Gastronom Uebelherr:"Jeder Laden muss seine eigene Seele haben"

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Acht Lokale betreibt Marc Uebelherr in München - und bald folgt im Luxus-Tempel Hofstatt ein weiteres. Dass der Wirt in die Gastro-Branche kam, ist purer Zufall: Denn eigentlich suchte er seinerzeit nur einen Nebenjob.

Franz Kotteder

Marc Uebelherr Fragen zu stellen, ist gar nicht so einfach. Nicht, dass einem der groß gewachsene 40-Jährige dauernd ins Wort fallen würde, gar nicht, er ist ja ausgesprochen höflich. Es ist eher so, dass man in seinem Redefluss kaum einmal eine Pause findet, in der man mit einer Frage Platz hätte. Uebelherr sagt: "Ich bin ja mehr so der Motor der Firma, weil ich alle drei Minuten eine neue Idee hab'. Das ist auch für meine Partner anstrengend."

Marc Uebelherr und sein "Drei-Generationen-Konzept": Man biete etwas für jedes Alter, jeden Geldbeutel, Studenten sollten sich ebenso wohl fühlen wie Anzugträger und Familien. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nun, es hat aber auch Vorteile, wenn man in der Gastronomie unterwegs ist. Marc Uebelherr und seine Partner Simi Berst und Uli Springer sind in der Münchner Gastronomie sogar sehr gut unterwegs.

Gerade erst haben sie den Zuschlag bekommen für das Restaurant in der Hofstatt, dem neuen Luxus-Einkaufs- und Wohnareal an der Sendlinger Straße, dort, wo einst der Süddeutsche Verlag residierte. Um diesen Standort haben sich viele beworben. Der Schweizer Stararchitekt Marcel Meili wird dort einen Pavillon im Innenhof zwischen den historischen Gebäuden bauen, Deckname: Fledermaus, wegen des exotischen Aussehens.

Uebelherr und seine Partner dürfen ihn mit Leben füllen. Mehr wollen und können sie auch noch nicht verraten, es ist alles noch im Fluss, und die Eröffnung ist ja erst im Frühjahr 2013. "Bis dahin kann ja noch viel passieren, neue Ideen und so weiter", sagt Uebelherr.

Das neue Restaurant wird dann das neunte Lokal sein, das er und seine Partner in ihrem Portfolio haben. Dabei sind sie noch nicht mal 15 Jahren im Geschäft. Kometenhafter Aufstieg nennt man das dann wohl, nur noch vergleichbar mit der Karriere des Duos Rudi Kull und Albert Weinzierl, die im selben Zeitraum auch eine ganze Latte von Restaurants wie das "Brenner" an der Maximilianstraße, mehrere Cafés und Bars sowie ein Hotel gesammelt haben.

Bei Uebelherr war das alles überhaupt nicht absehbar. Der gebürtige Augsburger kam zur Lehre nach München und hatte seine erste Wohnung "dann ausgerechnet in der Augsburgerstraße" beim Sendlinger Tor. Den schönen Beruf des "Schauwerbegestalters" sollte er lernen, bei Loden Frey, und weil man als Azubi beim Ladendekorieren nicht üppig verdient, suchte er einen Nebenjob.

Den fand er im "Master's Home" am Viktualienmarkt, einer großen Bar im Kolonialstil, die Michael Käfer und Martin Kolonko führten. "Der Martin hat wohl rein aus dem Bauch raus entschieden, mich zu nehmen - ich hatte ja von nichts eine Ahnung, damals."

Das sollte sich schnell ändern. Uebelherr begeisterte sich regelrecht für den Nebenjob, lernte schnell auswendig, wie viele verschiedenen Gin-Sorten es gab und wie viele Wodkas, welcher Wein zu was passte und so weiter. Schon bald musste er nicht mehr Kühlräume putzen, Säfte pressen und Sirups abfüllen, sondern durfte selbst an die Bar.

Er war mittags schon da, sagt er, und ist nachts um drei wieder raus. Die Lehrstelle bei Loden Frey ließ er sausen. Es folgte eine klassische Karriere in der Gastronomie, die auch weniger spektakulär hätte ausfallen können, "wenn ich nicht gleich zu Anfang an eine wirklich professionelle Bar geraten wäre".

Erst aber kam der Zivildienst beim Roten Kreuz. Tagsüber fuhr er Essen auf Räder aus für alte Leute, die selbst nicht mehr kochen konnten, nachts stand er im "P 1" hinterm Tresen. Das hat ihn geprägt, sagt er: zu sehen, wie die einen Champagner bestellen und die anderen den halben Vormittag warten, dass ihnen jemand etwas zu essen bringt. Auch deshalb findet er es wichtig, dass seine Lokale neuerdings Praktika an Förderschüler vergeben. "24 waren es gleich im ersten Jahr. Das wollen wir ausbauen."

Hofstatt an der Sendlinger Straße
:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Uebelherr selbst ist ein gutes Beispiel für "Learning by doing". Das "Café Forum", das "Prinzipal" im Prinzregententheater, nicht zuletzt die "Käfer Wiesn-Schänke" auf dem Oktoberfest waren seine Stationen, dazu kamen viele Fortbildungsseminare.

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:Erst Baustelle, dann Luxus

Wo einst die "Süddeutsche Zeitung" gemacht wurde, sind nun die Bauarbeiter am Werk. Bis 2013 soll die Luxusimmobilie "Hofstatt" an der Sendlinger Straße fertig sein. Ein Besuch auf der Baustelle.

Wolfgang Görl

Dann lernte er irgendwann Simi Berst kennen, "der hat die perfekte Ausbildung, Hotelfachschule und das alles". Sie taten sich zusammen und übernahmen das "Zoozie's" am Baldeplatz, eine Münchner Szene-Legende. "An einem einzigen Tag schleusten wir da 26 Firmen durch", erzählt Uebelherr, "die bauten eine neue Spülmaschine ein, machten die Deko, lieferten die Speisekarte und alles Mögliche, und am Abend war Eröffnung." Eine spannende Zeit war das, ein Spiel auf volles Risiko.

Nachts um halbvier lösten sie die letzten Gäste behutsam von der Bar, morgens um sieben deckten sie die Tische für den Brunch. "Aber irgendwann stand dann die Entscheidung an: Wollen wir Wirte sein oder Unternehmer?"

Wofür sie sich entschieden haben, weiß man. Das "Zoozie's" lief bald prächtig, dann bekamen sie die Chance, das Restaurant der Diskothek "Pacha" zu übernehmen. Da erlitten sie zwar Schiffbruch, so wie später noch einmal mit dem "Bloom" in der Bayerstraße und einem Lokal im fernen Hamburg.

Aber ansonsten erwiesen sich der sehr große und schlanke Uebelherr und der sehr kleine und runde Berst bald als das ideale Erfolgsteam. Sie bekamen unter der damals neuen Gasteig-Chefin Brigitte von Welser den Zuschlag für die Bewirtung der Gasteig-Philharmonie und durften die ehemalige Kantine umgestalten, die dann mit dem neuen Namen "Gast" zum Restaurant wurde.

Das "Gast"-Konzept erregte schnell Aufsehen, konnte man sich doch an verschiedenen Koch-Stationen sein Menü selbst zusammenstellen. Bezahlt wird - auch das war sehr neu in München - mit einer eigenen Chipkarte. Seit der Eröffnung brummt der Laden: "Wir haben täglich um die 1000 Gäste."

Es ging dann munter weiter mit dem "Oskar Maria" im Literaturhaus: "Das war nicht einfach, die Vorgänger vom Dukatz hatten ja bereits einen sensationellen Job gemacht." Französische Küche war aber auch eine Frage des Ehrgeizes für Uebelherr. Und des Herzens. Schließlich ist seine Frau Französin, und die beiden Töchter gehen in München auf die französische Schule.

Mit dem "Le Copain" am Gasteig hat er jetzt auch ein kleines Lokal mit französischen Snacks. Partner Berst kümmert sich derzeit vor allem um das "KVR" in Schwabing. Daneben gibt es noch das "Ocui" am Oberanger, das "Salotto" im Lehel und das "Ksar" in der Müllerstraße.

"Jeder Laden muss seine eigene Seele haben", sagt Uebelherr, das sei das Geheimnis. Und ihr "Drei-Generationen-Konzept": Man biete etwas für jedes Alter, jeden Geldbeutel, Studenten sollten sich ebenso wohlfühlen wie Anzugträger und Familien. Die "eigene Seele" kostet freilich auch was, allein in der Ausstattung, die kommt ja nicht vom Flohmarkt. "Wir arbeiten da jeweils mit Partnern und Investoren zusammen, auch mit Brauereien, aber nicht nur."

Mit einem solchen Partner, der traditionsreichen Giesinger Weinhändlerfamilie Saffer, möchte er noch seinen großen Traum verwirklichen: ein Zelt auf der Wiesn. "Wir bewerben uns schon länger gemeinsam für ein kleines Weinzelt", sagt er. Die Wiesn, das sei einfach der Traum für einen Münchner Gastronomen: "Es ist ein ganz besonderes Kribbeln, wenn man dort arbeitet. Herrlich!"

© SZ vom 16.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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