opulenten Abendessen ist alles geboten; es gibt Pizza ebenso wie in Butter und Salbei gebratene Kalbsleber.

Rieder hat eine Restaurantkette, wie sie sonst nur in der Systemgastronomie möglich ist

Andere Gastronomen machen Restaurants, die ihnen gefallen, und hoffen dann, dass das Publikum ihre Vorlieben teilt. So würde Rieder nie vorgehen. Der 56-Jährige meint: "Ich frage mich, wer in der Umgebung wohnt und was die Leute wollen, wie das Lokal eingerichtet sein muss, damit sie gerne hingehen." Dafür, sagt er, habe er wohl schon ein Gespür, ebenso wie für das Personal: "Ich merke es schnell, ob einer länger bleibt oder ob er bald wieder geht." Er sagt, man müsse sein Personal fair behandeln, damit es wirklich gerne und motiviert arbeitet: "Ich habe Mitarbeiter, die sind zum Teil von Anfang an dabei. Das gibt es nicht so oft in der Gastronomie."

Von Anfang an, das bedeutet: seit 1989. Rieder hatte daheim im Pustertal eine Lehre als Restaurantfachmann gemacht und eine Zeitlang dort gearbeitet. Es folgten Saisonjobs in Luxushotels am Gardasee und in den Bergen. Dann wollte er hinaus in die weite Welt. Die Mutter lieh ihm das Geld für ein Zugticket nach München, hier wollte er das Geld für die Weiterreise verdienen. Doch er blieb hängen. 21 Jahre war er alt, als er nach München kam, gute sieben Jahre lang arbeitete er als Kellner und war während dieser Zeit schon auf der Suche nach einem eigenen Lokal.

Wie Rieder zu seinem ersten eigenen Lokal kam

"Ich habe immer die Anzeigen in den Zeitungen durchforstet", erzählt er, "irgendwann bin ich dann in Laim fündig geworden." Beim Lindenwirt hieß das Lokal an der Agnes-Bernauer-Straße. Es ging günstig her, 40 000 Mark Ablöse wollte die Paulaner-Brauerei, zuvor hatte es viele Pächterwechsel gegeben. "Drinnen saßen damals nur noch ein paar Kartenspieler und Biertrinker." Blöd war, dass Rieder lediglich 20 000 Mark hatte. Schließlich bürgte seine Mutter für die andere Hälfte, die Brauerei war einverstanden und stimmte sogar dem Namenswechsel in Trattoria Lindengarten zu.

Karl Rieder hängte sich mächtig rein: "Am 15. August 1989", das Datum weiß er noch genau, "bekam ich die Schlüssel, dann habe ich mit ein paar Freunden alles renoviert und gestrichen." Es gab jetzt weiße Tischdecken im Lindenwirt, ein Spezl aus Südtirol stand in der Küche, eine Aushilfe machte den Spüler. Alles andere war Rieders Job: "Ich habe in der Früh das Lokal geputzt, dann eingekauft, aufgedeckt und serviert. Wir hatten praktisch keine Personalkosten. Am ersten Tag hatten wir nur 180 Mark eingenommen." Dann ging es stetig aufwärts. Die ersten Stammgäste kommen heute noch, sie haben die Trattoria damals schon weiterempfohlen. Das freut Rieder bis heute, man sieht es ihm an. Bald brauchte es einen zweiten Kellner und jemanden an der Bar und in der Küche. Wenn die ausfielen, sprang Rieder ein.

Der Spezl aus der Küche wollte sich irgendwann auch selbständig machen, Rieder schlug ihm vor, gemeinsam ein Lokal zu übernehmen, das La Piazza am Kölner Platz in Schwabing: "Das besteht heute noch in der gleichen Konstellation." Bei der Brauerei hatte Rieder inzwischen einen gewissen Ruf als Sanierer, immer wieder bekam er heruntergewirtschaftete Gaststätten angeboten. "Ab dem dritten Lokal wurde es schwierig", erzählt er, das war das Menzingers an der Menzinger Straße. Wenn es Engpässe gab, sprang er immer selbst ein: "Hat der Barmixer frei, machst du Vertretung, hat der Kellner frei, machst du Vertretung, hat der Koch frei, machst du Vertretung. Beim vierten Lokal geht das gar nicht mehr. Da muss man dann eine andere Organisation aufbauen."

So geschah es. Es kam die Speisemeisterei La Trattoria bei Blutenburg hinzu, dann das Romans, das Café im Botanischen Garten und das Primafila in Nymphenburg, das Corretto in Untermenzing, das Il Mulino an der Görresstraße, das Laurus in Gräfelfing und das Cucina Corso in Dachau. Rieder pachtete die Lokale, das eine oder andere kaufte er, als die Brauerei sich von manchen Objekten trennen wollte.

Heute hat er eine Restaurantkette, wie es sonst nur in der Systemgastronomie möglich ist, mit deren Einheitskonzept, das an jedem Standort durchgezogen wird. "Da tut man sich leichter mit Personal und Werbung", sagt Rieder, "da muss man nur noch kopieren. Ich habe aber viele Gäste, die zu verschiedenen Anlässen unterschiedliche Lokale aufsuchen." So begnügt er sich damit, sein Ristorante-Imperium unter der Dachmarke "Mein Lieblingsitaliener" und unter einer gemeinsamen Organisationsstruktur zusammenzufassen.

Man brauche ein gewisses Gespür für die richtige Einrichtung am jeweiligen Ort, sagt Rieder. Und dann kommt es sehr auf das Personal an. 250 Mitarbeiter beschäftigt er im Schnitt, im Sommer sind es naturgemäß etwas mehr. Es werde immer schwieriger, gute Leute zu bekommen, sagt er, die Arbeitszeiten seien einfach zu unattraktiv. Er ist deshalb skeptisch, ob sich sein Erfolgsrezept, viele individuelle Lokale gemeinsam zu betreiben, heute noch einmal wiederholen ließe. "Die Systemgastronomie ist schwer im Kommen", sagt er, "wenn alles normiert ist, kann man auch mit ungelernten Kräften einigermaßen problemlos arbeiten." Auf die Wünsche der Gäste am jeweiligen Standort eingehen - das ist halt leider dann nicht mehr drin.

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