Bis das Gasteig-Interim wieder umzieht – zumindest so lange dürften sie bleiben. Davon sind die Kreativen, Künstler und Handwerker, die Räume auf dem Gelände des HP8 in Sendling gemietet haben, fest ausgegangen. Nun wurde ihnen für den Februar 2026 die Kündigung in Aussicht gestellt. Das wollen sie aber nicht hinnehmen.
Seit 13 Jahren ist für die Künstler und Künstlerinnen Doris Hahlweg, Susanne Pittroff, Eva Schöffel und Christoph Lammers – zusammen mit drei weiteren Künstlern – das Obergeschoss des Hauses F an der Hans-Preißinger-Straße 8 ihr Domizil. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagen sie. Die bevorstehende Kündigung bedroht ihre Existenz. Als bildender Künstler in München ein Atelier zu bekommen, ist schier unmöglich. Jetzt soll das Haus aber für den Bau von Werkswohnungen der Stadtwerke München abgerissen werden.
Durch einen regenbogenfarbenen Lametta-Vorhang gelangt man zu Philipp Heitsch von der Designliga. Sein Büro für Kommunikationsdesign und Innenarchitektur befindet sich in der Halle A, einer Industriehalle mit zwei hineingebauten Miniaturhäusern. Er hat die Räume sehr aufwendig renoviert, mit „viel Liebe und Herzblut“. Im Jahr 2011 ist er eingezogen. Über die bevorstehende Kündigung war er ebenfalls überrascht. Insgesamt soll es um 71 Haupt- und Untermieter nach Angaben der Betroffenen gehen. Die Stadtwerke sprechen von 24 Gewerbemietern.
Die bevorstehende Kündigung ist nicht die erste. Bereits im Jahr 2017 hieß es, die langjährigen Mieter müssten ihre Ateliers, Büros und Werkstätten verlassen. Der Gasteig sollte in das Zwischenquartier auf dem HP8-Areal ziehen, während das Stammhaus in Haidhausen saniert wird. Die Mieter wehrten sich dagegen, man fand eine Lösung mit weiteren Modulbauten auf dem Gelände. Alle Beteiligten lobten und feierten diesen Kompromiss. Und auch jetzt noch schätzen die alten und neuen Mieter das Miteinander. „Es ist etwas entstanden, was sich gegenseitig befruchtet hat“, sagt der Architekt Clemens Bachmann, ebenfalls Mieter auf dem Gelände. Die große Kultur hat damals nicht die kleine Kreativszene verdrängt.
Den Mietern war jedoch immer klar: Wenn die Stadtwerke mit dem Wohnungsbau beginnen, müssen sie gehen. Schließlich gehört dem Unternehmen das Areal. Aber das vorzeitige Ende wollen sie nicht akzeptieren – vor allem, weil es sich wie ein Vorwand anfühle, sagt Clemens Bachmann. Auch für den Schreiner Thomas Schiller kam die bevorstehende Kündigung völlig überraschend. „Der Umzug einer Schreinerei ist anders als ein Büro mit zwei Schreibtischen“, sagt er. Bei den sieben Schreinereien auf dem Gelände habe die drohende Kündigung Panik und Existenzängste ausgelöst.
Der Umbau auf dem Gelände soll Anfang 2027 im südlichen Bereich beginnen und umfasst die Ausbildungswerkstätten der Stadtwerke sowie die Hallen A und F. In den Gebäuden befinden sich ebenfalls Räume des Gasteig, die nun auf dem Gelände einen anderen Platz finden müssen. Im Gespräch ist dafür der Mittelteil des Areals. Die Gasteig-Leitung lässt daher eine Machbarkeitsstudie vornehmen, welche Räume geeignet sind und in welchem Umfang diese umgebaut werden müssen. Perspektivisch sollen jedoch sämtliche Hallen irgendwann für den Wohnungsbau abgerissen werden. Hinzu kommt, dass Flächen, die bislang noch im alten Gasteig untergebracht sind, nun auch auf dem Gelände des HP8 berücksichtigt werden sollen.
Dass nun Räume der Mieter an den Gasteig übergeben werden sollen, kritisiert Bachmann. „Das war nicht Teil der Konsenslösung.“ Jahrelang habe es funktioniert, dass die Flächen im alten Gasteig verblieben seien. Er hat selbst das Gespräch mit den Verantwortlichen der Gasteig München GmbH gesucht, das sei jedoch nicht so fruchtbar gewesen. Er ärgert sich darüber, dass die Mieter wieder den ersten Schritt gehen müssen. „Wir sind kompromissbereit, aber es wurde nicht darauf eingegangen.“
„Wir sind auch von den anstehenden Bauarbeiten der SWM betroffen und waren überrascht“, sagt Michael Amtmann, Sprecher der Gasteig München GmbH. Mit den bisherigen Mietern versuche man aber, sich regelmäßig auszutauschen. Man prüfe auch, inwieweit man Container auf Parkplätzen aufstellen könne, um Räume für die bisherigen Mieter zu schaffen. Die Räumlichkeiten im alten Gasteig müssen aufgegeben werden, weil dort in absehbarer Zeit die Sanierung beginnt. Diese sollen nun auf das Gelände des HP8 ziehen, weil das für den Betrieb des Gasteig HP8 erforderlich und eine „wirtschaftlich vernünftige Lösung“ sei. Das HP8 als Interim wird länger benötigt als gedacht.
Die Stadtwerke München verweisen auf Anfrage auf die „sehr frühzeitige Mieter-Information“, die eineinhalb Jahre vor Mietende erfolgte und den Mietern damit genügend Vorlauf bei der Suche nach Ersatzflächen biete. Bei der Suche werden die Stadtwerke die Betroffenen „nach Möglichkeit“ unterstützen. Geplant sind neben 450 Wohnungen eine Kita, aber auch Läden für Kleingewerbe, Handwerk und Kreativschaffende. Die verbleibenden Gebäude der Isarphilharmonie und die Halle E sollen auch nach dem Umzug des Gasteig für Kultur zur Verfügung stehen.
Dominik Krause (Grüne), Zweiter Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Gasteig München GmbH, erklärt, man verstehe „die berechtigten Wünsche“ der derzeitigen Mieter. Jedoch sehe er ebenso den Bedarf der Gasteig München GmbH und der Stadtwerke. „Ich wünsche mir dennoch für das Gelände neben dem Gasteig HP8 weiter eine kulturelle Nutzung.“ Dafür werde er sich „starkmachen“.
Die Mieter hoffen auf einen Dialog mit den Stadtwerken, der Gasteig München GmbH und dem Stadtrat – ohne dass die bisher so positive Atmosphäre darunter leidet.