Süddeutsche Zeitung

Sanierung:Wie viel Gasteig braucht die Stadt?

  • Nach der Diskussion der vergangenen Wochen könnte die Stadt München eine Generalsanierung des Gasteigs wie geplant weiterführen.
  • Die SPD bevorzugt jedoch eine abgespeckte Grundsanierung für das Kulturzentrum.
  • Sie sieht im nun anstehenden zweiten Vergabeverfahren unkalkulierbare rechtliche Risiken, die zu Gerichtsverfahren und Verzögerungen und damit zu explodierenden Kosten führen könnten.

Von Heiner Effern und Susanne Hermanski

Misstöne hat es in den vergangenen Wochen genug gegeben um den Gasteig, nun zeichnet sich ab, dass die Stadt die begonnene Generalsanierung doch wie geplant weiterführen wird. Die Gegner dieses Plans - SPD und FDP - stehen im Stadtrat zunehmend isoliert da.

Bürgermeister und Gasteig-Aufsichtsratschef Manuel Pretzl (CSU) sieht "nach derzeitigem Stand eine breite Mehrheit", die das im ersten Anlauf gescheiterte Vergabeverfahren wieder aufnehmen und zu einem erfolgreichen Ende führen will. Neben der CSU und den Grünen sprechen sich auch die Bayernpartei, ÖDP, Linke und Freie Wähler für die Generalsanierung aus. Damit hat das Lager der Befürworter mindestens 49 Stimmen, wenn der Stadtrat in seiner nächsten Vollversammlung am 20. März darüber abstimmt. Das sind acht mehr als nötig.

Nach der rechtlichen Panne bei der Vergabe und deren Annullierung im Januar folgten für das Kulturzentrum Wochen der Aufregung und der Unsicherheit. Die knapp eine halbe Milliarde Euro teure Generalsanierung stand auf der Kippe. Der Gasteig selbst hat mehrere Szenarien erarbeitet, wie es weitergehen und die Planung rechtssicher vergeben werden könnte.

43 Millionen

Euro zusätzliche Kosten könnten entstehen, wenn das Verfahren zur Generalsanierung des Gasteig aufgehoben würde und an deren Stelle eine Grundsanierung geplant werden müsste. Vier Millionen Euro Kosten, die bis jetzt schon in die Planung der Generalsanierung geflossen waren, wären zudem verloren. Aufgrund dieser Schätzungen folgt die Stadt den Bedenken der SPD-Fraktion nicht, die das Vergabeverfahren für die Generalsanierung des Gasteig stoppen wollte, weil die erste Vergabe aus formaljuristischen Gründen gekippt worden war.

In dieser Zeit hatte sich die SPD-Fraktion vom Großprojekt distanziert und fordert nun eine abgespeckte Grundsanierung, die mit etwa 300 Millionen Euro veranschlagt wird. Etwa ein Drittel davon soll allein in die Verbesserung der Akustik der Philharmonie investiert werden. Einen Antrag, die bereits beschlossene Generalsanierung zu stoppen, legte die SPD bisher zwar nicht vor, "das ist aber durchaus eine Option", sagte die SPD-Kulturpolitikerin Julia Schönfeld-Knor. Ihrer Fraktion sei es vor allem darum gegangen, "Haltung zu zeigen".

Die SPD sieht im nun anstehenden zweiten Vergabeverfahren unkalkulierbare rechtliche Risiken, die zu Gerichtsverfahren und Verzögerungen und damit zu explodierenden Kosten führen könnten. Der "Rollback" sei die einfachere und schnellere Lösung, sagte Schönfeld-Knor.

Die Gasteig GmbH hat auch dieses Szenario untersucht. In einer Vorlage für den Aufsichtsrat sollen die Verantwortlichen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung jedoch davor gewarnt haben. Der Ausstieg aus der Generalsanierung und der Neustart einer Grundsanierung könnte eine Verzögerung von bis zu zwei Jahren und acht Monaten bedeuten, wurden die Mitglieder informiert.

Die zusätzlichen Kosten durch bereits abgeschlossene Verträge, erbrachte Leistungen, Regressforderungen und weitere Schäden könnten bis zu 43 Millionen Euro betragen. Auch wenn selbst der Generalsanierung wohlwollende Mitglieder des Aufsichtsrats diese Zahlen für etwas hoch gegriffen halten, sie machen deutlich, dass auch ein Neustart Probleme mit sich bringen könnte.

Keine der beiden Varianten wird also reibungslos verlaufen, auch die Generalsanierung nicht. Die Vergabekammer Bayern Süd hatte beim ersten Versuch der Vergabe gerügt, dass handfeste Kriterien für die Beauftragung des ausgewählten Büros Henn Architekten gefehlt hätten. Die unterlegenen Konkurrenten Auer Weber und Wulf waren dagegen vorgegangen und hatten Recht bekommen.

Nun gilt es, ein neues Verfahren hinzubekommen, bei dem nicht nur das Honorar der Architekten oder deren Konzept zur Einhaltung der Baukosten vorkommen, sondern auch der architektonische Gestaltungswille noch Gewicht hat. Die Geschäftsführung des Gasteig legte intern drei Szenarien vor: Je mehr die Architektur eine Rolle spielt, desto höher ist das Risiko eines Rechtsstreits.

Zu einem Zeitplan will sich niemand offen äußern, aber einige Aufsichtsräte hoffen zumindest, noch dieses Jahr eine rechtssichere Vergabe zu erreichen. Die Anzeichen, dass die Stadt die Generalsanierung nicht aufgeben wird, verdichten sich. Zuerst hatte sich SPD-Kulturreferent Hans-Georg Küppers eindeutig gegen seine eigene Partei gestellt, ihr Lösungsansatz sei "suboptimal". Alle Nutzer des Kulturinstituts müssten von einer Sanierung profitieren, nicht nur die Philharmoniker.

Im Anschluss tagte der Aufsichtsrat des Gasteig nicht-öffentlich. Teilnehmer berichteten, dass weitere Schritte für die Generalsanierung beschlossen worden seien. Genannt wurde eine Entscheidung zur Baustelleneinrichtung des Interimsquartiers in Sendling. Dafür sollen auch SPD-Mitglieder des Aufsichtsrats gestimmt haben.

Der jetzigen Situation geht ein langer SPD-interner Streit voraus. Schon 2017 waren dem Grundsatzbeschluss für die Generalsanierung einige Sozialpolitiker in der Partei nur "mit Bauchschmerzen" gefolgt. Allerdings bietet das Verfahren sowieso noch Möglichkeiten, die Kosten zu variieren. 25 Module umfasst die Generalsanierung, die nicht zwingend alle umgesetzt werden müssen.

Von den relevanten Parteien im Stadtrat steht bisher nur die FDP an der Seite der Sozialdemokraten. "Wir streben nach wie vor einen Neubau an und sprechen auch mit den Eigentümern der Paketposthalle", sagt Stadtrat Thomas Ranft. Sollte sich das nicht realisieren lassen, spreche sich die FDP aus Kostengründen für die kleine Lösung aus.

Von anderen kommt herbe Kritik an der SPD. Der Gasteig eigne sich "nicht für politische Spielchen", sagt Bürgermeister Pretzl, der zudem Fraktionschef der CSU ist. Die Ausschussgemeinschaft aus ÖDP und Linken stehe zur Generalsanierung, sagt ÖDP-Stadträtin Sonja Haider. Es wundere sie sehr, dass die SPD ein solch zentrales Investitionsvorhaben für die Stadt "zerschießen" wolle. Ursula Sabathil will schnellstmöglich vorwärtskommen und kritisiert den Imageschaden. "Wir müssen uns nicht über den Berliner Flughafen lustig machen. Die sollen sich mal am Riemen reißen", appelliert sie. Und nicht zuletzt Grünen-Fraktionschef Florian Roth ärgert sich über die Umkehr der SPD. Einen "populistischen Luftballon" hätte diese steigen lassen, um sich als große Sparerin zu profilieren.

Allerdings könnte eine Gefahr, die die SPD sieht, tatsächlich noch zu Verzögerungen und damit zu einer erheblichen Kostensteigerung bei einer Generalsanierung führen. Sie betrifft die Urheberrechte der Ursprungsarchitekten des Gasteig. Ein Vertreter dieses Teams hat sich auf einen der drei Siegerentwürfe des Wettbewerbs, die nun erneut um die Vergabe konkurrieren, öffentlich festgelegt. Die anderen beiden schloss er aus. Sollte einer dieser Entwürfe nun gewinnen, drohen dem Gasteig neue Wochen und Monate voller Misstöne.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2019/kaal/sim
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