Süddeutsche Zeitung

Konzertsaal in München:Zwist um Gasteig-Sanierung

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In der Konzertsaal-Debatte schien immer festzustehen: Der Gasteig muss von 2020 an saniert werden. Dieses Datum steht nun plötzlich infrage - und damit auch vieles andere.

Von Christian Krügel

Das Jahr 2020 - dieses Datum war bislang eine harte Frist, an der sich Münchens städtische Kulturpolitik orientierte. Bis dahin müsse spätestens mit einer umfassenden Sanierung des Kulturzentrums Gasteig begonnen werden, hatte es stets geheißen. Bis dahin müssten daher die Münchner Philharmoniker auch ein Ausweichquartier gefunden haben. Doch zumindest für das Kulturreferat scheint das keineswegs mehr fix zu sein: "Die Bespielbarkeit des Gasteig ist definitiv über das Jahr 2020 hinaus gegeben", heißt es dort.

Das Großprojekt, für das bereits jetzt bis zu einer halben Milliarde Euro veranschlagt wird, könne also auch später und in mehreren Abschnitten beginnen. Und für die Philharmoniker hat Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) eine ganze andere Idee: Das Ensemble könnte gemeinsam mit den BR-Orchestern den neuen Konzertsaal im Werksviertel und den Herkulessaal nutzen. Ein Plan, der Gasteig-Geschäftsführerin Brigitte von Welser vor den Kopf stößt.

Sie fordert seit Jahren eine Entscheidung des Stadtrats über die Sanierung und den Umbau des Kulturzentrums. Haustechnik, Dach, Glasfassade und vieles andere müssten dringend erneuert, viele Funktionsbereiche modernisiert werden. Allen voran die Philharmonie: Bereits 2008 präsentierte sie Ideen für deren Umbau in einen deutlichen besseren Konzertsaal. Dringende Sanierungsarbeiten wurden zwar inzwischen vom Stadtrat genehmigt, doch der Beschluss für eine Modernisierung des Kulturzentrums immer wieder verschoben.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) drängte nach seinem Amtsantritt 2014 auf eine rasche Entscheidung. Im Herbst 2015 wurde aber klar, dass in der Stadtkasse in den kommenden Jahren Milliarden fehlen könnten. Deshalb werden derzeit in etlichen Arbeitskreisen die Pläne nicht nur auf Bedarf und Funktionalität, sondern auch auf Finanzierbarkeit überprüft. Reiter will eine Entscheidung im Frühjahr 2017. Brigitte von Welser betont, dass alle Beteiligten "mit Hochdruck" arbeiten, um diesen Termin zu halten oder ihn "schlimmstenfalls um ein, zwei Monate" zu verschieben. Denn das Jahr 2020 bleibe das klare Ziel. "Danach bricht der Gasteig zwar nicht in sich zusammen. Aber je länger wir warten, desto aufwendiger und teurer wird es."

Doch von diesem Zeitdruck hält man im Kulturreferat offenbar nicht viel: Es sei sinnvoll, in Ruhe zu überlegen, wie man etwa eine moderne Stadtbibliothek der Zukunft aufbaue oder wie sich die Arbeit der Volkshochschule in zehn Jahren verändern werde. Die Zeit sollte man sich nehmen - zumal dann auch einiges einfacher werden könnte. Eben zum Beispiel die Sache mit den Philharmonikern: Bis Mitte des Jahres sollte der Stadtrat eigentlich entscheiden, wo das Orchester für die Umbauzeit unterkommen kann. Das ist musikalisch wie wirtschaftlich relevant: Das städtische Ensemble hat mehr als 16 000 Abonnenten und spielt jährlich mehr als 80 Konzerte. Ein eigener Saal für die Zeit des Gasteig-Umbaus galt daher bislang als unabdingbar, zumal auch private Veranstalter einen Saal brauchten.

Doch nun hält Kulturreferent Küppers auch diese Lösung für denkbar: Mit der Sanierung der Philharmonie wird so lange gewartet, bis das Konzerthaus im Werksviertel fertig ist, das der Freistaat vorrangig für die BR-Orchester baut. Der Saal könnte 2022 fertig sein. Dann könnten die Philharmoniker dort quasi als Untermieter einen Teil ihrer Konzerte spielen, den anderen im Herkulessaal. "Ob das zeitlich geht, muss man sehen, es wäre eine sinnvolle Lösung", sagt Küppers. Alternativen würden aber weiter geprüft.

Gasteig-Chefin Brigitte von Welser ist darüber mehr als verwundert: Allein drei Beschäftigte im Projektteam seien mit der Suche nach Interimsquartieren beschäftigt, um Lösungen für 2020 zu suchen. Von einer temporären Musikhalle auf einem städtischen Grundstück in Riem bis hin zum Umbau des Aubinger Heizkraftwerkes werde alles geprüft. "Die Lösung Werksviertel ist mir völlig neu", sagt sie. Sie könne nur davor warnen, jetzt so den Zeitdruck aus dem Gesamtprojekt Gasteig herauszunehmen.

Doch offenbar ist der Kostendruck bei der Stadt inzwischen höher. Ein Ausweichquartier für das Orchester zu sparen, käme da wohl recht. Nach SZ-Informationen scheiden daher die Paketposthalle in Neuhausen und die Jutierhalle im Kreativquartier aus. Das alte Heizkraftwerk in Aubing liegt abseits des Stadtzentrums und dürfte auch teuer werden:

Den Umbau würden zwar die Brüder Michael und Christian Amberger, Besitzer des Heizkraftwerks wie auch der Allguth-Tankstellen, finanzieren, aber nur wenn die Stadt den Saal fest und langfristig mietet. "Ohne Philharmoniker und nur aus eigenem Antrieb heraus, werden wir das Projekt nicht machen", sagt Christian Amberger der SZ.

Überrascht, aber durchaus offen für Küppers' Idee zeigt sich Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU): Es habe noch keine offizielle Anfrage der Stadt gegeben. Es sei aber naheliegend, dass Staat und Stadt angesichts solch großer Kulturinvestitionen kooperieren. Spaenle stellt aber klar: "Hauptnutzer des neuen Saals werden die BR-Orchester und die privaten Veranstalter sein, alles andere muss sich daran orientieren."

Genau das ist die Sorge der Philharmoniker: plötzlich zum Untermieter bei der Konkurrenz zu werden. Das würde zu jener ungeliebten "Zwillingslösung" für die beiden großen Orchester führen, die mit einem neuen Konzerthaus gerade vermieden werden soll.

Das sei allenfalls für eine kurze Zeit hinnehmbar, heißt es im Orchester - aber nur, wenn die Philharmoniker danach in einen top modernisierten Konzertsaal in den Gasteig zurückkehren könnten. Chefdirigent Valery Gergiev setzt sich massiv dafür ein, nach SZ-Informationen sprach er auch schon direkt bei OB Reiter vor. Doch auch hier gilt derzeit die neue Gasteig-Devise: Ob und wann der Umbau kommt, ist völlig offen.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2016
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