Gasteig:Reiter verbietet Klage gegen zweite Stammstrecke

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Im Gasteig fürchtet man, dass die Arbeiten an der zweiten Stammstrecke den Kulturbetrieb erheblich beeinträchtigen würden.

Von Heiner Effern und Marco Völklein, München

Die Stadt verbietet dem Gasteig, aus Lärmschutzgründen gegen den Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels zu klagen. "Die Gasteig GmbH ist heute von der Landeshauptstadt als Gesellschafterin angewiesen worden, keine Rechtsmittel gegen den Genehmigungsbescheid einzulegen", teilte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Montagmittag mit. SPD und CSU seien sich einig, dass "es hier zu keinerlei zeitlichen Verzögerungen kommen" dürfe. Gasteig-Chefin Brigitte von Welser fürchtet Beeinträchtigungen durch eine Baustelle unweit ihres Hauses mit dem Konzertsaal der Philharmoniker.

OB Reiter und Bürgermeister Josef Schmid (CSU), der Chef des Aufsichtsrats im Gasteig ist, wollen sich politisch für die Interessen des Kulturzentrums einsetzen. "Wir werden durch ein Schreiben sicherstellen, dass der Betrieb am Gasteig durch die Bauarbeiten nicht beeinträchtigt wird", sagte Schmid. "Mir als Geschäftsführerin geht es darum, jedwede Beeinträchtigungen durch Baumaßnahmen an der zweiten Stammstrecke möglichst auszuschließen", erklärte Welser nach dem Klageverbot. "Dass sich jetzt die Stadtspitze für diese Belange des Gasteig einsetzt, kann nur in unserem Sinne sein."

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Von Marco Völklein

Die geplante Klage gegen den zweiten Tunnel durch eine städtische Gesellschaft kam in der montäglichen Koalitionsrunde von CSU und SPD im Rathaus denkbar schlecht an. "Unverständnis" äußerte etwa SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. CSU-Fraktionsvize Manuel Pretzl sieht das Vorgehen von Brigitte von Welser ebenfalls kritisch. "Da muss es andere Mittel und Wege geben." Vertreter der Stadtregierung waren sich am Montag einig, dass der Gasteig für eine Klage ohnehin einen Beschluss des Aufsichtsrats benötigt hätte. Der Gesellschaftsvertrag schreibe einen solchen bei Rechtsstreitigkeiten in grundsätzlichen Fragen vor, sagte Reissl. Die Klage soll in der Aufsichtsratssitzung in der vergangenen Woche aber nur unter dem Tagesordnungspunkt Sonstiges vorgestellt worden sein.

Der Gasteig hatte schon im Genehmigungsverfahren seine Sorgen über jahrelange Lärmbelästigungen und Probleme bei der Anfahrt geäußert. Die Deutsche Bahn als Bauherr und das Eisenbahnbundesamt als Genehmigungsbehörde hätten statt verbindlicher Zusagen nur "Wischiwaschi" geliefert, sagte Welser am Montag der Süddeutschen Zeitung. Diesen Ärger könne man schon nachvollziehen, sagt ein einflussreicher Stadtpolitiker. Bahn und Eisenbahnbundesamt seien extrem schwierige und oft auch überhebliche Gesprächspartner, die Sorgen und Anliegen von Kommunen oft nicht interessierten.

Die Juristen des Gasteig hatten deshalb empfohlen, vorsorglich fristgerecht Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) einzureichen. Auf diese Weise hoffte man im Gasteig, bei weiteren Gesprächen etwa zum Lärmschutz mehr erreichen zu können. Die geplante Klage richte sich nicht prinzipiell gegen den Tunnel. "Wir begrüßen das Projekt sehr", sagte Welser. Eine zweite Röhre sei "ausdrücklich eine Bereicherung" für die Stadt.

Die Planungen des Drei-Milliarden-Euro-Tunnels sind in drei Hauptbauabschnitte unterteilt - das macht das juristische Gezerre darum leicht unübersichtlich. Bereits rechtskräftig ist die Baugenehmigung für den mittleren Abschnitt, der sich vom Stachus bis zur Isar erstreckt. Hier könnte die Deutsche Bahn sofort mit dem Bau beginnen, bislang allerdings hakt es an der Finanzierung. Im westlichen Abschnitt (Laim bis Stachus) gibt es bereits eine Baugenehmigung, gegen diesen haben sieben Anrainer rund um den Hauptbahnhof geklagt. Diese werden am Dienstag und Mittwoch vor dem VGH verhandelt. Im östlichen Abschnitt (Isar bis Leuchtenbergring) wurde der Planfeststellungsbeschluss erst vor kurzem erlassen - Klagen dagegen können noch bis Mitte Juli eingereicht werden. Juristische Schritte angekündigt haben bereits die Bürgerinitiative in Haidhausen sowie eine Interessensgemeinschaft von Gewerbetreibenden.

Anders als Gasteig-Chefin Welser in ihrer ursprünglichen Klage oder auch die Klagen von Gewerbetreibenden aus der Innenstadt richten sich die Klagen aus Haidhausen nicht nur gegen die Belastungen durch Baulärm und -schmutz, sondern grundsätzlich gegen das Projekt. Die Bürgerinitiative zum Beispiel vertritt zusammen mit vielen Fahrgast- und Umweltverbänden sowie den Grünen die Ansicht, ein Teilausbau des Bahn-Südrings im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen sei besser geeignet als der Tunnel, die Verkehrsprobleme von Stadt und Region zu lösen.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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