Gasteig-Sanierung:Details? Fehlanzeige!

Benefiz-Familienkonzert in München, 2014

Wo die beiden Orchester während der Bauzeit spielen sollen, ist noch unklar - wie auch zahlreiche andere Fragen rund um die Sanierung.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Stadt München und der Freistaat Bayern haben beschlossen, die Philharmonie am Gasteig umzubauen.
  • Konkrete Pläne, wie die Sanierung aussehen soll, gibt es jedoch bislang nicht.
  • So ist ungeklärt, wo die Orchester während der zweijährigen Umbauzeit spielen soll. Auch Details zur Finanzierung sind noch offen.

Von Franz Kotteder und Christian Krügel

Ende der Konzertsaaldebatte, hatte es am Montag im Rathaus geheißen: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) haben beschlossen, dass Stadt und Freistaat gemeinsam die Philharmonie am Gasteig umbauen. Einen zusätzlichen Saal, etwa im Finanzgarten, wird es in München nicht geben. Punkt.

Schaut man sich den Beschluss der Spitzenpolitiker genauer an, scheinen freilich mehr Fragen offen als geklärt zu sein. Das beginnt bei der wichtigsten: dem eigentlichen Neubau der Philharmonie. "Einen Saal von Weltniveau" hat Seehofer versprochen, dafür solle die Philharmonie entkernt und ein neuer Saal eingebaut werden. Fragt man am Tag danach im Rathaus und im Gasteig, wie denn das konkret aussehen könnte und wie es technisch funktionieren soll, bekommt man allerdings keine Antwort.

Sanierungs-Lösung tauchte auch in Stadtrat-Vorlage auf

Man gehe aber davon aus, dass das Ingenieurbüro, das den Gasteig berät, sich Gedanken über diese Variante gemacht habe. Zumindest tauche die von Seehofer und Reiter präferierte Lösung auch in einer Vorlage für den Stadtrat auf. Dieser hatte nämlich seiner Verwaltung den Auftrag erteilt, sämtliche Varianten einer Sanierung durchzuspielen, vom minimalen Aufwand bis hin zum kompletten Abriss. Der zuständige Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU), zugleich Kulturbürgermeister, hatte vergangene Woche gesagt, dass diese Vorlage seit Wochen fertig sei. Man warte nur noch auf das Gespräch Seehofer/Reiter und werde dann zügig das Ergebnis in eine endgültige Vorlage gießen.

Doch offenbar gibt es bislang keine detaillierten Gutachten zu statischen, technischen und architektonischen Fragen der Seehofer/Reiter-Lösung. Gasteig-Geschäftsführerin Brigitte von Welser verwies darauf, dass sie auf eine Information durch den OB und den Kulturreferenten warte - schließlich sei sie selbst bei dem Spitzengespräch nicht dabei gewesen.

Um eine Vorstellung zu bekommen, wie Seehofers "Saal von Weltniveau" ungefähr aussehen könnte, muss man derzeit also ins Archiv steigen. 2009 hatte Brigitte von Welser ein Modell präsentiert, welches das Architekturbüro Speer & Partner entworfen hatte und das auf einen verkleinerten und verdichteten Saal zielte. Der sollte quasi in die bestehende Gebäudehülle eingehängt werden. Die Gasteig-Geschäftsführerin sprach damals von einem "dreistelligen Millionenbetrag, bei dem keine Eins vorn dran steht". Der Stadtrat lehnte diese Variante 2010 und 2011 wegen zu hoher Kosten ab - und weil der Freistaat ja immer noch keine Entscheidung über einen eigenen Konzertsaal getroffen habe.

Was es kosten wird, ist noch völlig unklar

Jetzt hat sich der Ministerpräsident festgelegt, OB Reiter nimmt die finanzielle Beteiligung des Staates gerne an, um bei der Gasteig-Sanierung rasch voranzukommen. Doch wie viel das Projekt genau kosten soll, ist am Tag der nach der Grundsatzentscheidung noch völlig unklar - auch mangels detaillierter Pläne. Seehofer stellte am Montag nur in Aussicht, was er nicht zahlen wolle. Er bestritt, die Summe von 200 Millionen Euro als Beitrag des Landes zur Gasteig-Sanierung ins Spiel gebracht zu haben: "Die genaue Summe ist natürlich Verhandlungssache, das kommt erst in den nächsten Wochen und Monaten." Zu Beginn seiner Amtszeit sei noch die Rede von einem möglichen Konzertsaal im Marstall gewesen, "damals sprachen wir von 80 Millionen Euro, da lacht man heute nur drüber".

Je länger es dauere, so Seehofer, desto teurer werde der Saal. 2012 hatte er beim Neujahrsempfang der bayerischen Landesvertretung in Berlin gesagt, die Haushaltslage Bayerns sei so gut, dass das Projekt finanziell zu stemmen sei - wenn es auch noch genügend Spenden von privater Seite gebe. Die dürften allerdings bei einem Plan für einen neuen Saal in der alten Philharmonie ausbleiben.

Eines ist immerhin klar: Im neuen Saal wird es "etwas weniger Plätze geben", wie Reiter sagte, "aber nicht im nennenswerten Bereich". Durch den Umbau soll auch Platz für Räume geschaffen werden, die dann dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zur Verfügung stehen. Dies wird zumindest zum Teil dort sein, wo jetzt die Musikhochschule, das frühere Richard-Strauss-Konservatorium, untergebracht ist. Denn die, sagte Seehofer beiläufig, soll an einem anderen Ort untergebracht werden - wo genau, ist derzeit freilich offen. Es handelt sich dabei um rund 1400 Quadratmeter. Zusätzliche Räume soll es auch im Herkulessaal nach eine Gesamtsanierung geben, die Sitzplatzkapazität wird dabei "nicht wesentlich" erweitert werden.

Wo spielen die Orchester bei zwei Jahren Bauzeit?

Völlig unklar ist bislang, wo die beiden Orchester spielen sollen, während die Philharmonie umgebaut wird. Oberbürgermeister Dieter Reiter rechnet mit mindestens zwei Jahren Bauzeit. Diese Zeitspanne hatte auch Brigitte von Welser 2009 genannt - vorbehaltlich exakter bautechnischer Planungen. In der Umbauphase wird wohl bestenfalls der Herkulessaal mit 1300 Plätzen als Ausweichquartier zur Verfügung stehen. Weitere Provisorien sind derzeit nicht in Sicht. Die Frage beflügelt aber die Phantasie, gerade in den betroffenen Orchestern und der Musikszene. Von einem Zeltprovisorium in Fröttmaning ist die Rede, wie es das Deutsche Theater jahrelang nutzen musste. Und die Münchner Philharmoniker spielten vor kurzem Beethoven im Postpalast an der Hackerbrücke. Das Prinzregententheater scheidet als Ausweichquartier wohl aus, da es von Münchner Symphonikern, dem Rundfunkorchester und vielen anderen genutzt wird.

Klar ist am Tag nach der Entscheidung nur, dass sich die Nürnberger keine allzu großen Sorgen machen müssen. Auch ihnen hatte Seehofer einen neuen Konzertsaal versprochen. Diese Zusage gelte auch jetzt noch, so Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU), auch wenn sich die Sache in München etwas anders entwickelt habe. In Nürnberg seien aber die kommunalen Überlegungen bei Weitem noch nicht so weit gediehen, dass man schon konkrete Schritte besprechen könne. Anders in München: Am kommenden Dienstag will sich das bayerische Kabinett damit befassen und die Lösung beschließen.

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