Süddeutsche Zeitung

Gastredner bei CSU Geretsried:Pater klagt über "Inflation von Menschenrechten"

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Derbe Sprüche gehören zu einer Aschermittwochsrede dazu. Aber wenn ein Pater über die "Inflation von Menschenrechten" klagt und über Homosexuelle herzieht, hat das mit dem traditionellen Derblecken nichts mehr zu tun. Nun hat die Geretsrieder CSU ein Problem.

Von Wolfgang Schäl

Darf ein renommierter Dominikanerpater, der auch in der Münchner Theatinerkirche predigt, alles sagen, nur weil man bei Aschermittwochsreden schon mal eine lockere Lippe riskieren darf? Die Geretsrieder CSU hat derzeit Gelegenheit, über diese Frage intensiv nachzudenken. Denn der Theologe Wolfgang Spindler, der als Festredner im örtlichen Ratsstubensaal eingeladen war, hat Thesen verbreitet, die hohe Wellen schlagen: Spindler klagte über eine "Inflation von Menschenrechten", über eine europaweite Umerziehung und Umprogrammierung der Geschlechter und des Familienbildes, über eine "Auflösung der menschlichen Natur". In diesem Kontext sprach er das Thema Homosexualität an und stellte die Frage in den Raum: "Werden demnächst auch Polygamie, Polyandrie oder Sodomie anerkannt?"

Etwa 100 Besucher hörten das und spendeten am Ende Applaus. Doch bald ahnte der CSU-Bürgermeisterkandidat, dass solche Reden wenige Tage vor der Wahl gar nicht gut ankämen: Noch bevor die ersten empörten Stellungnahmen und Leserbriefe in Umlauf kamen, entschuldigte sich Michael Müller in aller Form und auch im Namen der CSU-Landratskandidatin Sabine Lorenz. Er bittet um Nachsicht dafür, dass er nicht aufgestanden sei und sich distanziert habe.

Was Spindler äußere, sei aber dessen persönliche Sicht. Auf diesen Standpunkt zieht sich auch der Kreisverband zurück. Dessen Vorsitzender, der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber, betont, die Ortsverbände seien unabhängig, er habe den Vorgang nicht zu bewerten.

Umso erboster ist die Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD Oberbayern. Sie ist "entsetzt" und erkennt in Spindlers Äußerungen "einen Rückschritt ins Mittelalter". Die Analogie von Homosexualität und Sodomie sei beleidigend und ehranrührend. Mit dieser Art von Aufhetzungen würden in Afrika und in Russland "Hetzjagden auf Schwule und Lesben angestachelt, die häufig in Lynchjustiz enden".

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Quelle:
SZ vom 10.03.2014
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