Gastronomie am Nockherberg:Der Traum vom ehrlichen Wirtshaus

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Ein Nockherberg-Wirt in seinem natürlichen Lebensraum: Florian Lechner in der Hausbrauerei, unten der neu gestaltete Saal. (Foto: Robert Haas)

Florian Lechner eröffnet zusammen mit Christian Schottenhamel am Mittwoch den neuen Nockherberg.

Von Franz Kotteder

Nein, ein Plappermaul ist er nun wirklich nicht, dieser Florian Lechner. Er ist keiner von denen, die einem erst einmal ausführlich erzählen, was sie in ihrem Leben schon alles Tolles geleistet haben, und mit dem Zutexten dann gar nicht mehr aufhören können. Genau genommen ist es sogar eher so, dass er außer "Ja" oder "Naa" anfangs fast gar nichts sagt. Das hängt vielleicht auch mit einer gewissen Anspannung zusammen. Äußerlich wirkt der 44-Jährige ruhig und gelassen, aber im Laufe des Gesprächs merkt man dann doch, dass es in ihm brodelt und dass ihn diese Aufgabe, die jetzt vor ihm steht, keineswegs kalt lässt.

Diese Aufgabe, das ist: die Gastronomie im neuen Nockherberg zu leiten, zusammen mit seinem Freund Christian Schottenhamel, dem Wiesnwirt. Seit sie sich kennen, hatten sie die Idee, sich einmal gastronomisch zusammenzutun, und sie hatten sich schon gelegentlich um das eine oder andere Objekt gemeinsam beworben. Aber damals, als klar war, dass Christian Schottenhamel den Löwenbräukeller an seinen Wiesnwirtekollegen Eduard Reinbold würde abgeben müssen und "der Christian daherkam mit der Idee, sich um den Nockherberg zu bewerben", da habe er erst einmal abgewunken: "Spinnst du, das ist mir viel zu groß! Das ist nix für mich, ich will doch nicht bloß einen Schweinsbraten nach dem anderen runterschneiden." Doch dann bekam er eine Führung durchs gesamte Haus verpasst, vier Stunden dauerte die, danach war er begeistert und es begann in ihm zu arbeiten. "Seit dem Tag rattert es bei mir im Kopf, wie wir das hier kulinarisch hinkriegen könnten."

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Die Arbeitsteilung zwischen den beiden ist klar: Lechner kümmert sich hauptsächlich um Küche und Gastronomie, Schottenhamel um die Veranstaltungen. Und vom Kochen versteht er was, auch wenn es jetzt schon um andere Dimensionen geht: "Bisher habe ich kiloweise bestellt, jetzt geht es dann schon um Tonnen." Bisher, das war die letzten 15 Jahre draußen in Hechenberg bei Dietramszell. Da machte er den Moarwirt zu einer ersten Adresse im Oberland und sich einen Namen als Koch, der den regionalen, traditionellen Gerichten den gewissen Pfiff verlieh. Vor allem, indem er auf hohe Qualität des Produkts und des Kochhandwerks setzte. So kam bald eine Kochschule hinzu und ein Buch mit dem Titel "Die neue Bayrische Küche" (was rein sprachlich nicht ganz richtig ist, weil man entweder "Bairisch" schreibt oder "Bayerisch" mit "e", aber man soll auch nicht päpstlicher sein als der Papst).

Dort erfährt man viel über sein kulinarisches Credo, das geprägt worden ist von der Oma und ihrem Bauernhof im Chiemgau, wo der kleine Florian oft zu Besuch war. "Das war eine ganz einfache, ehrliche Küche", erzählt er, "und es war wahnsinnig schön für mich, mit dem Opa, dem Onkel, überhaupt mit der ganzen Familie am Tisch zu sitzen und zusammen zu essen."

Dann beginnt er zu schwärmen, und mit einem Mal merkt man, dass Florian Lechner durchaus sehr gesprächig werden kann. Wenn es zum Beispiel ums Kochen und ums Essen geht. "Das waren halt noch Semmelknödel! Die konntest du mit der Gabel zerteilen, so leicht und locker waren die. Und du hast den Liebstöckel und den Zimt rausgeschmeckt, und die Semmel war nicht drei Monate alt, sondern vom Vormittag, weil sie vom Frühstück übrig geblieben ist. Dann brauchst du halt auch kein Mehl und keine Milch, damit die Semmel weich wird für den Knödel. Sondern die ist schon weich."

Ja, so klingt das, wenn Florian Lechner vom Kochen erzählt. Daheim wurde anders gekocht oder gar nicht. Es waren die Siebziger- und Achtzigerjahre, "mit Bofrost, Aldi und Fertiggerichten". Sie waren drei Kinder und beide Eltern arbeiteten, man musste das Haus abbezahlen. Florian aber ließ seine Begeisterung nicht los. Er bildete sich eine Kochlehre ein, und die machte er dann beim Käfer, sein Lehrherr war Karlheinz Hauser, der sich dann viel später in Hamburg zwei Michelinsterne erkochte. Mit 28 Jahren übernahm Lechner den Moarwirt. Damit erfüllte sich erstmals sein Traum vom ehrlichen Wirtshaus.

Er träumte dann freilich noch weiter. "Sein größter Wunsch", steht in seinem Buch, sei es, "das bestmögliche Wirtshaus im Herzen von München zu führen". Das kommt vom anderen Opa, sagt er, der wohnte im Lehel, und mit dem ging er oft auf dem Viktualienmarkt einkaufen. Sonntags ging es dann auch mal in den Spöckmeier, und da saß er dann als kleiner Bub auch schon mal mit Franz Josef Strauß an einem Tisch. Auf dem Viktualienmarkt übernahm er vor acht Jahren dann das Café Nymphenburg Sekt, das bis dahin ein nicht mehr ganz taufrischer Szenetreff für alternde Strizzis mit Goldkettchen und solariumsgebräunte Dorfschönheiten im fortgeschrittenem Alter war. "Das hat sich komplett gewandelt", sagt er, "da haben wir jetzt ein ganz anderes Publikum. Da kann man wieder hingehen, und den Umsatz haben wir mehr als verdoppelt."

Und auf dem Nockherberg, wie soll das da mal werden? Der soll wieder wie früher ein Ausflugsziel für die Münchner werden, wünscht sich Lechner. "Man ist zwar mitten in der Stadt, aber trotzdem ein bisschen außerhalb." Das Wirtshaus soll die Visitenkarte werden, deshalb macht sich Lechner viele Gedanken über die Karte. Auch die nächsten Wochen noch, während der Betrieb schon läuft. Regional wird sie sein, dafür steht er immer schon. Ein bisschen ausgefallen, aber nicht zu verrückt. "Eigentlich will ich hier diese Kindheitserinnerungen vom Essen wieder auf den Teller bringen." Statt einer ausufernden Karte mit 70 bis 80 Gerichten, wie in anderen Großgaststätten üblich, will er "sicher nur die Hälfte" anbieten, die dafür aber in hoher Qualität.

Das muss nicht unbedingt teuer sein, sagt er. Vom Poltinger Lamm bestellt er zum Beispiel nicht den Rücken, sondern das Schulterstück, das sonst kaum einer nimmt. Der Ochsenschwanz kommt wieder zu seinem Recht, auch sonst mal Teile, die unterschätzt werden: "Das Backerl natürlich, oder auch mal ein Herz oder die Hoden." Kräuter und Gemüse will er selbst anbauen, zumindest zum größten Teil; das Brot wird am Nockherberg frisch gebacken. Josef Schmid vom Backspielhaus wird das übernehmen.

Jetzt muss er noch das Küchenteam auf seine Art zu kochen einschwören. 80 Prozent des Personals kommen vom Löwenbräukeller, den anderen Teil bringt er vom Moarwirt mit. Bis zu neun Monate will er sich Zeit nehmen, dann sollte alles passen, sagt er. Schließlich will er sich ja ums Wirtshaus kümmern und nicht die ganze Zeit in der Küche verbringen. Dabei kann man sich gut vorstellen, bei seiner Statur, dass er selber mit anpackt, wenn's eng wird, und zur Not auch mal eine ganze Schweinehälfte unter den Arm klemmt und zum Zerteilen in die Küche trägt. Na ja, das wäre dann vielleicht doch ein bisschen übertrieben und zu wenig Leichtigkeit für einen großen Traum.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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